Von Heidenau bis zum Maidan? / Was ein Lager für ukrainische „Displaced Persons“ im Jahr 1945 mit der aktuellen Krise verbindet

Pfadfinder aus dem Heidenauer Lager vor den typischen „Nissenhütten“, in denen rund 4.000 Ukrainer untergebracht waren | Foto: oh
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(mi).

Wie steht das kleine Dorf Heidenau im Kreis Harburg mit der Krise in der Ukraine in Verbindung? Gar nicht, wird man sagen. Was viele nicht wissen: In Heidenau befand sich nach dem Zweiten Weltkrieg ein Auffanglager für rund 4.000 „Displaced Persons“ (DPs) aus der Ukraine. Der aus Buchholz stammende Historiker Dr. Jan-Hinnerk Antons hat in seiner Doktorarbeit den Alltag im Heidenauer Lager untersucht und dabei festgestellt: In den DP-Camps gab es ähnliche Machtkämpfe zwischen radikal nationalen, antirussischen Westukrainern und von der russischen Kultur beeinflussten Ostukrainiern, wie sie sich heute in der Ukraine-Krise Bahn brechen. Antons forscht an der Hamburger Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr zur Geschichte Osteuropas.

In Heidenau waren von 1945 bis 1957 ehemalige Zwangsarbeiter und Antikommunisten untergebracht. Die selbstverwalteten Lager waren dabei ein politischer und gesellschaftlicher Mikrokosmos, sie verfügten über Kirche, Zeitung, Schule und ein politisches System. Das Lager in Heidenau, fand Antons heraus, war eine Hochburg radikaler
ukrainischer Nationalisten. Diese vor allem aus der Westukraine stammende Gruppe hätte systematisch versucht, über die Lagerpolitik ihre Vorstellungen von ukrainischer Nationalidentität durchzusetzen.
Das sei sogar soweit gegangen, dass von Heidenau aus versucht wurde, ein vor allem von gemäßigteren Ostukrainern bewohntes Lager bei Hannover zu übernehmen.
Den heutigen Konflikt in der Ukraine versteht der Historiker als Ausprägung eines unvollendeten Nationsbildungsprozesses, in dem analog zu den damaligen Lagergesellschaften Konflikte um nationale Identitäten ausgetragen werden.
Lässt sich damit ein roter Faden von Heidenau bis zu den Demonstrationen auf dem Maidan in Kiew oder gar den Kämpfen in der Ostukraine spannen? „Das ist so sicher zu vereinfacht“, erklärt Antons.
Allerdings sei nicht von der Hand zu weisen, dass einige der Konflikte, die die Machtkämpfe in den DP-Lagern bestimmten, auch in den Auseinandersetzungen zwischen Kiew und Donezk eine Rolle spielen. „Nehmen wir die russische Sprache. Die Nationalisten in Heidenau haben massiv versucht, das Russische zu unterdrücken“, sagt der Geschichtswissenschaftler. Zeitzeugen berichten, dass das nötigenfalls auch mit körperlicher Gewalt durchgesetzt wurde.
„In der heutigen Ukraine brachten die radikalen Nationalisten in der neuen Regierung, gleich nach dem der pro-russische Präsident Wiktor Janukowytsch gestürzt war, einen Gesetzesentwurf zur Abschaffung des Russischen als zweite Amtssprache ein“, so Antons. Sie scheiterten, dennoch habe dieser radikal-nationale Vorstoß für weitere Spannungen gesorgt.
Übrigens: Im Unterschied zur damaligen Lagergesellschaft der DP-Camps, wo die Westukrainer eindeutig das Sagen hatten, seien die Ostukrainer im gegenwärtigen Konflikt deutlich stärker vertreten - auch ohne die Unterstützung aus Russland.
• Über die Zusammenhänge zwischen den DP-Camps und den heutigen Vorgängen der Ukraine referiert Dr. Jan-Hinnerk Antons am Mittwoch, 15. Oktober, 19.30 Uhr auf Einladung der Deutsch-Polnischen Gesellschaft in der Stadtbücherei in Buchholz (Kirchenstr. 6).

Redakteur:

Mitja Schrader

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