Sind Werkstätten für Behinderte Menschen eher eine Notlösung?

Petra Wontorra: "Den Menschen in den Mittelpunkt stellen" | Foto: Land Niedersachsen
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Behindertenbeauftragte spricht sich für einen Abbau von Sondereinrichtungen für Behinderte aus

(mi). Werkstätten für Behinderte, die Dienstleistungen wie Wäscherei oder Café anbieten, erhalten immer häufiger keine Vergünstigung bei der Umsatzsteuer (das WOCHENBLATT berichtete).
Der Grund ist, dass die Finanzämter in Niedersachsen bei der Frage, ob es sich bei Behinderten-Werkstätten im Dienstleistungssektor um einen von der Steuer begünstigten Zweckbetrieb oder einen nicht privilegierten reinen Wirtschaftsbetrieb handelt, immer häufiger letzteres annehmen und den vollen Umsatzsteuersatz festlegen. Die Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für Behinderte hatte diese Praxis scharf verurteilt. Der Tenor: Gerade bei Tätigkeiten im Dienstleistungssektor handele es sich um Angebote, die hoch inklusiv seien, aber ohne Steuerbegünstigung kaum Chancen am Markt hätten.
Petra Wontorra, Niedersachsens Beauftrage für Menschen mit Behinderung, erkennt die Leistung dieser Werkstätten für die Inklusion Behinderter zwar an, gleichzeitig warnt sie aber grundsätzlich vor einem weiteren Ausbau des Werkstattsektors. Wontorra: „Derzeit nehmen die Werkstättenplätze in Niedersachsen zu, das kann nicht der richtige Weg sein.“ Inklusion erreiche man nicht durch die Schaffung oder den Ausbau eines künstlichen Beschäftigungssektors. Viel wichtiger sei es, den ersten Arbeitsmarkt weiter für behinderte Arbeitnehmer zu öffnen. Petra: Wontorra: „Der Ausschuss für Menschen mit Behinderung der UN hat in seinem aktuellen Bericht Deutschland wiederholt dazu aufgefordert, die Inklusion Behinderter schneller umzusetzen und Sondereinrichtungen wie Werkstätten suk­zes­si­ve abzuschaffen.“ Inklusion könne nur unter der Berücksichtigung der durchaus differenzierten Belange von Menschen mit Behinderung gelingen. Petra Wontorra fordert deswegen: „Die Debatte sollte sich nicht im Streit über Steuerkonzepte erschöpfen, sondern den Menschen in den Mittelpunkt stellen.“

Kommentar

Inklusion ohne (Steuer)Privilegien ist unrealistisch
Zu fordern, die Behindertenwerkstätten abzuschaffen, ist einfach. Unrealistisch ist aber zu glauben, dass eine Wirtschaftswelt, die schon Alte und Alleinerziehende vielfach als Belastung ansieht, bei einem oft noch weniger „leistungsfähigen“ Behinderten plötzlich anders denkt, nur weil die Vereinten Nationen (UN) mehr Inklusion fordern.
Realistischer scheint da doch der Weg der Werkstätten, ihren Dienstleistungssektor auf den ersten Arbeitsmarkt auszuweiten. Solche Inklusionsbemühungen, weil sie rein wirtschaftlich orientiert sind, nicht mehr steuerlich zu begünstigen, ist paradox. Schließlich ist wirtschaftliche Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt genau das, was Inklusion anstrebt.
Ist es nicht letztlich auch eine Denkart von Inklusion, diese (steuerliche) Privilegierung als sinnvolle Subvention zu verstehen? Wir subventionieren unsere Landwirtschaft und sogar den Büchermarkt, warum nicht auch inklusive (Dienstleistungs-)Betriebe?
Mitja Schrader

Redakteur:

Mitja Schrader

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