Zwangsehen verhindern: Diese Gratwanderung braucht Fingerspitzengefühl

Marlies Paske (l.) und Beate Schober fragen sehr genau nach wenn sie den Verdacht haben, dass eine Zwangsehe angebahnt werden soll.
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tk. Buxtehude. Mit Romantik und Liebe hat dieser Bund fürs Leben nichts zu tun: Zwangsheirat. Die Dunkelziffer erzwungener Ehen in Deutschland ist so hoch, das Schätzungen unmöglich sind. Um schon im Vorfeld zu verhindern, dass vor allem junge Frauen gegen ihren Willen verheiratet werden, müssen Standesbeamte mit Fingerspitzengefühl und Spürsinn vorgehen. "Das ist ein sehr sensibles Thema", sagt Beate Schober, Standesbeamtin in Buxtehude. Im Standesamt läuten zum Beispiel die Alarmglocken, wenn eine Frau, die angeblich heiraten will, gar nichts sagt und nur Vater, Bruder oder Onkel reden und den Hochzeitstermin festsetzen.

Zwangsehen sind in Deutschland seit 2011 ein Straftatbestand. "Schon deshalb müssen wir genau hingucken", sagte Marlies Paske. Den beiden Standesbeamtinnen helfen dabei ihre Berufs- und Lebenserfahrung sowie Fortbildungen.Vor ihnen sitzen mitunter junge modisch gestylte Frauen, in Deutschland geboren und zur Schule gegangen, die gegen ihren Willen verheiratet werden sollen. Dann beginnt das, was Schober und Paske "eine Gratwanderung" nennen. Sie haben das Recht, genau nachzufragen. Sie können das Brautpaar sogar zu Einzelbefragungen einbestellen. Es geschieht immer mal wieder, dass sich eine junge Frau dann offenbart. Beate Schober und Marlies Paske verweisen auf Hilfsangebot, eine Telefonhotline, Broschüren. Wie akut das Problem auch in einer kleinen Stadt wie Buxtehude sein muss lässt sich am Schwund der Infohefte mit der Notfallhotline ablesen. "Die müssen wir oft nachlegen", sagt Beate Schober.
Doch selbst dann, wenn die Standesbeamtinnen sicher sind, es mit einer erzwungenen Partnerschaft zu tun zu haben - und sie die Eheschließung ablehnen -, ist der Fall nicht automatisch erledigt. Manchmal ziehen die "Brautleute" in eine andere Stadt und sind beim beim nächsten Termin auf dem Standesamt besser vorbereitet.
Die beiden Standesbeamtinnen haben auch mit anderen Fällen von Zwangsheirat zu tun: Junge, in Deutschland aufgewachsene Frauen, oft noch minderjährig, werden im Urlaub (zwangs)verheiratet. Welche Möglichkeit haben Standesbeamte darauf zu reagieren? Sie können die Anerkennung einer Ehe mit Minderjährigen ablehnen. Aber: Bis ein Familiengericht letztendlich entscheidet, sind die jungen Frauen oft schon volljährig - und stecken in der Zwangsehe-Falle.
Ein anderes, nicht minder gravierendes Problem sind so genannte Importbräute. Junge Frauen aus dem früheren Heimatland des zukünftigen Mannes werden - auch gegen ihren Willen - nach Deutschland verheiratet.
"Eine Ehe", sagen die beiden Standesbeamtinnen, "muss aus freiem Willen geschlossen werden." Und dieser freie Wille müsse erkennbar sein.
• Die Gesetze: Wer andere zu einer Ehe nötigt, kann eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahre kassieren. Ehen, die unter Zwang geschlossen werden, können zudem wieder aufgehoben werden.
• Frauen, die von Zwangsheirat bedroht sind, können sich an das kostenlose Krisentelefon Zwangsheirat (Tel. 0800 - 0667888) wenden. Fpr die entsprechende Homepage hier klicken
In Buxtehude hilft die AWO-Migrationsberatung: Tel. 04161 - 714720.
In jedem Standesamt gibt es mehrsprachige Broschüren, wo Hilfe zu bekommen ist und was Frauen beachten sollten, wenn sie fürchten, im Urlaub zwangsverheiratet zu werden.

Marlies Paske (l.) und Beate Schober fragen sehr genau nach wenn sie den Verdacht haben, dass eine Zwangsehe angebahnt werden soll.
In allen Standesämtern gibt es mehrsprachige Broschüren für Betroffene: Darin sind auch Tipps, was bei drohender Zwangsheirat im Ausland getan werden kann
Redakteur:

Tom Kreib aus Buxtehude

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