Kaum Koordination bei der Aufstellung von Defibrillatoren

Nützliche Lebensretter: Die Anzahl der Defi­brillatoren im Kreisgebiet steigt | Foto: wikipedia
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mi. Landkreis. Bei dem medizinischen Notfall eines Herzstillstands kann der schnelle Zugang zu einem Defi­brillator den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Die automatischen, auch von Laien bedienbaren Lebensretter gibt es deswegen an immer mehr öffentlichen Standorten - auch im Landkreis Harburg. Koordiniert wird die Installation allerdings von niemandem. Auch eine offizielle Liste, die regelmäßig aktualisiert wird, gibt es nicht.
Möchte man die Versorgung des Landkreises mit öffentlich zugänglichen Defi­brillatoren beschreiben, trifft am ehesten der Begriff des Flickenteppichs zu. Ähnlich dem aus verschiedenen Stoffstücken zusammengenähten Bodenbelag, sind auch an der flächendeckenden Versorgung des öffentlichen Raums verschiedenste Akteure beteiligt. Das Angebot ist allerdings nicht immer gleich gut. Während es mancherorts gleich drei Geräte gibt, fehlen sie anderenorts komplett. Angeschafft werden Defibrillatoren laut Carolin Salfner, Pressesprecherin beim DRK-Kreisverband Harburg-Land, nicht nur von den großen Rettungsdiensten oder von staatlichen Einrichtungen, sondern auch von vielen privaten Akteuren, darunter Sportvereinen und Unternehmen. „Die Sparkasse Harburg-Buxtehude will zum Beispiel alle ihre Filialen mit Defibrillatoren ausstatten“, sagt Salfner .
Beim Deutschen Roten Kreuz begrüßt man, dass immer mehr Geräte installiert werden. „Der Nutzen ist unbestritten: Der Einsatz eines Defibrillators erhöht die Überlebenschance nach einem Herzstillstand deutlich“, erklärt die DRK-Pressesprecherin. Für den Einsatz der Lebensretter brauche es keinerlei Vorkenntnisse. „Die Defis funktionieren voll automatisch, die Handhabung ist selbsterklärend, auch die Stärke der lebensrettenden Stromstöße wird automatisch ermittelt.“ So werde auch die Gefahr, fälschlicherweise ein gesundes Herz zu behandeln, unterbunden, erklärt die Pressesprecherin.
Doch wo findet man im Notfall den nächsten Defibrillator? Ein einheitliches oder gar staatlich geführtes Verzeichnis gebe es nicht, erklärt Salfner. Die Pressesprecherin verweist allerdings auf diverse Smartphone-Apps, die den Anspruch hätten, deutschlandweit über die Standorte öffentlich zugänglicher Defibrillatoren zu informieren. Anspruch auf Vollständigkeit könnten die Betreiber aber nicht übernehmen. Laut Salfner handele es sich oft um private, Spenden finanzierte Initiativen. Eine davon ist das „AED-Kataster der Landesarbeitsgemeinschaft Herz und Kreislauf“ in Schleswig-Holstein. Ursprünglich auf Schleswig-Holstein begrenzt, bietet das Online-Kataster heute auch Informationen zu Defi-Standorten in den anderen 15 Bundesländern. Allerdings heißt es auf der Webseite: „Es besteht natürlich kein Anspruch auf Vollständigkeit...“
Auch im Landkreis Harburg gibt es nach Aussage von Pressesprecher Johannes Freudewald keine „offizielle Auflistung“ aller im Kreisgebiet installierten Defibrillatoren. Stattdessen arbeite man mit dem „Defikataster“ zusammen. Dessen Betreiber ist der gemeinnützige Verein „definetz e.V.“ mit Sitz in Hamm. Der Verein hat nach eigenen Angaben die umfangreichste Datenbank und ist unabhängig von den Anbietern der Geräte. 

Infoblock: Diese Apps helfen Leben zu retten
Um den Standort des nächsten Defibrillators zu finden, gibt es verschiedenste Apps für das Smartphone. Zum Beispiel die Anwendung „Hamburg schockt“ die App des Roten Kreuzes. Oder die des Defikatasters Wichtig: Im Ernstfall immer erst den Notruf absetzen und dann mit dem Smartphone den nächsten Defi­brillator suchen.

KOMMENTAR

So helfen die Geräte vor allem denen, die damit Geld verdienen

Es ist wie so oft, wenn es um die Gesundheit geht, entwickelt sich ein teilweise blinder Aktionismus. So auch bei den Defibrillatoren: Die Polizei, die Sparkassen, Supermarktketten, Sportvereine, Stadtverwaltungen, Schulen, Privatunternehmen - alle wollen mitmachen bei der großen Präventionsoffensive. Nichts ist schließlich so wichtig wie Gesundheit - und mit nichts lässt sich oft so einfach Geld verdienen... Ein Defi­brillator ist nicht billig. Neben Anschaffungskosten zwischen 1.600 und 3.000 Euro kommen Wartungs- und Reparaturverträge dazu. Schon längst haben sich Firmen auf diesen neuen Markt eingestellt. Offizielle Zahlen, wie oft die Geräte überhaupt zum Einsatz kommen, fehlen allerdings komplett. Nun mag man sagen:
Es ist doch egal, wie viel es kostet, wenn man damit nur ein Leben rettet. Doch rettet es wirklich mehr Leben, wenn es mancherorts ein Überangebot und woanders einen totalen Mangel gibt? Dass es in einem Freibad am Stadtrand einen Defi gibt, ist sinnvoll. Was aber, wenn es in der Innenstadt in einem Umkreis von wenigen Metern gleich drei Geräte gibt? Ist das noch sinnvoll investiertes Geld? Muss ein kleiner Verein die teuren Lebensretter anschaffen, wenn im Rathaus nebenan schon ein Defi vorhanden ist? Fazit: Die Aufstellung müsste besser koordiniert werden. Es gilt der Leitspruch der Medizin: „Viel hilft nicht immer viel“. Die einzigen, die von einem Überangebot profitieren, sind die Firmen, die sich auf den Verkauf der Geräte spezialisiert haben, denen ist es nämlich - wie jedem anderen Unternehmen auch - im Kern egal, ob ihre Ware gebraucht wird. Hauptsache sie wird gekauft. Wenn es die Leute mit einem guten Gewissen tun, umso besser.
Mitja Schrader

Redakteur:

Mitja Schrader

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