Die Wege führen nach Rom: Was hat die KVG mit Italien zu tun?

Jan Behrendt (li.) und Michael Fastert stehen an der Spitze der KVG  Foto: jd
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jd. Stade. "In der Region verbunden" - so lautet der Leitspruch der KVG. Das Busunternehmen mit Hauptsitz in Stade betreibt den Linienverkehr in der Region. Busse der "Kraftverkehr GmbH" fahren in der Nordheide und im Elbe-Weser-Dreieck. Doch ganz so regional ist die KVG dann doch nicht. Die Wurzeln des Busbetriebes, der im Juni sein 90-jähriges Bestehen feiert, sind zwar in Stade - wer aber die Beteiligungsstruktur bis ganz nach oben verfolgt, stellt fest: Hauptanteilseigner der KVG ist die Republik Italien über ihre 100-prozentige Beteiligung an den italienischen Staatsbahnen "Ferrovie dello Stato Italiane" (FSI). Bindeglied zwischen Italien und Deutschland ist wiederum jemand aus der Region: Jost Knebel aus Bendestorf (Kreis Harburg) steht an der Spitze der deutschen FSI-Konzerntochter Netinera. Der Verkehrs-Konzern mit Sitz in Berlin und im bayerischen Aichtach ist das drittgrößte Bahnunternehmen in Deutschland.

Doch wem gehört wieviel von der KVG? Das WOCHENBLATT hat die Beteiligungsverhältnisse in der nebenstehenden Grafik einmal aufgezeichnet. Demnach ist Netinera als deutsche Holding der Italiener über "Zwischenstationen" wie der OHE (Osthannoversche Eisenbahnen) Miteigentümer der KVG. Die OHE ist einer der "Big Player", was den Personen- und Gütertransport in Niedersachsen angeht. Die Bahngesellschaften Metronom und Erixx sind mehrheitlich bzw. zu 100 Prozent in den Händen der OHE. Auch dort fungiert Netinera-Chef Knebel als Vorstand. Zweiter in der OHE-Führungsetage ist Jan Behrendt, einer der beiden KVG-Geschäftsführer.

Während Knebel sozusagen Sachwalter der Interessen der internationalen KVG-Eigentümer ist - neben der FSI hält der Luxemburger Investment-Fond Cube eine Minderheitsbeteiligung -, verkörpert Behrendt den klassischen deutschen Mittelstand. "Ich komme aus einem typischen Familienunternehmen. Mein Ur-Ur-Ur-Opa hat die Firma 1879 gegründet", erklärt Behrendt im WOCHENBLATT-Gespräch. Behrendts Familie gehören die Verkehrsbetriebe Bachstein, die bereits mit dem Netinera-Vorgänger Arriva Deutschland kooperierte und diese Zusammenarbeit fortgeführt hat, als 2011 ein Konsortium aus FSI und Cube die ehemals britische Arriva von der Deutschen Bahn übernahm und daraus Netinera machte (mehr dazu siehe unten).

"Wir denken und handeln trotz der internationalen Beteiligungsverhältnisse wie ein regionales Unternehmen", sagt Behrendt. Die Kooperation mit Netinera, mit der in der Bussparte ein Joint Venture mit "fifty-fifty"-Anteilen bestehe, laufe gut: "Ich habe nicht das Gefühl, dass Rom bei uns hineinregiert."

Bei der KVG sei der italienische Einfluss recht gering, berichtet Behrendts Co-Geschäftsführer Michael Fastert. Die Vorstellung, dass man sich regelmäßig mit Besuch aus Rom zu Antipasta und Rotwein treffe, sei zwar charmant, entspreche aber nicht der Realität. Einzige Ausnahme: "Der damalige Chef der italienischen Staatsbahnen, Mauro Moretti, schaute kurz nach der Übernahme von Netinera sowie der Firmentöchter OHE und KVG in Stade vorbei", berichtet Fastert: "Er wollte wohl mal in Augenschein nehmen, was er hier gekauft hat."

Auf ungewöhnliche Weise haben von dieser deutsch-italienischen Firmenverflechtung vor drei Jahren einige Busfahrer aus Florenz profitiert. Die dortige Busgesellschaft, ebenfalls eine FSI-Tochter, suchte für mehrere Beschäftigte neue Arbeitsplätze: Durch Vermittlung von Netinera verhalf die KVG drei italienischen Busfahrern zu einem neuen Job am Standort Hittfeld. Dort wurden gerade händeringend neue Mitarbeiter gesucht.

Auch wenn Rom weit weg ist: Knebel betont die gute Zusammenarbeit mit den Italienern. "Es gibt immer häufiger lokale Projekte, bei denen uns der italienische Mutterkonzern FSI hilft", erklärt der Netinera-Chef, der selbst immer wieder gern die KVG-Linie 4208 nutzt: "Zuletzt bin ich vor zwei Wochen mit dem KVG-Bus von Buchholz nach Hause gefahren."

Kunstwort aus Englisch und Latein

Netinera: Das Wort klingt irgendwie italienisch. Das soll es auch: Für das deutsche Tochterunternehmen des italienischen Eisenbahnkonzerns Ferrovie dello Stato Italiane (FSI) ist ein Name gewählt worden, der zu dem Mehrheitsgesellschafter in Rom passt: Das Kunstwort Netinera stellt eine Verbindung aus dem englische Wort "Net(work)" (Netz, Netzwerk) und dem lateinischen Begriff "itinera" (Weg) dar. Latein solle das Alte und Bewährte ausdrücken und Englisch stehe für das Neue und Moderne, begründete die FSI die Namenswahl.

