Kitastreit: Stadt Buchholz verweigert Ermäßigung

Ärgert sich über die Stadt Buchholz: Jessika Rudi mit ihren vier Kindern Amelie, Tom, Marlon und Hanna-Sophie
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mi. Buchholz. Hat die Stadt Buchholz jahrelang gegen ihre eigene Kindergartengebührensatzung verstoßen und Eltern Ermäßigungen versagt, die ihnen laut Satzung zugestanden hätten? Das behauptet Sascha Rudi. Der juristisch versierte Familienvater hat die Stadt dabei offenbar so unter Zugzwang gesetzt, dass sie die kritische Passage jetzt in einer „Nacht- und Nebelaktion“ änderte. Ab August fehlt sie im Regelwerk.
Hintergrund: Jahrelang stand in der Satzung ein Passus, der Eltern, die gleichzeitig mehrere Kinder in Tageseinrichtungen der Stadt Buchholz betreuen lassen, eine 30-prozentige Ermäßigung zusprach. Die Stadt allerdings legte den Paragraphen so aus, dass sie nur Ermäßigungen gewährte, wenn beide Kinder in einem Kindergarten bzw. einer Krippe betreut wurden. Besuchte ein Kind einen Kindergarten und das andere eine nachschulische Betreuung, verweigerte man den Eltern den Nachlass bei den Gebühren.
„Das ist Betrug am Bürger. Die Stadt hat hier jahrelang gegen ihre eigenen Regeln verstoßen“, kritisiert Sascha Rudi. Schließlich spreche der alte Paragraph ausdrücklich von Tageseinrichtungen. Besonders perfide sei, dass die Stadt Buchholz, als der Streit zu eskalieren drohte, jetzt eine ohnehin fällige Satzungsänderung dazu genutzt habe, um den strittigen Paragraphen in ihrem Sinne anpassen zu lassen. Das Wort „Tageseinrichtung“ wurde gestrichen und durch „Kindertagesstätten“ und „Spielkreise“ ersetzt. Weil dem Rat offenbar die Tragweite dieser kleinen Änderung nicht klar war, nickte er einfach ab. Gerade für Familien mit mehreren Kinder ist das fatal: Sie werden jetzt bei den ohnehin schon horrend hohen Gebühren in Buchholz noch mehr zur Kasse gebeten. Für Familie Rudi bedeutet das: Sie zahlt im kommenden Jahr fast 1.000 Euro pro Monat für die Betreuung ihrer vier Kinder.

"Warum nennt sich Buchholz Familienstadt?"

