Der Verschlimmbesserer

Verschlimmbessert eine Reform der Vorgängerregierung: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil | Foto: archiv
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  • Verschlimmbessert eine Reform der Vorgängerregierung: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil
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Warum die rot-grüne Landesregierung die Amtszeit von Landräten und Bürgermeistern nicht antasten sollte

(rs). Stephan Weils rot-grüne Landesregierung will die achtjährige Amtszeit der Landräte und Bürgermeister bis zum Jahr 2021 von acht auf fünf Jahre verkürzen. Erst 2006 hatte die damalige schwarz-gelbe Landtagsmehrheit die Amtszeit auf acht Jahre verlängert. Klar scheint schon jetzt: Kommen CDU und FDP 2017 wieder dran, werden sie zur achtjährigen Amtszeit zurückkehren. Das ist dann eine Reform der Reform der Reform. Bezahlen muss alles der Steuerzahler - in jeder Hinsicht. Bei der CDU spricht man von einer Verschlimmbesserung eines alles in allem funktionierenden Modells.
Bisher hatten in Niedersachsen vor allem Schulen und Polizei unter fast jedem Regierungswechsel in Hannover zu leiden. Die danach regelmäßig folgenden Reformen waren zu oft nicht im Sinn der Betroffenen und fast nie gestützt auf den Sachverstand derer, die sie umzusetzen hatten. Immer mehr Lehrer, Eltern, Schüler, aber auch die Ordnungshüter und Vertreter anderer Gruppen wollen nicht mehr länger nach jeder Wahl Versuchskanninchen profilierungssüchtiger Politiker sein. Wohl deshalb begibt sich die neue Landesregierung auf das vermeintlich weniger gefährliche Terrain der Kommunalverfassung.
Aber immer deutlicher wird: Rot-Grün bewegt sich bei der Amtszeitreduzierung auf einem gefährlichen Minenfeld. Zu dürftig ist die Begründung der Reform, zu schwer wiegen ihre Nachteile. Kein Wunder, dass alle vom WOCHENBLATT befragten Bürgermeister die Amtszeitverkürzung ablehnen. Hier einige Stimmen:
• Stades Bürgermeisterin Silvia Nieber: „Ich bin voll und ganz auf der Linie des Niedersächsischen Städtetag-Präsidiums, dessen Mitglied ich bin. Wir lehnen die verkürzte Amtszeit ab. Hauptamtliche Verwaltungschefs haben komplexe Aufgaben zu lösen, etwa die Planung von Bau- und Gewerbegebieten und die Schließung von Schulen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Die längeren Dienstzeiten haben sich hierbei bewährt.“
• Winsens Vize-Bürgermeister André Bock: „Legt man die Bürgermeisterwahl mit der Kommunalwahl zusammen, besteht die Gefahr, dass die ehrenamtliche Arbeit der Ratsmitglieder in ihrer Bedeutung geschwächt wird, weil die Person der Bürgermeister-Kandidaten zu stark im Fokus stehen.“
• Stelles Bürgermeister Uwe Sievers: „Von einer Verkürzung der Amtszeit halte ich gar nichts. Fünf Jahre sind als Perspektive der politischen Amtsinhaber und für Bewerber zu kurz. Erst hatten wir fünfjährige Amtszeiten, dann acht Jahre, nun sollen es wieder fünf werden. Wo bleibt da die Kontinuität?“
• Horneburgs Samtgemeindebürgermeister Gerhard Froelian: „Die Amtszeit sollte lieber auf zehn Jahre verlängert werden. Außerdem sollten nur qualifizierte Bewerber zugelassen werden, die sich u.a. in den Bereichen Betriebswirtschaft und Juristerei auskennen. Eine Verkürzung der Amtszeit wäre nur aus einem Grund sinnvoll: Unfähige Bürgermeister wären dann schneller wieder weg.“
• Salzhausens Samtgemeindechef Wolfgang Krause: „Ich kann keine plausiblen Gründe erkennen, die eine Verkürzung der Amtszeit notwendig machen. Wenn das umgesetzt wird, dürften Städte und Gemeinden es in Zukunft schwer haben, Bewerber etwa aus der freien Wirtschaft für das Bürgermeisteramt zu bekommen.“
• Jesteburgs Samtgemeindebürgermeister Hans-Heinrich Höper: „Die Reform mag angehen für die wenigen großen Städte, wo der Oberbürgermeister politischer Repräsentant ist. Der hauptamtliche Bürgermeister in einer kleineren Gemeinde führt aber die Verwaltung und ist in Projekte eingebunden. Dazu braucht es eine Einarbeitungszeit. Und spätestens ein Jahr vor der nächsten Wahl wird es schwierig, neue Vorhaben anzufassen.“
• Apensens Samtgemeindebürgermeister Peter Sommer: „Eine achtjährige Amtszeit ist sinnvoll für eine kontinuierliche Arbeit. Bei einem Wechsel nach fünf Jahren müssen sich Bürgermeister zu Lasten der Verwaltungsarbeit stark auf den Wahlkampf konzentrieren. Auch der niedersächsische Städte- und Gemeindebund hat sich bereits für die achtjährige Amtszeit ausgesprochen. Außerdem wollte die CDU mit Einführung der längeren Periode Bewerber motivieren, die nicht aus der Verwaltung kommen. Einen Pensionsanspruch hat man nämlich erst nach acht Jahren.

Redakteur:

Reinhard Schrader aus Buchholz

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