Immer weniger Gewicht? Naturschutzverbände beklagen mangelnde Beteiligung beim Thema Windkraft

Der geplante Windpark umfasste die Windvorrangflächen östlich bzw. südöstlich 
der Orte Pattensen und Wulfsen (drei rote Blitzsymbole) | Foto: Landkreis Harbrug
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    der Orte Pattensen und Wulfsen (drei rote Blitzsymbole)
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mi. Landkreis. Werden Umweltverbände wie der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) im Landkreis Harburg bei Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen systematisch entmachtet, um die Interessen der Investoren zu protegieren? Verschiedene Naturschutzverbände werfen der Kreisverwaltung vor, man stelle dort Investoreninteressen unverhältnismäßig über Naturschutzbelange. Gegen diese Praxis haben die Verbände jetzt Beschwerde beim Niedersächsischen Umweltministerium eingereicht.
Erst kürzlich warf das WOCHENBLATT die Frage auf, ob in der Kreisverwaltung unter der Ägide der neuen Kreisrätin Monika Scherf zunehmend ein Klima herrscht, das Bauherreninteressen über Umwelt und Naturschutz stellt.
„Diesen Eindruck können die Naturschutzverbände im Landkreis Harburg nur bestätigen“, teilte als Reaktion jetzt Holger Mayer, Vorsitzender des BUND Regionalverband Elbe-Heide, in einem Schreiben an die Redaktion mit. Er spreche dabei nicht alleine, sondern auch andere Verbände, wie der Naturschutzbund (NABU) oder die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, teilten die Ansicht des BUND. Die Verbände erheben demnach schwere Vorwürfe gegen die Kreisverwaltung. „Zunehmend werden die Naturschutzverbände seitens des Landkreises ihrer Beteiligungsrechte beraubt, bzw. Entscheidungen zugunsten von Unternehmen getroffen, die das Naturschutzrecht bis an die Grenze der Belastbarkeit dehnen“, fasst Holger Mayer die Kritik zusammen.
Konkret kritisieren BUND, NABU & Co., dass der Kreis, damit die Investoren noch in den Genuss der derzeit hohen Fördergelder kommen, eine „Blitzgenehmigung“ für elf Windräder in Pattensen (Winsen) erteilte.

Blitzgenehmigung und keine Umweltverträglichkeitsprüfung

Im Fall von elf Windenergieanlagen, die im Raum Winsen-Pattensen aufgestellt werden sollen, drückt der Landkreis Harburg extrem aufs Tempo. Umweltverbände kritisieren dieses Vorgehen scharf. Sie werfen der Unteren Naturschutzbehörde vor, in unverhältnismäßiger Weise die Interessen der Investoren zu berücksichtigen. Das sei ein Zeichen dafür, wie man beim Landkreis versuche, beim Thema Windkraft die Mitspracherechte von Umweltverbänden zu beschneiden.
Hintergrund: Im Zuge des Regionalen Raumordnungsprogramms wurden Flächen südwestlich bzw. westlich der Ortschaften Pattensen und Wulfsen als Vorranggebiet für Windenergieerzeugung ausgewiesen. Dort will die Firma Windpark Winsen (Luhe) GmbH - ein Konsortium aus den Stadtwerken Winsen und „Hamburg Energie“, einer hundertprozentigen Tochter von „Hamburg Wasser“ - elf Windräder mit einer Nabenhöhe von 134 Metern betreiben. Um die maximale Rendite durch die staatlich garantierten Einspeisevergütungen einzufahren, spielt für die Investoren Zeit eine wichtige Rolle. Denn die Einspeisevergütungen sinken - das ist vom Gesetzgeber so festgelegt - kontinuierlich. Im Fall Pattensen hat der Landkreis deshalb - so ist es sogar in der Genehmigung nachzulesen - das Verfahren extrem beschleunigt, indem man die sofortige Vollziehung angeordnet hat und außerdem von einer aufwendigen Umweltverträglichkeitsprüfung absieht. Das bedeutet, die Investoren dürfen, auch wenn gegen die Genehmigung Widerspruch eingelegt wird, mit dem Bau beginnen. Ein kleines Geschenk aus dem Kreishaus, denn normalerweise hätte ein Widerspruch aufschiebende Wirkung.
Bei den Naturschutzverbänden wird dieses „Entgegenkommen“ scharf kritisiert. Der Vorwurf: Der Landkreis verzichtet zugunsten von „Hamburg Wasser“ auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit Beteiligung der Öffentlichkeit. Dazu erklärte Holger Mayer, Sprecher des Arbeitskreises Naturschutz, dem neben dem „Bund für Umwelt und Naturschutz“ (BUND) auch der „Naturschutzbund“ (NABU), die „Schutzgemeinschaft Deutscher Wald“ (SDW) sowie weitere regionale Verbände angehören: Als besonders dreist empfinde man, dass die Kreisverwaltung, wann immer im Planungsverfahren Naturschutzfragen eine Rolle spielten, auf die Umweltverträglichkeitsprüfung im Genehmigungsverfahren hingewiesen habe, nur um dann plötzlich zu entscheiden, dass diese nicht notwendig sei. Ohne die Prüfung bestehe für die Verbände keine Möglichkeit zur Beteiligung. Seine Vermutung: Die Verbände sollen ausgebootet werden, damit sie das Verfahren nicht durch berechtigte Fragen zu Natur- und Artenschutz verzögern können.

Landkreis widerspricht Vorwurf der Investorenfreundlichkeit

Der Landkreis Harburg widerspricht diesen Vorwürfen. Laut Kreissprecher Johannes Freudewald habe es im Genehmigungsverfahren keine Hinweise auf die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung gegeben. Anderseits hätte eine Prüfung auch noch nicht im Planungsverfahren stattfinden können, da erst im Genehmigungsverfahren der genaue Standort der Anlagen festgelegt werde. Eine solche Prüfung sei ohnehin erst bei Windparks mit mehr als 20 Anlagen vorgeschrieben. Der Kreissprecher bestätigte, dass mit der sofortigen Vollziehung einem Antrag der Investoren entsprochen wurde. Freudewald: „Es lagen keine Gründe vor, die gegen eine sofortige Vollziehung sprachen, gleichzeitig wurden von den Investoren aber gewichtige wirtschaftliche Gründe angeführt.“ Neben wirtschaftlichen Gründen falle bei der Abwägung auch das öffentliche Interesse an der Energiewende ins Gewicht, welches die Kreispolitik mehrfach zum Ausdruck gebracht habe.

Verbände wenden insistieren beim Ministerium

Für BUND und NABU eine nicht nachvollziehbare Argumentation. Die Verbände haben sich deswegen laut Holger Mayer mit einer Beschwerde an das zuständige Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft gewandt. Dort wolle man die Kritikpunkte bei der Überprüfung der Genehmigung berücksichtigen.

Der geplante Windpark umfasste die Windvorrangflächen östlich bzw. südöstlich 
der Orte Pattensen und Wulfsen (drei rote Blitzsymbole) | Foto: Landkreis Harbrug
Holger Mayer, Vorsitzender des Arbeitskreises 
Naturschutz | Foto: archiv
Redakteur:

Mitja Schrader

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