Gleichstellungsbeauftragte: Ein falsches Etikett
Anmerkungen von WOCHENBLATT-Redakteur Jörg Dammann
Es waren nur zwei kleine Sätze, mit denen ich ins feministische Fettnäpfchen getreten bin: In einem kurzen Artikel schrieb ich, dass die Samtgemeinde Harsefeld den "Posten des oder der Gleichstellungsbeauftragten" neu besetzen müsse und demnächst über die "Einstellung eines Bewerbers oder einer Bewerberin" entschieden werde. Das war ein journalistischer Fauxpas: Das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz lässt nämlich gar keine männlichen Bewerber für diesen Posten zu.
Ich habe einen Fehler gemacht, das gebe ich zu. Als ich den Artikel geschrieben habe, ging ich intuitiv davon aus, dass Gleichstellung keine ans Geschlecht gebundene Aufgabe sein muss. Doch die Festlegung auf eine weibliche Gleichstellungsbeauftragte ist in der Kommunalverfassung in Stein gemeißelt. Dafür werden sogar Bundesgesetze gedehnt, denn in diesem Punkt steht die Kommunalverfassung genau genommen im Widerspruch zum Anti-Diskriminierungsgesetz. Darin heißt es klipp und klar: "Ziel des Gesetzes ist es, Benachteiligungen aus Gründen ... des Geschlechts ... zu verhindern oder zu beseitigen."
Wenn wir schon beim Thema Geschlecht sind: Was ist mit denjenigen, die sich gar nicht auf die Kategorien Mann oder Frau festlegen lassen wollen? Stichwort: transsexuelle Identität. Wenn das große Getöse von der Gleichbehandlung ehrlich sein soll, dann gehört auch die Transgender-Debatte dazu. Wann kommt auch hierzulande die Erkenntnis, dass die Genitalien keine Kriterien dafür sein müssen, ob sich jemand als Mann oder Frau oder etwas Anderes fühlt.
Für Menschen, die sich geschlechtlich nicht festlegen lassen, ist folgender Satz in der niedersächsischen Kommunalverfassung pure Diskriminierung: "Die Gleichstellungsbeauftragte soll dazu beitragen, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu verwirklichen." Was ist dann mit denen, die weder Männlein noch Weiblein sein wollen?
Unsere Nachbarn sind bei diesem Thema viel weiter: In der vergangenen Woche hat der Hamburger Senat einen Aktionsplan beschlossen, um die Gleichstellung von "homo- und bisexuellen sowie von trans- und intergeschlechtlichen Menschen" zu fördern (siehe unten). Niemand dürfe wegen seiner geschlechtlichen Identität benachteiligt oder diskriminiert werden, so die zuständige Senatorin.
Ich denke, Hamburg sollte für Niedersachsen zum Vorbild werden. Zuvor müssen die hiesigen Politiker aber begreifen, dass sich hinter dem Etikett "Gleichstellungsbeauftragte" bisher lediglich der Inhalt "Frauenbeauftragte" verbirgt.
Jörg Dammann
Positionspapier gegen Diskriminierung
In dem Vorwort des Aktionspapiers des Hamburger Senats heißt es: "Die Belange und Interessen von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*- und inter*geschlechtlichen Menschen (LSBTI*) sind selbstverständlicher Teil einer modernen Gleichstellungspolitik."
Das Sternchen (*) dient als Platzhalter, um sämtliche Identitätsformen zu berücksichtigen und damit auch diejenigen Personen einzubeziehen, die sich einer geschlechtlichen Zuordnung entziehen.
In dem Papier wird darauf verwiesen, dass im Alltag meist nur die Kategorien „männlich“ oder „weiblich“ vorkommen und Trans*- und Inter*-Personen oft die Erfahrung machen, nicht existent zu sein.
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