Landgasthöfe im Kreis Stade ein Auslaufmodell

Das Gatshaus Offe in Dornbusch wurde inzwischen abgerissen | Foto: ig/Archiv
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Gasthof-Sterben in der Region / Nachfolge-Probleme bei den Wirten / Selten gelingen Rettungsversuche

tp. Stade. Jahrhundertelang war es Tradition, nach dem Gottesdienst oder nach getaner Arbeit auf ein Bier in den örtlichen Kneipen einzukehren. Auch war es immer ein schönes Ereignis, in den heimischen Gasthöfen gutbürgerlich essen zu gehen. Doch junge Kneipengänger treffen sich vor Veranstaltungen seit einiger Zeit im privaten Rahmen zum sogenannten "Vorglühen" mit selbst mitgebrachten Spirituosen. Das Geld, um Essen zu gehen, sitzt vielfach nicht mehr so locker. Und wenn doch, muss es heutzutage häufig etwas Exotisches oder Erlebnisgastronomie sein. Ausbleibende Gäste, der Balance-Akt, Liebgewonnenes zu bewahren und dennoch modern und ansprechend zu sein, sowie häufig eine fehlende Unternehmensnachfolge bedeuten für viele Gasthöfe der Region das Aus.

Im Landkreis Stade gehe die Zahl der Landgasthöfe seit Jahren stetig zurück, sagt die Kreis-Geschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA). Nathalie Rübsteck. Zwar gebe es keine spezielle Statistik, die dieses Phänomen mit lokalen Kennziffern bestätige, "wohl aber werden die Landgasthöfe im Kreisgebiet immer weniger, zur Zeit besonders in Kehdingen", so die Gastro-Expertin. Die Gründe seien im gesamten Bundesgebiet gleich: Aufgrund neuer Familienstrukturen werde der Betrieb eines Landgasthofs heute nicht mehr automatisch an die nächste Generation weitergegeben. Kinder von Gastwirten träfen eine individuelle Berufswahl, mit der Folge des flächendeckenden Nachfolge-Notstandes. Das angeschlagene Image des Gastronomen-Berufes sowie wirtschaftliche Konkurrenz - etwa durch Dorfgemeinschaftshäuser - würde die Lage verschärfen.

Erst vor Kurzem schloss das traditionsreiche Hotel Müller mit Saal im Zentrum von Drochtersen - bedingt durch den Tod des Betreibers Jörg Müller. In der Nordheide-Metropole Buchholz machte jetzt "Lohmanns Landgasthaus" wegen Schwierigkeiten bei der Suche nach neuen Betreibern dicht.

Es gibt wenige positive Beispiele, bei denen Rettungsversuche gelangen: Mit "To'n Dieckhof" in Tostedt im Landkreis Harburg wäre beinahe ein Lokal mit jahrhundertelanger Tradition geschlossen worden. Doch Betreiberin Silke Bostelmann hatte großes Glück und fand Anfang 2018 einen Nachfolger. In Hammah auf der Stader Geest gelang vor Jahren der Erhalt der für das kulturelle Dorfleben wichtigen Gaststätte „Landhaus Hammah", indem die Gemeinde Eigentümerin der Gastronomie wurde und das große Lokal mit Saal verpachtet. Doch im Rahmen der Neustrukturierung des Ortskerns von Hammah stand vor einigen Monaten der Abriss des Landhauses zur Diskussion. Im Rahmen der Bürgerbeteiligung sprach sich schließlich eine Mehrheit für den weiteren Fortbestand des Lokals aus.

Allerdings bahnen sich weitere Probleme an: Die Wirts-Eheleute Heike und Günter Reck wollen den in zweieinhalb Jahren auslaufenden Pachtvertrag aus Alters- und Gesundheitsgründen nicht verlängern. Eine Arbeitsgruppe befasst sich mit der Zukunft des Landhauses. Wirtin Heike Reck empfiehlt für die weiteren Planungen, Fremdenzimmer als zusätzliches wirtschaftliches Standbein in das Konzept des Landhauses einzubeziehen.

Trotz vorbildlichem Engagements wie diesem scheint die Sterbewelle der Landgasthöfe im Landkreis Stade unaufhaltbar:
In der Gemeinde Oldendorf beklagt Bürgermeister Johann Schlichtmann bereits seit Langem die Knappheit an Landgasthöfen. Nachdem die Wirtsleute des früheren Gasthofes Heinbockel keinen Nachfolger fanden und das Gebäude zwischenzeitlich einem Edeka-Parkplatz wich, gibt es im Dorf keinen Saalbetrieb mehr für die dort noch üblichen großen Bauernhochzeiten mit mehr als 150 Gästen. Der noch bestehende Landgasthof Heins, der früher 400 Gäste bewirten konnte, hat seinen Saal verkleinert. Die Folge: Festgesellschaften weichen auf Nachbargemeinden aus, z. B. nach Hechthausen im Kreis Cuxhaven.

In der Stader Ortschaft Hagen schloss vor rund fünf Jahren der Gasthof Wiebusch, nachdem der Eigentümer keinen neuen Betreiber fand. Zudem gab es Probleme mit Brandschutzbestimmungen, die eine kostspielige Sanierung des Altbaus erforderten. Die Gastronomie, in der früher auch Ratssitzungen stattfanden, wurde am Ende zugunsten eines Mehrfamilienhauses abgerissen. Die Gemeinde ließ den für Veranstaltungen ihren Schießstand ausbauen. Größere Familienfeiern finden nun häufig im Nachbardorf Deinste statt.

Die traditionsreiche Gaststätte "Zur schönen Fernsicht" in Grünendeich ist ebenfalls von der Schließung bedroht. Pächter Ilhan Cicek hat angekündigt, das gemeindeeigene Lokal zum Jahresende nicht mehr betreiben zu wollen. "Es wird schwierig, einen motivierten Gastwirt zu finden", sagt Grünendeichs Bürgermeisterin Inge Massow-Oltermann. Die Besonderheit: Ein Teil der "Fernsicht" wird als Dorfgemeinschaftshaus genutzt. Der darf nicht geschlossen werden, da ansonsten hohe Rückzahlungen von Fördergeldern an die EU drohen, die damals für die Sanierung geflossen sind.

Auch im Land Kehdingen greift das Landgasthöfe-Sterben seit Jahren um sich: Zu Ostern 2015 öffnete zum letzten Mal das "Kehdinger Landhotel“ im Ritschermoor. Die Betreiber, Käthe und Artur Meyer (damals 76 und 77), nannten Gesundheits- und Altersgründe für die Geschäftsaufgabe. Das WOCHENBLATT berichtete zudem über den Abriss des ehemaligen Traditions-Gasthofes Offe Anfang August in Dornbusch. Auf dem Grundstück in der Dorfmitte, das von einem Privatinvestor gekauft wurde, entsteht nun ein modernes Gesundheitszentrum für Mitarbeiter der Krautsander Bootswerft Hetecke.

Nicht immer ist die Folgenutzung nachhaltig: Mehrere Ex-Gasthöfe in Kehdingen fanden während der Bauzeit von Windparks vorübergehend Verwendung als Monteurs-Unterkünfte. Sie stehen inzwischen wieder leer und verkommen.

Redakteur:

Thorsten Penz aus Stade

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