Regelungswut in Agathenburg

Georg Wichels zeigt am Beispiel einer alten Hofstelle, wie hoch die Hecken früher überall in der Agathenburger Dorfmitte waren. Jetzt sollte die Höhe im B-Plan auf 1,20 Meter begrenzt werden
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jd. Agathenburg. Selbst die Heckenhöhe wird begrenzt: Der zukünftige Bebauungsplan für den Dorfkern verärgert viele Anwohner. Muss es wirklich Aufgabe einer Gemeinde sein, bis in alle Einzelheiten festzulegen, wie die Häuser und Gärten im Ort gestaltet werden müssen? Diese Frage stellen sich derzeit zahlreiche Bürger aus Agathenburg. Sie wohnen im Ortskern und fühlen sich von der Ratsmehrheit und der Verwaltung gegängelt. Für die Dorfmitte ist erstmals ein Bebauungsplan auf den Weg gebracht worden. Und dieser B-Plan hat es in sich. Er schreibt unter anderem eine rötliche Farbe der Dachpfannen, die Höhe der Hecken und die Optik der Fugen im Mauerwerk vor. Die Kommentare der Bürger reichen von "überzogene Regelungswut" über "totale Schnapsidee" bis hin zu "amtlicher Schwachsinn".

In den meisten Dörfern im Landkreis ist der Ortskern "natürlich" gewachsen und nicht per Satzung überplant. Das hat in der Vergangenheit sicher zu manchem Wildwuchs bei den Bauweisen geführt. Daher ist es nachvollziehbar, wenn Kommunen lenkend eingreifen wollen, um das historische Ortsbild weitgehend zu erhalten. Doch der Fall Agathenburg zeigt, dass hinsichtlich der planungsrechtlichen Vorgaben mit Augenmaß vorgegangen werden muss. Wer wie dort bis ins kleinste Detail geht und selbst die Gestaltung der Fenstersprossen und die Lage des Wintergartens vorschreiben will, darf sich nicht wundern, wenn "Wutbürger" den Politikern aufs Dach steigen.

Die Idee an sich ist nicht verkehrt: Das Dörfchen Agathenburg, das derzeit mit Geldern aus dem Dorferneuerungs-Programm fit für die Zukunft gemacht wird, soll - zumindest im Kernbereich - nicht mit Bauten verschandelt werden, die nicht ins Ortsbild passen. Zu diesem Zweck erhält die Dorfmitte jetzt erstmals einen Bebauungsplan. Doch bei diesem Plan hat die in Agathenburg "regierende" Wählergemeinschaft offenbar nicht die Bürger mit ins Boot geholt. Viele Anwohner sind auf Zinne, weil sie sich in ihren Rechten eingeschränkt fühlen.

"Es gibt gar keinen Grund, dem alten Dorfkern ein solch rigoroses Regelwerk überzustülpen", sagt Georg Wichels. Der Offizier im Ruhestand gehört zu den Betroffenen. Gemeinsam mit seiner Frau bewohnt er ein Haus im Geltungsbereich des B-Plans. Er hat sich eingehend mit darin enthaltenen Vorgaben beschäftigt und kann nur den Kopf schütteln angesichts dieses nach seiner Ansicht "bürokratischen Machwerks".

Wichels moniert, dass die Gemeinde im neuen B-Plan viel zu viele Details regeln will: So soll unter anderem vorgeschrieben werden, dass der Hausgrundriss rechtwinklig zur vorderen Grundstücksgrenze angelegt wird, dass Fenster ab einer bestimmten Größe zu unterteilen sind (dabei aber auf keinen Fall mit innenliegenden Sprossen), dass die Hecken nicht höher als 1,20 Meter sein dürfen (nach Protesten immerhin geändert auf 1,80 Meter), dass Rollläden nur zulässig sind, wenn sie nicht außen am Mauerwerk angebracht werden und dass die Dachneigung auf beiden Seiten gleich sein muss.

Der Vogel wird nach Ansicht von Wichels und anderen Kritikern aus dem Dorf aber mit den Vorschriften zur Farbgestaltung der Fassaden und Dächer abgeschossen: Laut B-Plan sind im sogenannten Kernbereich des Dorfes nur Farbtöne zulässig, die von Rotorange über Blutorange bis Tomatenrot (beim Mauerwerk) bzw. Lehm- und Kupferbraun (bei den Dachziegeln) reichen. Das solle der "weitgehenden Wahrung der harmonischen Dachlandschaft dienen", heißt es im B-Plan.

Vor allem diese Bestimmung hat dazu geführt, dass die Harmonie im Dorf weitgehend abhanden gekommen ist: "Wer sich Agathenburg auf Google Maps anschaut, wird feststellen, dass im Dorf die Dachfarben Grau bzw. Anthrazit dominieren", sagt Wichels. Dieser Farbton passe auch gut zu den vorhandenen Reetdächern. Er hält die per Bauvorschrift erlassene Farb-Regelung daher für völlig absurd.

Im Horneburger Rathaus hingegen versteht man die Aufregung der Bürger nicht: "Wir haben bei dem neuen B-Plan schon jetzt mehr Bürgerbeteiligung ermöglicht als vom Gesetz gefordert", sagt Bauamtsleiter Roger Courtault. Nach seiner Meinung habe man die Agathenburger frühzeitig "mitgenommen" und sogar Stellungnahmen berücksichtigt, die nach Fristablauf eingegangen seien. "Eigentlich kann sich niemand beklagen", so Courtault.

• Bevor die Gemeinde den neuen B-Plan Nr. 15 öffentlich auslegt, wird er den Bürgern noch einmal vorgestellt: Vor der Ratssitzung am Mittwoch, 20. Mai, findet um 19 Uhr eine Infostunde in der Mehrzweckhalle statt.

Georg Wichels zeigt am Beispiel einer alten Hofstelle, wie hoch die Hecken früher überall in der Agathenburger Dorfmitte waren. Jetzt sollte die Höhe im B-Plan auf 1,20 Meter begrenzt werden
Für diesen Bereich in Agathenburg soll der B-Plan gültig sein
Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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