Vollmundige Wahlversprechen? Sorge in den Rathäusern wegen Ankündigungen zur Kita-Beitragsfreiheit

Die Kinderbetreuung wird für die Gemeinden in den kommenden Jahren erheblich teurer | Foto: Fotolia / Sergey Novikov
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jd/bc. Apensen/Buxtehude/Stade. In Niedersachsen wird im Januar 2018 ein neuer Landtag gewählt. Doch schon jetzt haben die Politiker in den Wahlkampfmodus geschaltet. So debattierte der Landtag kürzlich zum Thema Beitragsfreiheit im Kindergarten. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte zuvor verkündet, dass Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren künftig kostenlos eine Kita besuchen dürfen. Diese Ankündigung nahm die Opposition zum Anlass, die Gratis-Kita bereits 2018 einführen zu wollen (das WOCHENBLATT berichtete). Das lehnte die Regierungsmehrheit zwar ab, aber es steht offenbar fest: Die Beitragsfreiheit kommt. Darüber sind die Kommunen nicht besonders erfreut.

Mit der Forderung nach einem beitragsfreien Kita-Besuch lassen sich zwar hervorragend Wählerstimmen generieren. Doch was viele Familien begeistern dürfte, treibt bei zahlreichen Ratshauschefs die Sorgenfalten in die Stirn. Sie fragen sich, warum die Kommunen finanziell bluten müssen, wenn Regierung und Opposition vollmundige Wahlversprechen verkünden.

Denn es ist noch längst nicht geklärt, wer die zusätzlichen Kosten übernimmt. So gut wie sicher ist aber schon jetzt: Die Kommunen werden einen Teil des Fehlbetrags finanzieren müssen. In einigen Rathäusern wurden bereits Modellrechnungen angestellt, um sich einen Überblick über die Mehrkosten zu verschaffen. Und die werden erheblich sein, wenn man die Kosten für das dritte beitragsfreie Kita-Jahr zugrunde legt, die die Gemeinden schon jetzt zu tragen haben.

Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen - dieses Sprichwort wird beim Thema Beitragsfreiheit für die Kindergarten-Elementargruppen (Drei- bis Sechsjährige) wohl nicht gelten: Wenn in Niedersachsen per Landtags-Beschluss die Gratis-Kita eingeführt wird, kommt das Land höchstwahrscheinlich für nur einen Teil der zusätzlichen Kosten auf, die durch den Wegfall der Elternbeiträge entstehen. In der Rathäusern der Region wird schon gerechnet, wie hoch die zusätzliche finanzielle Belastung ausfallen könnte. Das WOCHENBLATT fragte in Apensen als Beispiel für eine kleine Kommune und bei den Städten Buxtehude und Stade nach.

"Wir haben das Ganze mal für unseren größten Kindergarten durchkalkuliert", sagt Apensens Samtgemeinde-Bürgermeister Peter Sommer: Allein in dieser Kita sei mit zusätzlichen 160.000 Euro pro Jahr zu rechnen. Hochgerechnet auf die zehn Elementargruppen in der Samtgemeinde wären das rund 400.000 Euro. "Das ist eine erhebliche Zusatzbelastung, wenn man bedenkt, dass wir schon jetzt den Kita-Betrieb fast zu 50 Prozent finanzieren", so Sommer: Das sei in vielen Gemeinden ähnlich.

Sommer rechnet vor: "Bei einem durchschnittlichen monatlichen Elternbeitrag von 205 Euro und einem derzeitigen Landeszuschuss von 140 Euro muss aus der Gemeindekasse pro Kita-Platz 295 Euro dazugepackt werden."

Erwartungsgemäß noch höher sind die zusätzlichen finanziellen Belastungen, die auf die Städte zukommen. Schließlich werden dort wesentlich mehr Kitas betrieben. So geht man in Buxtehude von fast einer Million Euro aus, die für drei beitragsfreie Kita-Jahre seitens der Stadt aufzubringen sind. Für das derzeitige dritte kostenfreie Jahr erhält Buxtehude pro Halbtagsplatz 120 Euro und für eine Ganztagsbetreuung 160 Euro. "Viele Eltern nehmen für ihr Kind aber nur einen Dreiviertel-Platz in Anspruch", berichtet Ralf Dessel, Fachbereichsleiter Finanzen im Buxtehuder Rathaus: "Doch vom Land gibt es dann auch nur 120 Euro." Eine Unterdeckung sei so programmiert. Die Kommune müsse am Ende für das Minus einstehen.

So werde der finanzielle Handlungsspielraum der Kommunen durch die kostenlosen Kitas weiter geschwächt, so das Fazit von Apensens Rathauschef Sommer: "Wir wenden mehr als die Hälfte der Personalkosten für die Kinderbetreuung auf - und da ist Apensen sicher kein Einzelfall."

• Anders sieht es in der Hansestadt Stade aus. Bürgermeisterin Silvia Nieber (SPD) sieht dem Thema Beitragsfreiheit ein wenig entspannter entgegen, da die Stadt ohnehin relativ geringe Elternbeiträge verlangt - ungefähr in der gleichen Höhe wie die pauschalen Erstattungen des Landes für das dritte beitragsfreie Jahr. Das bedeutet, dass die Stadt damit rechnet, falls die Gratis-Kita für Eltern kommt, dass nur geringe finanzielle Mehrbelastungen auf die Stadtkasse zukommen werden.

Aktuell erhält Stade für die Kitas in der Hansestadt Stade vom Land für das letzte beitragsfreie Kita-Jahr rund 660.000 Euro (Kita-Jahr 2016/2017). Nieber: "Dies könnte man ganz grob geschätzt auf drei Jahre hochrechnen, so dass sich eine Summe in Höhe von knapp zwei Mio. Euroergeben würde, die vom Land für die Einführung der Beitragsfreiheit zu tragen wäre."

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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