"Pfadis" genießen die Fernsicht

Was machen Pfadfinder am liebsten im Zeltlager? Sie konstruieren tolle Lagerbauten - wie der Turm, den Christoph, Jannik, Yeison und Florian aus Holzstangen und dicken Tampen errichten
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  • Was machen Pfadfinder am liebsten im Zeltlager? Sie konstruieren tolle Lagerbauten - wie der Turm, den Christoph, Jannik, Yeison und Florian aus Holzstangen und dicken Tampen errichten
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(jd). Gruppen aus Harsefeld, Fredenbeck und Stade nehmen an dem bundesweit größten Jugendzeltlager teil.

Es ist wahrscheinlich das größte Jugendcamp, das in diesem Jahr in Deutschland stattfindet: Fast 5.000 Pfadfinder haben derzeit in der Nähe von Kassel (Nordhessen) ein riesiges Lager aufgeschlagen. Die Zeltstadt erstreckt sich über eine Fläche von mehr als 13 Fußballfeldern. Mit dabei sind drei Pfadfindergruppen aus dem Kreis Stade: die Stämme "Horse" aus Harsefeld, "Likedeeler" aus Fredenbeck und "Hasko" aus Stade. Für zehn Tage tauschen die knapp 100 Kinder und Jugendlichen aus dem Kreis Stade die Annehmlichkeiten unserer Konsumwelt mit einem einfachen Leben in der freien Natur.

Im Lager ist technischer Schnickschnack wie Smartphones, Ipods oder Nintendos verpönt. "Das ist auch gut so", findet Gruppenleiter Björn Dietrich aus Fredenbeck. Anstatt zu "daddeln" oder durch virtuelle Welten zu surfen, wird auf dem Lager, das unter dem Motto "Weitwinkel" steht, tüchtig gehämmert, gesägt und gebastelt. So haben die Fredenbecker und Stader eine gemeinsame Zeltburg konstruiert - inklusive "Burgtor". Von anderen Gruppen seien verrückte Lagerbauten wie Wasserbombenschleudern und Riesenhängematten errichtet worden, berichtet Björn.

Die Hängematten gehören tagsüber zu den beliebtesten Aufenthaltsorten der älteren Pfadfinder, den sogenannten Rovern. Für diese Altersgruppe der 16- bis 25-Jährigen sind auf dem Lager Zeltcafés eingerichtet. Diese öffnen erst um 22 Uhr, wenn die Kleinen im Schlafsack liegen. Auch Hauke aus Stade stürzt sich dann ins "Lager-Nachtleben": "Das ist echt cool, was in den Cafés angeboten wird", berichtet der Dachdecker-Azubi. So würden Liedermacher und Bands auftreten. Am Tag halten die Nachtschwärmer dann "Siesta", um Kraft für die nächste "Pistentour" zu tanken.

Während es bei den Älteren eher gemächlich zugeht, kommt bei den jüngeren Pfadies garantiert keine Langeweile auf. Es laufen lustige Spiele wie "Riesenmikado" mit Baumstämmen und auf der selbstgebauten Lagerbühne finden Vorführungen statt. "Das Programmangebot ist einfach toll", schwärmt Sofia aus Harsefeld.

Damit kein "Lagerkoller" aufkommt, werden die rund 240 Sippen - so heißen bei den Pfadis die Kleingruppen - zwischendurch auf zweitägige Tippel-Tour geschickt: Bei der "Raus"-Aktion erkunden die Sippen zu Fuß, per Rad oder mit dem Kanu die Gegend rund um das Lager. Auch Sofia ging mit ihrer Gruppe auf Wanderschaft. "Unterwegs hatten wir knifflige Aufgaben zu lösen", berichtet die junge Pfadfinderin.

Von der Landschaft sind die jungen Pfadfinderinnen völlig begeistert: "Hier es total bergig", erzählt Nina: "Oben von den Bergkuppen hat man eine tolle Aussicht." Das sei ganz anders als zuhause auf dem platten Land, wo der Blick gerade mal bis zum nächsten Acker reiche.

Nach 30-Kilometer-Wanderung zurück im Lager angekommen, stürzten sich Nina und ihre Freundinnen gleich wieder ins Getümmel: Die Mädchen mussten in die Rolle von Trollen schlüpfen und versuchen, verschiedene Ausrüstungsgegenstände zu ergattern.

