Wenn Denkmalschutz zur Belastung wird

Brennerei-Eigentümerin Angelika Fronius vor dem Grundstück, auf dem zuvor die Alte Brennerei stand, und auf dem jetzt ein Mehrfamilienhaus entsteht
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bim. Tostedt. Erst wurde im vergangenen Jahr die architektonisch außergewöhnliche Villa aus dem Baujahr 1904 am Ententeich in der Triftstraße im Herzen Tostedts abgerissen, nun auch die Alte Brennerei von 1789 im historischen Ortskern - viele Tostedter sind entsetzt, dass diese "Zeugen" der örtlichen Baugeschichte aus dem Ortsbild verschwinden. Doch diese Gebäude standen - im Gegensatz zum Beispiel zum Huthschen Haus auf dem Platz am Sande oder Schule und Sporthalle in der Dieckhofstraße - nicht unter Denkmalschutz. So schade es ist: In beiden Fällen waren die Gebäude so marode, dass es für die Eigentümer ein nicht zu rechtfertigender finanzieller Kraftakt gewesen wäre, sie zu erhalten.
"Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Mein Vater liebte das Gebäude. Wegen des Abrisses habe ich Herzschmerzen gehabt", sagt Angelika Fronius, Besitzerin des historischen Gebäude-Ensembles in der Dieckhofstraße, zu dem auch die Brennerei gehörte, in der einst Schnaps und zwischenzeitlich auch Bier gebraut wurde. Drei Jahre lang habe sie damit gehadert, was mit der Brennerei geschehen soll. "Aber niemand wollte das Gebäude mieten. Und Schnaps brennen kann ich auch nicht", berichtet Angelika Fronius. "Die Balken waren morsch und durchgegammelt. Das Gebäude war nicht mehr zu retten. Irgendwann hätte ich das Dach sanieren müssen, das wäre für mich unbezahlbar gewesen", erläutert die Ur-Ur-Ur-Enkelin der Brennerei- und Kneipengründer.
Rund 30 Gär- und Meische-Tanks, Mahlwerke, Waagen und weiteres Zubehör befanden sich noch in der Brennerei. Diese Gerätschaften sollen erhalten werden. Bestehen bleiben sollen auch die beiden Gebäude hinter der Brennerei.
"Das neue Haus wird im Stil der Alten Brennerei gebaut", sagt Angelika Fronius. In der Dieckhofstraße sollen nun zehn, am Ententeich elf neue Wohnungen in Mehrfamilienhäusern entstehen.
• Unter Denkmalschutz steht zum Beispiel auch das Tostedter Bahnhofsgebäude, auch wenn es im Inneren in den vergangenen Jahren einen erheblichen Substanzverlust gegeben habe. Wolfgang Küchenmeister, Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde beim Landkreis, hatte kürzlich dem Tostedter Planungsausschuss berichtet, dass das Erdgeschoss, in dem der Vorbesitzer 2006 eine Spielhalle einrichten wollte, ausgeräumt worden und vieles von dem, was Denkmalqualität hatte, nicht mehr vorhanden sei. Das Landesamt für Denkmalpflege sei aber zu dem Schluss gekommen, den Baudenkmal-Status beizubehalten, teilt Kreissprecher Bernhard Frosdorfer auf WOCHENBLATT-Anfrage mit.

Wie gelingt Denkmalschutz?

Doch wie können Gebäude unter Denkmalschutz gestellt und für nachfolgende Generationen erhalten werden? Darüber informiert Wolfgang Küchenmeister, Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde beim Landkreis Harburg.
Viele Bürger sind entsetzt, wenn altehrwürdige Bauwerke abgerissen werden. Vielfach sind die Gebäude jedoch so marode, dass es für die Eigentümer ein nicht zu rechtfertigender finanzieller Kraftakt wäre, sie zu erhalten. So wie jetzt bei der Alten Brennerei in Tostedt. Ein Weg, die steinernen Zeugen der Baugeschichte zu erhalten, ist der Denkmalschutz. Durch ihn wird ein Abriss unmöglich gemacht, Sanierung und Nutzung unterliegen strengen Vorschriften. Doch wie können Gebäude unter Denkmalschutz gestellt und für nachfolgende Generationen erhalten werden? Darüber informiert Wolfgang Küchenmeister, Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde beim Landkreis Harburg.
Künstlerische Aspekte, die Architektur oder städtebauliche Gründe könnten zur Ausweisung eines Baudenkmals führen, so Küchenmeister. Das niedersächsische Denkmalschutzgesetz sei 1978 in Kraft getreten, um gebautes Erbe zu erhalten. Als der langjährige Leiter des Kiekebergmuseums, Prof. Dr. Rolf Wiese, 1989/90 im Auftrag der damaligen Bezirksregierung Lüneburg ein Verzeichnis der Baudenkmale aufstellte, habe es eine deklatorische Liste gegeben. Man habe es damals Fachleuten überlassen, per Zuruf ein Gebäude in die Liste aufzunehmen, was für den Eigentümer bedeutete, für jeden Umbau eine Behördengenehmigung einzuholen.
Das änderte sich mit der Novellierung des Denkmalschutzgesetzes 2011. Jeder Bürger und jede Gemeinde könnten seitdem Widerspruch gegen eine Unterschutzstellung einlegen. Liegt ein Antrag auf Unterschutzstellung vor, prüfen das Landesamt für Denkmalpflege und die Denkmalschutzbehörde des Kreises gemeinsam und führen mit dem Eigentümer sowie der jeweiligen Gemeinde Gespräche. Wenn ein Eigentümer sein Haus selbst unter Schutz stellen möchte, sei das Verfahren ein Selbstgänger. Wenn es jedoch von Dritten gefordert wird - wie es meist erst geschehe, wenn das Gebäude kurz vor dem Abriss und ein Investor schon auf der Matte stehe - müsse der Erhalt für den Eigentümer wirtschaftlich zumutbar sein.
Grundsätzlich hätten Kommunen zudem die Möglichkeit, für bestimmte Gebäude oder Ortsteile eine Erhaltungssatzung aufzustellen. Eine solche gibt es für einige Gebäude in der Winsener Rathaus- und Marktstraße. "Eine Erhaltungssatzung wird aber selten aufgestellt, weil es die Kommune viel Geld kosten kann. Denn die muss den Eigentümer nötigenfalls bei der Erhaltung der Substanz unterstützen", so Küchenmeister.
Im Landkreis Harburg gebe es derzeit 1.500 Bau- und Kulturdenkmale sowie 4.500 archäologische Denkmale.

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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