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Osterfeuer im Landkreis Stade

Tante-Emma-Laden mit Arztpraxis auch im Landkreis Stade?

Im Café des öffentlich geförderten Markttreffs in Gülzow: Natalie Schwarz (hi.) bedient (v.li.) Heike Kruse, Bürgermeister Wolfgang Schmahl und Sabine Foth | Foto: Wolfgang Schmahl
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  • Im Café des öffentlich geförderten Markttreffs in Gülzow: Natalie Schwarz (hi.) bedient (v.li.) Heike Kruse, Bürgermeister Wolfgang Schmahl und Sabine Foth
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Markttreff als Chance für kleine Dörfer: Bürgertreffpunkt und subventionierter Dorf-Kaufmann

tp. Landkreis. Allerorten bleiben Landarztpraxen ohne Nachfolger, Tante-Emma-Läden und Dorfgasthöfe schließen. Auch in dünn besiedelten Gegenden des Landkreises Stade leiden Bürger unter dem Abbau der Einrichtungen, die ihr Dorf einst lebenswert machten. Zum Beispiel in der Samtgemeinde Oldendorf-Himmelpforten: In den Oste-Dörfern Kranenburg und Großenwörden schlossen die kleinen Lebensmittelgeschäfte - nicht zuletzt unter dem Konkurrenzdruck von Einkaufszentren, wie dem geplanten Einzelhandelskomplex an der Bundesstraße 73 in Himmelpforten. Doch die Entwicklung ist nicht unausweichlich, wie ein Blick über die Elbe ins schleswig-holsteinische Dörfchen Gülzow zeigt: Dort betreibt die Gemeinde einen sogenannten Markttreff mit Arztpraxis, Lebensmittelladen, Ausstellungsraum und Café.

Das Konzept präsentierte der Bürgermeister von Gülzow, Wolfgang Schmahl (66), an einem Info-Abend in Himmelpforten, zudem Kritiker des Groß-Einkaufszentrums der Gruppe "Rettet den Steinmetzpark" geladen hatten. Sie wollen den gleichnamigen, durch das Großbauprojekt bedrohten innerörtlichen Wald erhalten und verbliebene Einkaufsmöglichkeiten in Nachbardörfern schützen. Dazu führen sie das Marktreff-Konzept als dezentrale Alternative an: Der Markttreff Gülzow startete im Jahr 2005 als zwölfjähriges Pilotprojekt und wurde mit 1,6 Millionen Euro aus EU-, Landes- und Kommunalmitteln bezuschusst.

Kann man mit einem Multifunktionszentrum nach dem Vorbild des schleswig-holsteinischen Markttreffs den Verlust von Versorgungseinrichtungen in kleinen Dörfern des Landkreises Stade verhindern? „Es wäre einen Versuch wert“, meint die Standortmanagerin der Samtgemeinde Oldendorf-Himmelpforten, Martina Wagner, mit Blick auf das kurz vor dem Abschluss stehende Pilotprojekt in Gülzow.

Laut Bürgermeister Wolfgang Schmahl, lebt das Konzept vom Mitmachen. Seine Gemeinde betreibt als gemeinnützige GmbH einen zum Markttreff umgebauten Bauernhof mit zwei fest Angestellten und mehreren 450-Euro-Kräften. Die Cafeteria ist Ort der Begegnung für den Stammtisch oder Familienfeiern. In einer Zweigstellenpraxis hält ein Allgemeinarzt täglich von 12 bis 14 Uhr Sprechstunde. Ein Raum im Dachgeschoss steht für Kunstausstellungen zur Verfügung.

Schmahl ist zuversichtlich, dass mit Ablauf der Förderperiode im kommenden Jahr der Marktreff erhalten bleibt. Einschränkungen befürchtet er allerdings beim Lebensmittelladen, der den im Projektentwurf kalkulierten Jahresumsatz von 450.000 bis 600.000 Euro „deutlich unterschreitet“. Die Gemeinde sucht nach wie vor einen Privatbetreiber und will ihm ein Unterstützer-Team an die Seite stellen. Um Lohnkosten zu sparen, sollen ehrenamtliche Regal-Paten beim Einräumen der Ware helfen.