Die Geburtsstunde des Netinera-Konzerns, zu dem auch über verschiedene Beteiligungen die KVG gehört, war bereits 2003. Damals wurde von der britischen Bahngesellschaft Arriva die Arriva Deutschland gegründet, um der Deutschen Bahn im Nahverkehr Konkurrenz zu machen. Dafür hatte Arriva Deutschland 2006 die Anteile von Bund und Land in Höhe von mehr als 70 Prozent an der Osthannoverschen Eisenbahn (OHE) erworben, die mit ihren Tochterfirmen in den Bereichen Bahn und Bus seit Jahrzehnten in der Region aktiv ist. Auch der Landkreis Harburg war mit zwei Prozent an der OHE beteiligt, verkaufte diese Anteile aber ebenfalls.

Als die Deutsche Bahn 2010 die britische Arriva übernahm, mussten die deutsche Arriva-Anteile aus wettbewerbsrechtlichen Gründen verkauft werden. Das aus FSI und dem luxemburgischen Investor Cube gebildete Konsortium erhielt den Zuschlag.

Wer ist eigentlich Cube?

Der luxemburgische Finanzinvestor Cube Infrastructure hält an der Netinera-Unternehmensgruppe eine Minderheitsbeteiligung von 49 Prozent. Cube war ursprünglich eine Tochter der französischen Investmentbank Natixis, die wiederum ein Ableger des zweitgrößten französischen Bankkonzerns BPCE ist. Inzwischen haben vier Cube-Manager den Finanzinvestor übernommen, der Gelder von Pensionsfonds, Vermögensverwaltungen und Versicherungen renditebringend anlegt.
Mit seinen zwei Fonds ist Cube vor allem an europäischen Infrastruktur-Projekten beteiligt, sei es schnelles Internet, Energieversorgung oder eben Nahverkehr. Dabei werden u.a. Verkehrsunternehmen mit Kapital versorgt, die ihre Marktposition verbessern wollen.

Das Interview zum Thema:

Die Nummer zwei der Bahn-Konkurrenten

Das WOCHENBLATT sprach mit Netinera-Chef Jost Knebel

Seit der Liberalisierung des europäischen Personentransportwesens expandiert der italienische Bahnkonzern Ferrovie dello stato Italiane (FSI )verstärkt ins Ausland. 2011 bot sich der FSI die Gelegenheit, auf dem lukrativen deutschen Markt Fuß zu fassen. Die Aktivitäten der FSI im deutschen Bahn- und Busverkehr sind seitdem bei Netinera gebündelt, an dem auch der Finanzinvestor Cube beteiligt ist. Das Unternehmen hat bundesweit fast 4.000 Mitarbeiter. Für Netinera rollen 357 Züge und 789 Busse, davon sind 489 Busse für die KVG unterwegs.

Seit 2012 leitet Jost Knebel aus Bendestorf den Netinera-Konzern. Der 60-Jährige war u.a. in leitenden Positionen bei Mercedes Benz und der Deutschen Bahn tätig und gehörte dem Vorstand der Hamburg Hochbahn an. Kurz nach seinem Amtsantritt bei Netinera verkündete Knebel das Ziel, nach der DB Regio die Nummer zwei im Schienen-Nahverkehr werden zu wollen und einen Marktanteil von rund 20 Prozent zu erobern. Dieses Ziel wurde bisher nicht erreicht: Derzeit ist Netinera mit einem Anteil von 5,7 Prozent nach dem französischen Unternehmen Transdev der Zweitplazierte bei den Bahn-Verfolgern.

Das WOCHENBLATT hat Knebel einige Fragen zur Rolle des Netinera-Konzerns gestellt.

WOCHENBLATT: Inwieweit sehen Sie sich als Bindeglied zwischen den italienischen Anteilseignern und den deutschen Tochterunternehmen?
Knebel: Wir, die Netinera-Holding, führen und unterstützen unsere Tochterunternehmen. Gleichzeitig berichten wir über die Netinera-Gruppe in Italien. Immer häufiger gibt es lokale Themen, bei denen uns die Ferrovie dello Stato Italiane (FSI) hilft.

WOCHENBLATT: Wie oft reisen Sie nach Italien, um Gespräche mit der Konzernspitze zu führen?
Knebel: Ich bin mehrmals im Jahr in der Konzernzentrale der FSI in Rom.

WOCHENBLATT: Inwieweit ist Netinera in seinen unternehmerischen Entscheidungen selbstständig?
Knebel: Wir haben eine Geschäftsordnung, die uns einige Freiheiten gewährt. Lediglich bei sehr großen Entscheidungen, zum Beispiel für die Preisbildung beim Metronom in der kürzlich gewonnenen Ausschreibung "Hansenetz und Göttingen", benötigen wir eine Zustimmung beider Gesellschafter, also von FSI und Cube.

WOCHENBLATT: Welche Rolle nimmt Cube als Minderheiten-Anteilseigner ein?
Knebel: Beide Gesellschafter, Cube und FSI, sind deckungsgleich in ihren Plänen. Insofern ist die Rolle von Cube nicht anders als die der FSI.

WOCHENBLATT: Gibt es seitens der FSI aktuelle Vorgaben zur unternehmerischen Strategie von Netinera?
Knebel: FSI unterstützt unseren Wachstumskurs in Deutschland – und dass sie als Gesellschafter auch eine angemessene Rendite erwartet, ist ja ohnehin selbstverständlich.

WOCHENBLATT: Wie würden Sie die Zusammenarbeit mit dem Mutterkonzern FSI beschreiben?
Knebel: Das ist sehr professionell und sehr vertrauensvoll. Wir arbeiten hier mit Verkehrsfachleuten zusammen, die ein großes Interesse an unserer Entwicklung in Deutschland haben. Zudem profitieren wir auch von einigen Vorteilen eines Großkonzerns, die ein Mittelständler wie wir so nicht hätten.

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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