Am morgigen Sonntag heißt es Abschied nehmen von alten Bekannten und neuen Freunden. Dann werden die Zelte abgebrochen und es geht mit dem Bus wieder in Richtung Heimat. Im Gepäck werden die Pfadis sicher zahlreiche tolle Erinnerungen haben.

Ein paar Infos und Fakten zum Lager "Weitwinkel":

Das Zeltlager wird vom der "Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder" (BdP) ausgerichtet. Der BdP ist mit rund 30.000 Mitgliedern der größte nicht-konfessionelle Pfadfinderbund in Deutschland. Gemeinsam mit einem evangelischen und einem katholischen Pfadi-Verband gehört der BdP zu den drei deutschen Pfadfinder-Organisationen, die von der Weltpfadfinderbewegung anerkannt sind. Daneben bestehen bundesweit mehr als 100 kleinere Bünde.

Ein Großteil des 16 Hektar umfassenden Lagergeländes unweit der nordhessischen Kleinstadt Immenhausen gehört dem BdP. Dort befindet sich dessen Bundeszentrum. Auf dem Platz, der in neun Unterlager gegliedert ist, sind rund 800 Zelte aufgeschlagen. Unter den fast 5.000 Teilnehmern befinden sich rund 500 internationale Gäste aus 18 Pfadfinderbünden rund um die Welt.

In den Wochen vor dem Lager war ein Technik-Team unermüdlich im Einsatz, um die Infrastruktur aufzubauen. Um ausreichend Waschgelegenheiten zu schaffen, wurden Wasserleitungen in einer Gesamtlänge von vier Kilometern verlegt. Pfadfinder machen es sich abends gern am Lagerfeuer gemütlich. Damit kein Flächenbrand entsteht, wenn die Flammen einmal zu hoch schlagen, sind auf dem Lagerplatz insgesamt 250 Feuerlöscher aufgestellt.

Eine große Herausforderung stellt die Lagerlogistik dar: 25 Lkw rollten an, um das Material heranzuschaffen. Für den Transport der Teilnehmer waren 80 Busse unterwegs. Den täglichen Einkauf erledigen die Gruppen direkt vor Ort: Neben dem Pfadi-Gelände wurde ein großes Ausstellungszelt als "Markthalle" errichtet. In dem Markt werden neben frischem Obst und Gemüse alle erdenklichen Lebensmittel angeboten - viele davon in Bio-Qualität. Am warmen Tagen gehen täglich rund 400 Kisten mit Mineralwasser über den Ladentresen.

Um kleine Wehwechen der Teilnehmer vom Kratzer am Arm bis zum angeknacksten Zeh kümmern sich die Lagerärzte. Sechs Mediziner schieben rund um die Uhr Schichtdienst. Sie versorgen Blasen an den Füßen, kühlen Sonnenbrände und ziehen Zecken aus der Haut. Am häufigsten werden in der Sanitätsstation Schnittwunden verarztet: Es ist eben gar nicht so einfach, richtig mit dem Fahrtenmesser zu hantieren.

An der "Raus"-Aktion nehmen rund 240 Sippen teil. Das Oganisationsteam hat die 20 verschiedenen Touren generalstabsmäßig geplant. Rund um die Spielidee "Tim und Struppi" müssen Rätsel gelöst und spannende Aufgaben bewältigt werden. Wer die Umgebung auf eigene Faust erkunden will, erhält tolle Tipps in der "Fahrten-Jurte": Dieses Pfadi-Tourismusbüro liefert Infos zu sämtlichen Sehenswürdigkeiten in einem Radius von 30 Kilometern. Darunter befinden sich alternative Ausflugsziele wie beispielsweise ein stillgelegter Eisenbahntunnel.

Für Rover sind die Kundschaften gedacht: Auf diesen Exkursionen geht es um gesellschaftspolitische und kulturelle Themen. Unter anderem können sich sich die Teilnehmer über die Situation von minderjährigen Flüchtlingen informieren, die ohne Eltern in Deutschland leben, und mit den Betreuerinnen eines autonomen Frauenhauses sprechen. Eine andere Kundschaft führt zu einer Landkommune, wo das Ideal einer alternativen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft umgesetzt wurde.

Für den Betrieb des Tourismusbüros und der anderen Einrichtungen wie Markthalle, Lagerpostamt und Kontaktbörse sind ausschließlich freiwillige Helfer im Einsatz. Ohne die Arbeit dieser 350 Ehrenamtlichen wäre es nicht möglich gewesen, ein Zeltlager von dieser Größenordnung aufzuziehen.

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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