G20-Gipfel: „Das Entsetzen dauert an“ / Interview mit Polizist Gerd Schröder

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(bim). Es war eine Veranstaltung, die die Weltanschauung vieler Deutscher verändert hat: der G20-Gipfel. Statt vieler friedlicher Demonstranten sind es die Schlachtfelder der vermummten Randalierer, die vielen Bürgern in Erinnerung bleiben werden. Einer, der mitten drin war, ist Gerd Schröder (56) aus Welle. Im WOCHENBLATT-Interview spricht der Erste Polizeihauptkommissar darüber, wie er den G20-Gipfel vorher und nachher erlebte.
WOCHENBLATT: Wie haben Sie sich auf den G20-Gipfel vorbereitet?
Gerd Schröder: Als bekannt wurde, dass Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz auf Bitten von Bundeskanzlerin Angela Merkel den gerade zurückliegenden G20-Gipfel in der Freien und Hansestadt Hamburg ausrichten würde, übernahm ich als einer von drei Verantwortlichen (drei Schichten rund um die Uhr) mit einem von mir selbst aus meiner Abteilung zusammengestellten Team die Leitung der Aufklärung in Hamburg bis an die Stadtgrenzen.
WOCHENBLATT: Welche Aufgaben hatten Sie während des Gipfels?
Gerd Schröder: Beim G20-Einsatz betreuten wir das Umfeld der Fahrstrecken der Delegationen. Die Vorbereitungen begannen bereits am 22. Juni. Das wurde von uns mit vollem Engagement und einer für mich beeindruckenden Freiwilligkeit der Mitarbeiter in der Dienstzeitgestaltung und einer größtmöglichen Flexibilität bewältigt. Alle Mitarbeiter waren hochmotiviert.
WOCHENBLATT: Wie haben Sie und Ihre Kollegen die Gewaltexzesse eines Teils der Demonstranten wahrgenommen?
Gerd Schröder: Es war tragisch für meine Mitarbeiter und mich sowie natürlich für alle eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, mit ansehen zu müssen, wie eine bisher nie dagewesene und von uns nicht für möglich gehaltene Anzahl von Randalierern aus Hamburg, aber auch dem In- und Ausland, in der Lage waren, über einen viel zu langen Zeitraum Angst und Schrecken zu verbreiten und hierbei mit größtmöglicher Brutalität vorzugehen.
Mein Sohn (27) hat während der ganzen Zeit in der Bereitschaftspolizei seinen Dienst getan. Er hatte Auftrag, sich regelmäßig bei mir über WhatsApp zu melden, was aber leider oft aus den geschilderten Gründen nicht möglich war. Insbesondere war unsere Sorge um ihn natürlich sehr groß. Aber auch Freunde und Bekannte aus dem In- und Ausland fragten immer wieder nach ihm. Auch hier eine tolle Anteilnahme.
WOCHENBLATT: Wie geht es Ihnen und Ihren Kollegen jetzt?
Gerd Schröder: Diese Fassungslosigkeit und das Entsetzen dauern an. Die Köpfe sind noch längst nicht frei. Wegen der körperlichen Belastung hatten mehrere Kollegen Kreislaufzusammenbrüche. Ich habe - vermutlich wegen des Stresses - einen Hörsturz erlitten und bin krankgeschrieben. Meinem Sohn geht es jetzt, nachdem er einige Tage Zeit hatte, Schlaf nachzuholen, gut.
Der Dienst von mindestens 13 Stunden und die ungewohnten Nachtdienste waren belastend, aber machbar. Wenn richtig was los ist in der Stadt, muss das halt mal sein, dafür sind wir Polizeibeamte. Was aber die Bereitschaftspolizei und die Alarmabteilung Hamburg zu leisten hatten, ging weit über das eigentlich vertretbare Maß hinaus. Es waren an den „heißen Tagen“ teilweise nur kurze Pausenzeiten zwischen den Diensten möglich. Die Leistungsgrenzen der Kolleginnen und Kollegen waren in vielen Fällen erreicht, bei einigen überschritten.
WOCHENBLATT: Gab es bei den Demonstrationen auch etwas Positives?
Gerd Schröder: Ich fand es toll, wie bis zu den Krawallen in vielen Variationen der friedliche Protest zum Ausdruck gebracht wurde. Mich persönlich hat die Kunstaktion „1.000 Gestalten“ sehr beeindruckt, und ich hätte mir gewünscht, dass diese Bilder um die Welt gegangen wären.
WOCHENBLATT: Wie wird dieser außergewöhnliche Einsatz gewürdigt?
Gerd Schröder: Ich bin sehr froh darüber, dass dieser von der Polizeiführung als auch von der Politik in höchstem Maße anerkannt wurde. Das war einfach nur wichtig.
Als ich Dienstag kurz den Neugrabener Wochenmarkt, der sich vor unserer Dienststelle befindet, aufsuchte, wurde ich von mehreren Geschäftsleuten und Marktbesuchern angesprochen und mit Solidaritätsbekundungen für die Polizei geradezu überschüttet. „Wo können wir spenden? Was können wir tun? Ihr seid doch unsere Polizei.“ Aus Studien weiß ich zwar, dass das Image der Polizei Hamburg so schlecht nicht ist. Auf dem Markt kam dann aber doch so ein richtiges Gänsehautfeeling auf. Die Bürger dieser Stadt stehen in ihrer ganz großen Mehrheit hinter uns. Ein tolles Gefühl.
WOCHENBLATT: Wie lautet Ihr Fazit?
Gerd Schröder: Die Arbeit mit meinem Führungsteam und mit all den Männern und Frauen, die vor Ort für uns unterwegs waren, war hervorragend. Für mich wird es wohl der letzte ganz große Einsatz gewesen sein. Der davor größte, an dem ich unmittelbar beteiligt war, war die Fußball-WM 2006, ein Fest der Freude, mit ebenfalls vielen negativen Prognosen vorweg, die sich aber Gott sei Dank nicht bestätigt haben. Schade, dass es bei G20 ganz anders war.
WOCHENBLATT: Herr Schröder, ich bedanke mich für das Gespräch.

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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