Ohne Pass keine Ausreise ins Heimatland

Lieber Notunterkunft als freiwillige Ausreise. Im Landkreis Stade leben rund 760 Ausländer, die ausreisepflichtig sind. Viele bleiben aber für Jahre | Foto: tk
  • Lieber Notunterkunft als freiwillige Ausreise. Im Landkreis Stade leben rund 760 Ausländer, die ausreisepflichtig sind. Viele bleiben aber für Jahre
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Im Landkreis Stade sind 759 Ausländer ausreisepflichtig / Viele bleiben dennoch für Jahre

tk. Stade. Im Landkreis Stade lebten zum Ende des Jahres 2016 insgesamt 759 Ausländer, die ausreisepflichtig sind, bei denen die Abschiebung aus unterschiedlichen Gründen aber nicht - oder zumindest nicht zeitnah - vollzogen werden kann. Seit dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt wird über eine deutliche Verschärfung bei Abschiebungen politisch gestritten. Jenseits der Frage, was mit islamistischen Gefährdern passieren soll, wird dabei in der Debatte häufig übersehen: Wenn der Heimatstaat unklar ist oder keine Papiere vorliegen, kann nicht abgeschoben werden. Das WOCHENBLATT hat bei Landkreis-Dezernentin Nicole Streitz Zahlen und Fakten nachgefragt. "Wer ohnehin nicht ausreisen will, wird im Zweifel auch nicht helfen, seine Identität aufzuklären oder Papiere zu beschaffen", erklärt sie.

Die Zahlen: Von den 759 Ausreisepflichtigen kommen mehr als 60 Prozent (464 Personen) aus den Westbalkanstaaten, die als sichere Herkunftsländer gelten. Serbien ist dabei mit 124 Menschen das Land mit den meisten abgelehnten Asylbewerbern im Kreis Stade.

Flüchtlinge aus Nordafrika spielen in der Region zahlenmäßig kaum eine Rolle. Aus Algerien, Marokko und Tunesien kommen zusammen derzeit nur 20 Ausreisepflichtige.

Eine gesonderte Kategorie sind die Menschen, deren Staatsangehörigkeit als ungeklärt geführt wird. Das sind im Kreis Stade 41 Personen. Darunter werden Asylbewerber zusammengefasst, bei denen im Laufe des Verfahrens festgestellt wurde, dass sie nicht aus dem Land stammen, das sie angegeben haben, oder wenn die Staatsangehörigkeit nicht feststellbar ist.

Dass die Zahl der Abschiebungen nicht höher liege, habe laut Streitz vor allem einen Grund: "In 80 Prozent der Fälle gibt es keinen Reisepass oder vergleichbare Identitätsnachweise." Das Gesetz sehe zwar vor, dass Menschen nach einem negativen Asylverfahren freiwillig ausreisen und sich selbst um die notwendigen Papiere in ihren Botschaften kümmern - die Praxis sieht dagegen völlig anders aus. "Wer nicht ausreisen will, wirkt bei dem Verfahren nicht mit." Zudem gebe es Staaten, die einmal ausgereiste Bürger nur ungern zurücknehmen und das Beschaffen von Papieren aus dem Heimatland zu einer langwierigen, bürokratischen Prozedur machen. Bei der Gruppe der Menschen mit ungeklärter Herkunft ist ohne deren Mitwirkung sowieso kein Reisepass zu organisieren. "Eine Abschiebung kann es dann nicht geben", sagt Nicole Streitz.

Die Menschen, die den Landkreis Stade eigentlich verlassen müssten, aber noch da sind, besitzen eine sogenannte Duldung. Sie müssen sich regelmäßig bei der Ausländerbehörde zur Verlängerung der Papiere vorstellen, arbeiten dürfen sie nicht und im Falle von Straffälligkeit unter Umständen auch den Landkreis nicht mehr verlassen. In Einzelfällen können auch monatliche Leistungen gekürzt werden. "Wer bleiben will, arrangiert sich aber auch mit diesen dann geringeren Summen", sagt die Dezernentin. Diese Duldung könne sich über viele Jahre hinziehen, so Streitz.
Hilfe von Land oder Bund ist in diesen Fällen nicht zu erwarten. Denn: Das Asylverfahren wird zwar vom BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) durchgeführt, für die daraus folgenden Konsequenzen wie eine Abschiebung sind letztendlich aber die Kommunen verantwortlich.
Die Zahl der Menschen, die ausreisen müssten, werde laut Nicole Streitz deutlich steigen. Deutschlandweit sind durchschnittlich 40 Prozent aller Asylverfahren nicht erfolgreich.

Redakteur:

Tom Kreib aus Buxtehude

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