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Kontroverser Vortrag beim Holocaust-Gedenktag in Buchholz

Hielt einen Vortrag mit Höhen und Tiefen: Gerhard Klußmeier
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Foto: Helena GARCIA@AdobeStock.com

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mi. Buchholz. „Die NS-Diktatur mit all ihren schrecklichen Verbrechen ist nicht mal ebenso passiert. Man müsste eigentlich sagen: sie wurde passiert.“ Mit diesem Satz begann Gerhard Klußmeier seinen Vortrag zum Gedenken des Jahrestages der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz. Dieser „Holocaust-Gedenktag“ wurde 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog angeregt und ist ein gesetzlich verankerter Gedenktag, der allerdings von wenigen Kommunen aktiv gestaltet wird. Die Stadt Buchholz ist eine davon. Bereits zum 21. Mal wurde der Gedenktag in der Nordheide-Stadt begangen. Das Besondere: Jedes Jahr wird das Gedenken von einem anderen Verein, einer Institution oder Einzelperson organisiert. In diesem Jahr hielt der Journalist und Autor Gerhard Klußmeier einen Vortrag, in dem er die Instrumentalisierung von Kindern für Diktaturen, Terror und Militär kritisierte. Einige von Klußmeiers Ausführungen führte dabei beinahe zum Eklat.
Bürokratisch organisiert und systematisch durchgeführt haben viele unserer Väter, Großväter, Urgroßväter sechs Millionen Juden und zusammen genommen ebenso viele Kommunisten, Homosexuelle, Sinti und Roma und andere als „Volksschädlinge“ und „unwertes Leben“ stigmatisierte Menschen ermordet. Die Frage, wie dieser industrialisierte Massenmord möglich war, kann wohl nie zur Gänze beantwortet werden. Beim diesjährigen Holocaust-Gedenktag in Buchholz versuchte der Autor Gerhard Klußmeier eine Antwort zu finden, indem er fragte, wie man Menschen hervorbringt, die zu so einem Morden fähig sind. Seine Antwort: Diktaturen wie die Nazi-Herrschaft setzen schon bei den Kindern an. Klußmeier: „Schon Kinder müssen in Diktaturen, ohne dass sie wissen, wofür sie eingespannt sind, konsequent auf eine beabsichtigte Ideologie hingeführt, hinverführt werden, nur so bekommt man folgsame Untertanen, die im Sinne des Despoten funktionieren.“ Dieses Vorgehen, so der Autor, sei auch nicht von den Nazis erfunden worden, ganz ähnlich habe das Kaiserreich zum Beispiel die damalige Jugend für den Militarismus begeistert, der für ganze Schulklassen in den Schützengräben geendet habe. Auch in der DDR, so Klußmeier, habe man mit den jungen Pionieren versucht, Kinder für das System zu vereinnahmen. Dazu Klußmeier: „Nein, die DDR hat keinen Krieg begonnen, keinen Krieg geführt. Doch auch dort gab es an der Mauer befohlene tödliche Schüsse.“
Die Mechanismen dieser Indoktrination gebe es auch heute noch. Hier schlug Klußmeier einen Bogen vom Antisemitismus der Nazis zur aktuellen Bedrohung durch gedrillte, fanatische Gotteskrieger des radikalen Islamismus. Gerade der islamische Antisemitismus dürfe nicht immer mit dem „Scheinargument Islam-Feindlichkeit“ ausgeblendet werden. Vom Antisemitismus des Islam landete Klußmeier alsbald bei der allgemeinen „Islamkritik“, die werde in vielfältiger Weise tabuisiert. Dennoch gelte es, Antisemitismus dort anzuprangern, wo er stattfindet. Klußmeier: „Es ist unser aller Verantwortung, dies laut, deutlich und selbstbewusst auszusprechen - nach rechts außen in Richtung AfD genauso wie nach links und - jedes Zögern ist verhängnisvoll - auch und zwar ohne Scheuklappen besonders in Richtung der Muslime in diesem Land.“ Denn deren Antisemitismus werde im Gegensatz zu dem der Rechten oft nicht verfolgt, sondern als - Zitat: „orientalische Folklore“ - abgetan. Um seine These vom salonfähigen Antisemitismus islamischer Prägung zu belegen, zeigte Klußmeier Plakate aus der Nazizeit mit der Aufschrift „Kauft nicht bei Juden“ im Vergleich zu heutigen Boykott-Aufrufen gegen Israel. Klußmeier schloss mit einem Aufruf an die Politik, zu handeln und jeden Antisemitismus - auch den der Muslime - zu verfolgen.
Die im Anschluss stattfindende Diskussion spiegelte die vielen Kontroversen des Vortrags nur bedingt wieder. Zwar machten einige Bürger Klußmeier darauf aufmerksam, dass er Gefahr laufe - im Sinne einer verkürzten Totalitarismus-Theorie - die Nazi-Verbrechen mit anderem Unrecht z. B. in der DDR gleichzusetzen. Den ausgesprochenen Generalverdacht gegen „die Muslime in Deutschland“, die fast durch die Bank weg antisemitisch seien, störte allerdings keinen der Anwesenden.
Dennoch kam es einmal fast zum Eklat: Klußmeier, der sein Unverständnis für Antisemitismus erklären wollte, der seiner Ansicht nach keine Anknüpfungspunkte an äußeren, körperlichen Merkmalen habe, verstieg sich zu einem unglücklichen Satz. Er sagte: „Antisemitismus kann ich nicht verstehen. Juden sehen doch so aus wie jeder andere, dass man vor Schwarzen Angst hat – nicht, dass man es müsste - oder Chinesen mit ihren Schlitzaugen unheimlich findet, das kann ja sein, aber vor Juden...“ Hier reichte es Ratsherr Frank Piewecki (SPD), der Klußmeier deutlich darauf hinwies, dass in einer demokratischen Gesellschaft jegliche Herabsetzung aufgrund von Hautfarbe, Aussehen, Religion, Geschlecht oder Herkunft zu unterlassen sei. Der Redner fühlte sich missverstanden und sagte, er wollte niemanden diskriminieren, entschuldigte sich aber. Doch auch als sich die Wogen wieder geglättet hatten war Piewecki wohl nicht der einzige, der nach der Gedenk-Veranstaltung mit gemischten Gefühlen nach Hause ging.

Redakteur:

Mitja Schrader

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