Die Stadt Buchholz spielt bei den Gebühren für Kindertagesstätten ganz oben mit. Für einen Ganztagsplatz fallen monatlich bis zu 337 Euro, im Krippenbereich sogar 505 Euro an. Hinzu kommen Essensgeld und jetzt ganz neu eine Getränkepauschale. Für Familien mit mehreren Kindern gibt es zwar Ermäßigungen, allerdings ist man in Buchholz gerade dabei, mit einer Satzungsänderung bisher mögliche Ermäßigungen für Familien, die gleichzeitig Kinder in nachschulischer- und Kita-Betreuung haben, zu streichen. Was das für Familien mit vielen Kinder bedeutet, zeigt der Fall von Familie Rudi. Jessika und Sascha Rudi müssen dann für die Betreuung ihrer vier Kinder trotz Ermäßigung fast 1.000 Euro im Monat bezahlen.
„Was hier vor sich geht, betrifft nicht nur uns, sondern alle Familien, die ein Kind in der Kita und eines in schulischer Betreuung haben“, sagt Sascha Rudi. Kommt die Stadt Buchholz mit ihrer Änderung der Satzung durch, mache das pro Kind bis zu 100 Euro im Monat aus. Ihm gehe es dabei nicht um die Höhe der Gebühren an sich, sondern darum, dass sich die Stadt an ihre eigene Satzung halten soll und sie nicht einfach ändern darf, wenn jemand versuche, die dort festgeschriebenen Ermäßigungen einzufordern.
Die Vorgeschichte: Sascha und Jessika Rudi haben vier Kinder im Alter von sechs, fünf, fast drei und ein Jahr. Beide Eltern arbeiten, die Kinder besuchen die nachschulische Betreuung, den Kindergarten bzw. die Krippe. Die Eltern zahlen entsprechend ihres Einkommens den Höchstsatz bei den Beiträgen. Richtig teuer wird das für die Rudis Mitte 2018, wenn zwei Kinder in nachschulischer Betreuung sind. Dann muss die Familie - greift die Satzungsänderung - rund 1.000 Euro zahlen. Denn dann fehlt in der Satzung ein Passus, der nach Auffassung von Sascha Rudi eindeutig regelte, dass bei den Ermäßigungstatbeständen der Stadt kein Unterschied zwischen nachschulischer Betreuung und Betreuung in der Kita zu machen ist. Für die Familie bedeutete das, dass sie rund 600 Euro weniger zahlen müsste. Gebühren in voller Höhe wären nur für die älteste Tochter fällig, für ihre zweite Tochter hätten sie nur 30 Prozent zahlen müssen, und die anderen Kinder wären gänzlich befreit. Doch hier stellte sich die Stadtverwaltung quer. Die Ermäßigung gelte nur für Kinder in Kitas. Ein Gespräch mit Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse (CDU) verlief ergebnislos. „Der Bürgermeister hat uns mitgeteilt, dass unsere Forderung, selbst wenn sie die Satzung hergeben würde, was er nicht so sehe, unverhältnismäßig, weil für die Stadt zu teuer sei“, so Sascha Rudi. Aber stimmt das so? Das
WOCHENBLATT hat in Seevetal, einer von der Einwohnerzahl vergleichbaren Kommune, nachgefragt. Dort müsste die Familie nur 536 Euro zahlen. Wenn die Kinder in eine der vier Ganztagsgrundschulen gehen würden, würde sich der Betrag noch um 160 Euro reduzieren. Der Grund: Seevetal hat eine Ermäßigungssatzung für kinderreiche Familien und kostenlose Ganztagsgrundschulen. Beides fehlt in Buchholz.
Doch anstatt den Fall der Rudis zum Anlass zu nehmen, die eigene Gebührenstruktur zu überdenken, ändert man in Buchholz einfach die Satzung. Mit der Änderung entzieht die Verwaltung nun Familie Rudi sowie allen anderen Betroffenen die Rechtsgrundlage für ihr Anliegen. Die neue Satzung soll ab August greifen. Die Rudis fühlen sich von der Stadt allein gelassen und ausgebootet. „In der Satzung steht auch, dass die Stadt der Anzahl der Kinder Rechnung trägt, das passiert aber kaum noch“, so Sascha Rudi. Ihm bleibt nur eine Frage: Warum nennt sich diese Stadt Familienstadt? Familie Rudi will sich aber nicht so einfach geschlagen geben.
• Sascha Rudi sucht jetzt Eltern, denen es ähnlich geht. Kontakt unter satzungkita@gmail.com. Auch das WOCHENBLATT interessiert: Wie geht es anderen Eltern? Haben Sie auch Probleme mit hohen Kita-Gebühren? Dann schreiben Sie eine E-Mail an mi@kreiszeitung.net.

Das sagt die Stadt

Das WOCHENBLATT hat die Stadt Buchholz am vergangenen Dienstagabend mit dem Fall konfrontiert und damit offenbar für viel Wirbel gesorgt. Sowohl Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse als auch Dezernent Dirk Hirsch kümmerten sich um den Fall. Kurz vor Redaktionsschluss ging diese Stellungnahme ein:
Die Satzung (voller Name: Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Betreuung in Tageseinrichtungen für Kinder in der Stadt Buchholz - Kindergartengebührensatzung) stamme demnach aus dem Jahr 1996. Also aus einer Zeit, in der es noch keine nachschulische Betreuung in Buchholz gab. Sie sei, wie der Begriff „Kindergartengebührensatzung“ schon sage, ausschließlich darauf bezogen.
Um das deutlicher zu machen, habe der Rat im Mai dieses Jahres die Satzung entsprechend redaktionell angepasst. Die Begründung dafür: das gebührenfreie Kindergartenjahr. Denn in der alten Satzung war der Tatbestand (beitragsfreies Jahr, die Redaktion) so geregelt, dass die Ermäßigung geringer ausgefallen wäre. Im Zuge dieser Änderung habe man die Gelegenheit ergriffen, klarzustellen, dass die Ermäßigung nur Kitas und Spielkreise betrifft. Dazu habe auch das Anliegen der Familie Rudi beigetragen: Deren Interpretation habe gezeigt, dass man die alte Satzung komplett falsch verstehen könne. Einen Anspruch wie ihn Familie Rudi geltend machen will, habe es nie geben. Das zeige sich nicht zuletzt darin, dass es auch in der nachschulischen Betreuung eine Geschwisterermäßgung gebe. Weiter weist die Stadt darauf hin, dass sie im Jahr zehn Millionen Euro in die Kinderbetreuung investiere. Außerdem könne Familie Rudi ihre Betreuungskosten von der Steuer absetzen und so den Aufwand reduzieren.

Ärgert sich über die Stadt Buchholz: Jessika Rudi mit ihren vier Kindern Amelie, Tom, Marlon und Hanna-Sophie
Sascha Rudi konfrontierte den Buchholzer Stadtrat mit seiner Kritik | Foto: os
Redakteur:

Mitja Schrader

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