„Eine tolle Idee“, findet Martina Wagner aus Himmelpforten. In „ihrer“ Kommune sieht sie beachtliches Potenzial im Ehrenamt. Als Beispiele führt sie die Bürgerbus-Initiative und die hohe Beteiligung von regelmäßig 40 Teilnehmern bei den Arbeitsgruppentreffen zur Leitbild-Entwicklung für die Samtgemeinde auf. Im Rahmen der Treffen meldeten Bürger auch Bedarf an Facharzt-Sprechstunden - zumindest in der Hauptgemeinde Himmelpforten - an.

In Großenwörden sieht Wagner Potenzial für einen Marktreff mit Café als „Kontakttreff“, Kiosk oder Lebensmittelladen mit Hol- und Bringdienst für regionale Produkte wie Kartoffeln, Eier und Äpfel vom Bauern. „Kleine Kreisläufe liegen voll im Trend“, weiß die Standortmanagerin.

Auf WOCHENBLATT-Anfrage hat Wagner inzwischen Fördermöglichkeiten ausgelotet: Das Amt für Landentwicklung Bremerhaven sehe Förderpotenzial aus einem EU-Topf für sogenannte Basis-Dienstleistungseinreichtungen. Als Immobilie kommt die leerstehende Halle eines Autohauses in Frage. Schon beim Umbau müssten Freiwillige mit anpacken, das stärke die Identifikation und damit den nachhaltigen Fortbestand der Einrichtung. Einige Frauen hätten bereits Interesse an einem Mini-Job als Dorfladen-Verkäuferin bekundet.

Aus Kranenburg berichtet die Gemeindedirektorin, Erste Samtgemeinderätin Ute Kück, von der Idee eines durch Bürger-Engagement getragenen Gemischtwarenladens, eventuell auf Genossenschaftsbasis. Kück sieht auch in Kranenburg grundsätzlich Potenzial für einen Ausbau bis hin zum Markttreff.

Bedarf herrscht auch andernorts im Landkreis: In dem einst mit Hausärzten gut ausgestatteten Freiburg versorgt nur noch Hans-Michael Penzler die Kranken. In Wischhafen kümmert sich Rainer Feutlinkse um die Gesundheit der Nordkehdinger. Beide werden von „Teilzeitärzten“ unterstützt. Martina Knyphausen besetzt in Balje eine Zweigstelle der Gemeinschaftspraxis am Bürgerpark aus Neuhaus (Oste).
In Bargstedt und Fredenbeck suchen Ärzte nach einem Praxisnachfolger, in Brest gibt es erste Überlegungen für ein Bürgercafé mit Miniladen. Ach hier geht es nur mit Bürger-Einsatz.

Peter Wortmann aus Estorf, Mitglied der Leader-Region Kehdingen-Oste, animiert zur Teilnahme: „Die Nutzung von Produkten aus der Region sichert unsere Versorgung auf kurzen Wegen, stärkt die örtliche Wirtschaft und sorgt für für Arbeitsplätze. Das gilt für die entlang der Oste produzierte Energie ebenso wie für die kleinen Läden in den Orten mit hier produzierten Waren und Dienstleistungen.“

• Liebe Leser: Was halten Sie vom Markttreff-Konzept als subventionierte Versorgungslösung auf dem platten Land? Würden Sie sich ehrenamtlich einbringen? Würden Sie die Einrichtung in Anspruch nehmen? Lohn der Aufwand an öffentlichen Finanzmitteln? Schreiben Sie uns einen Leserbrief, E-Mail: tp@kreiszeitung.net.

Redakteur:

Thorsten Penz aus Stade

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