Dann eben mit dem Kopf durch die Wand

Jesteburgs Blick auf den Landkreis: Wer in der „Mitte“ wohnt, hat es zu einer weiterführenden Schule weit | Foto: Oberschule Jesteburg
  • Jesteburgs Blick auf den Landkreis: Wer in der „Mitte“ wohnt, hat es zu einer weiterführenden Schule weit
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Jesteburg kämpft weiterhin um die Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe / Jetzt soll ein Modellversuch die Lösung bringen.

mum. Jesteburg. Fehlende Hartnäckigkeit kann man den Jesteburgern wahrlich nicht in Bezug auf ihre Oberschule vorwerfen. Die Frage ist nur, ist aus dieser positiven Eigenschaft mittlerweile ein irrationaler Fanatismus geworden? Seitdem sich die Oberschule mit gymnasialem Zweig um die Einrichtung einer Oberstufe bemüht, hagelt es kontinuierlich und zudem deutliche Absagen - von der Landesschulbehörde in Lüneburg und sogar vom Kultusministerium in Hannover. Jetzt greift die Oberschule zum vielleicht letzten Mittel: Am Dienstag, 28. November, beschäftigt sich der Schulausschuss des Landkreises mit einem Antrag der Oberschule. Demnach sehen sich die Jesteburger „als innovativen Schulstandort im Landkreis Harburg, an dem neue pädagogische und organisatorische Konzeptionen“ umgesetzt werden. Der Ausschuss tagt öffentlich ab 15 Uhr im Raum B-013 (Sitzungssaal) der Kreisverwaltung in Winsen.
Der Weg über die Politik ist die letzte Hoffnung der Jesteburger. Anfang des Jahres hatten sich der Elternrat der Oberschule und Jesteburger Politiker von CDU, SPD und Grünen in einem Brief direkt an die damalige Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) gewandt und um die Einrichtung einer Oberstufe gebeten. Das kam beim Landkreis und der Kreispolitik, die sich übergangen fühlten, nicht gut an. Zumal das Schreiben viele Unwahrheiten beinhaltete (das WOCHENBLATT berichtete).
Schulexperten sind sich einig, dass es für einen Modellversuch keine Grundlage gibt. „Der Gesetzgeber hat für Oberschulen ausdrücklich keine gymnasialen Oberstufen vorgesehen, indem er bestimmt hat, dass in der Oberschule (nur) Schüler des 5. bis 10. Jahrgangs unterrichtet werden“, teilte Christopher Winkler von der niedersächsischen Schulbehörde bereits im Sommer mit, als die Schulversuch-Idee erstmals öffentlich wurde. Dies gelte auch für Oberschulen mit gymnasialem Angebot. „Auch ein Antrag auf Einführung der Oberstufe im Rahmen eines Schulversuchs hätte keine Aussicht auf Erfolg, da ein Interesse des Landes an einem derartigen Versuch nicht besteht.“ Das dürfte sich übrigens auch nach der Landtagswahl nicht geändert haben. Im WOCHENBLATT-Interview hatte CDU Landesvorsitzender und Vize-Ministerpräsident Bernd Althusmann betont, im Bereich Schule keine Experimente mehr zulassen zu wollen.
Doch das alles lässt das Jesteburger Projekt-Team um Schulleiterin Iris Strunk nicht gelten. In der neuesten Präsentation scheut sich die Schule nicht, zu behaupten, „in der Mitte des Landkreises liegt quasi ein weißer Fleck, was das Abitur machen betrifft“. Demnach würde es zwar neun Gymnasien im Landkreis Harburg geben - sieben in der Nordhälfte (zwei in Buchholz, zwei in Winsen und jeweils eines in Hittfeld, Meckelfeld sowie Neu Wulmstorf) sowie zwei im Süden (Tostedt und Salzhausen).
Tatsächlich stammen nicht einmal die Hälfte der Schüler der Oberschule aus Jesteburg. Zum Schuljahr 2016/17 waren es 46,7 Prozent. Fast 30 Prozent stammen aus der Samtgemeinde Hanstedt. Es folgen Seevetal (13,9 Prozent), Buchholz (6,4 Prozent), Rosengarten (2,0 Prozent), Samtgemeinde Tostedt (1,6 Prozent), Samtgemeinde Salzhausen (0,4 Prozent) und Stelle (0,2 Prozent). Für den überwiegenden Anteil der Schüler gibt es also weiterführende Schulen - auch in Wohnortnähe.
Ein Blick auf die Anmeldezahlen für das Schuljahr 2017/18 ist interessant: Erstmals seit der Gründung der Schule 2012 wurden nur 76 Jungen und Mädchen angemeldet. Damit wäre Jesteburg erstmals nur dreizügig. Doch da unter den angemeldeten Kindern auch sechs Schüler mit Förderbedarf sind und diese doppelt gezählt werden, springt Jesteburg über die Hürde von mindestens 84 Kindern, die für die Bildung von vier Klassen notwendig sind. Aktuell sind es es 91 Schüler (wie viele davon doppelt zählen, konnte der Landkreis nicht sagen).
Diese Zahlen machen deutlich, dass Jesteburg zumindest mittelfristig über gar nicht genügend Schüler für eine eigene Oberstufe verfügt. Das bestätigte Fachbereichsleiter Friedrich Goldschmidt: „Realistisch sind für Jesteburg etwa 30 bis 35 Schüler pro Jahrgang.“ Das reiche nicht einmal für eine Außenstelle eines Gymnasiums (54 Schüler) aus. Goldschmidt betonte, dass allein an den beiden Buchholzer Gymnasien jeweils 15 bis 20 Schüler aufgenommenen werden können. 
Wie das WOCHENBLATT erfuhr, werden am Dienstag nicht nur Befürworter des Jesteburger Antrags nach Winsen kommen. Auch Eltern und Schüler aus Hanstedt, Rosengarten und Seevetal kämpfen gegen eine mögliche Sonderregelung. Sie sehen ihre Schulstandorte gefährdet, wenn Jesteburg eine Sonderrolle beim Abitur zugesprochen wird.

„Wir möchten uns weiterentwickeln“

„Wir möchten uns weiterentwickeln“, begründet Schulleiterin Iris Strunk den Antrag. „Unser Ziel ist, jeden Schüler zu ihrem und zu seinem bestmöglichen Abschluss vor Ort zu führen.“ Außer dem Wunsch, ihr pädagogisches Konzept umzusetzen, „bieten wir dem Schulträger eine Lösung für die vielen Oberstufenschüler im Raum Buchholz und Umgebung an - wozu auch Jesteburg und Hanstedt zählen“. Insgesamt gebe es ein deutliches Bevölkerungswachstum in dieser Region, dank neu ausgewiesener Baugebiete. „Hier sind insbesondere junge Familien mit schulpflichtigen Kindern neu zugezogen. Hier bieten wir mit unserem Schulversuch eine Entlastung der umliegenden Gymnasien an“, so Strunk.

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Redakteur:

Sascha Mummenhoff aus Jesteburg

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