Täter, die Polizeibeamte attackieren
Polizei: Unsere Waffe bleibt das Wort

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(ts). Im Mai hatte ein Angriff auf Polizisten während des Stadtfestes in Winsen landesweit für Aufsehen gesorgt. Dabei hatte ein 24 Jahre alter Mann eine echt wirkende Spielzeugpistole auf eine Polizistin gerichtet und gerufen: "Ich knalle dich ab!" Anschließend versuchten bis zu 20 zunächst Schaulustige die Polizisten daran zu hindern, die Personalien des 24-Jährigen festzustellen. Es kam zu Rangeleien, bei denen eine Polizistin am Fuß verletzt wurde.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) forderte nach diesem Angriff und anderen Attacken auf Beamte und Rettungskräfte am Himmelfahrtstag die Gerichte auf, die Täter angemessen zu bestrafen.
Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik ist im vergangenen Jahr in Niedersachsen die Anzahl der Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamte im Vergleich zum Vorjahr um 122 Fälle auf 3.179 gestiegen. Annähernd 42 Prozent davon waren Körperverletzungen.
Statistisch gesehen werden in Niedersachsen jeden Tag neun Polizisten angegriffen. Wie werden Polizeibeamte in Zukunft dem Bürger begegnen? Werden sich Beamte aggressiven Menschen schneller als bisher mit gezogener Dienstwaffe nähern?
Kriminaloberrat Wilfried Haensch sieht keine "amerikanischen Verhältnisse" einkehren. "Unsere Waffe ist und bleibt das Wort", sagt der erfahrene, 58 Jahre Polizeibeamte. Kein Polizist ziehe gerne die Dienstwaffe. Wilfried Haensch leitet das Polizeikommissariat in Winsen und hat die Attacken während des Stadtfestes miterlebt.
Gleichwohl würden Polizeibeamte bei unterschiedlichen Trainings physisch und psychisch auf körperliche Attacken vorbereitet, fügt Haensch hinzu. Polizisten lernen dabei die nötigen Handgriffe, um Angriffe abzuwehren. "Wir werden weiterhin konsequent handeln und Angreifern die Stirn bieten", sagt der Kriminaloberrat.

Wer sind die Menschen, die Polizisten angreifen? Und was sind die Gründe, dass offenbar zunehmend die Hemmungen fallen?

Statistisch gesehen werden an jedem Tag in Niedersachsen neun Polizeibeamte angegriffen. Wer sind die Menschen, bei denen offenbar jede Hemmung fällt und der Respekt vor staatlicher Autorität verloren gegangen ist? Das Profil der 15 bis 20 Angreifer, die im Mai beim Stadtfest in Winsen eine Massenrangelei mit Polizisten ausgelöst hatten, beschreibt Kriminaloberrat Wilfried Haensch aus Winsen als das "typische Risikoklientel": überwiegend männlich, 18 bis 25 Jahre alt, nicht berufstätig, Angehörige der örtlichen Trinkerszene. Menschen also, die sich von der übrigen Gesellschaft abgehängt fühlen.
Wenn Männer unter sich bleiben, birgt das offenbar die Gefahr einer gesteigerten Gewaltbereitschaft. Bei den Angriffen auf Polizisten während des Winsener Stadtfestes jedenfalls seien Frauen nicht aggressiv in Erscheinung getreten, sagt Wilfried Haensch. Im Gegenteil: Frauen hätten versucht, beschwichtigend einzugreifen.
Im Landkreis Harburg zumindest habe der erfahrene, ranghohe Polizeibeamte noch keine Attacken auf Polizisten von Menschen erlebt, die gut ausgebildet seien und fest im Beruf stünden, sich also mitten in der Gesellschaft bewegten.
Zur Erinnerung: Während des Stadtfestes am Himmelfahrtstag in Winsen hatte ein 24 Jahre alter Mann mit einer Spielzeugpistole, die auf dem ersten Blick nicht als solche zu erkennen war, auf Polizeibeamte gezielt und gedroht, sie "abzuknallen". Als die Beamten seien Personalien feststellen wollten, fing sein 22 Jahre alter Begleiter an, Polizisten wegzuschubsen. 15 bis 20 Schaulustige mischten sich ein, als Beamte einen Angreifer zu einem Streifenwagen brachten. Sie bedrängten und beschimpften die Polizisten. Erst 30 Polizeibeamten gelang es, für Ruhe zu sorgen.
Was bisher noch nicht öffentlich geworden ist: Die Gruppe Festbesucher, die gegen die Polizei Front gemacht hat, war zunächst nicht einheitlich aufgetreten. Einige hätten die Polizeibeamten aufgefordert, den 24-Jährigen mit der Spielzeugwaffe und seinen Begleiter "niederzuknüppeln", berichtet Haensch. Erst als die Beamten das abgelehnten, hätten sich die beiden Fraktionen unter den Schaulustigen mit den Angreifern solidarisiert.
Was sind die Gründe, dass Menschen ohne Anlass Polizisten angreifen? Führungskräfte wie Kriminaloberrat Wilfried Haensch erhalten dazu Ergebnisse von wissenschaftlichen Untersuchungen. Der erfahrene Polizist sieht drei wesentliche Gründe. Wenn Erziehung fehle, sänken die Hemmungen. "Ich höre von Lehrern, dass Kinder mehr Rechte hätten als ihre Eltern", sagt Haensch. Eine gesteigerte Sensationslust in unserer Gesellschaft, befördert von neuen Medien im Internet, sei eine weitere Motivation. Ein dritter Grund trage zu der Gewaltbereitschaft bei: der exzessive Alkoholkonsum.
Warum Menschen Polizisten angreifen, erklärt die Expertin Prof. Dr. Karoline Ellrich von der Hochschule der Polizei Baden-Württemberg so:
"Wenn Polizeibeamte angegriffen werden, erfolgt dies in etwa drei Viertel aller Fälle durch Personen, die zuvor Alkohol und/oder andere berauschende Mittel konsumiert haben. Die Einnahme psychotroper Substanzen gilt mithin als zentraler Gewaltbeschleuniger, insofern sie negative emotionale Reaktionen wie Wut, Zorn, Ärger oder Angst verstärkt und zugleich unsere Selbstkontrollmechanismen außer Kraft setzt. Eine rationale Abwägung der Konsequenzen des eigenen Verhaltens erfolgt nicht mehr. Darüber hinaus gibt es Personen, die Polizeibeamten gegenüber grundsätzlich feindselig eingestellt sind, und daher weniger Hemmungen haben, diese auch beispielsweise bei Schlichtungsversuchen anzugreifen.
Dass zum Teil auch unbeteiligte Dritte gewalttätig werden, lässt sich über gruppendynamische Prozesse erklären, die zu einem Solidarisierungseffekt führen können."
Im Niedersächsischen Landtag hat jetzt der Parlamentarier Jan-Christoph Oetjen (FDP) nach den Folgen der Gewalt gegen Polizeibeamte gefragt. Die Antwort der Landesregierung steht noch aus.

Redakteur:

Thomas Sulzyc aus Seevetal

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