Der Herr der Wohnungen
Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, im Interview

Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW | Foto: Nils Hasenau Fotografie
  • Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW
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JOBS und KARRIERE

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ce. Buchholz. Er war Landrat des Landkreises Harburg, Wirtschaftssenator in Hamburg und ist seit 2011 "Herr" über sechs Millionen Wohnungen, die die Mitglieder seines Verbandes verwalten: Axel Gedaschko (62), in Buchholz lebender Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW. Im "Interview der Woche" spricht WOCHENBLATT-Redakteur Christoph Ehlermann mit Gedaschko über die aktuelle Lage der Wohnungswirtschaft und über Auswirkungen neuer Energieverordnungen.
WOCHENBLATT: Herr Gedaschko, wie ist es generell um den Wohnungsmarkt in Deutschland bestellt?
Axel Gedaschko: Das große Problem auf dem Wohnungsmarkt in Deutschland ist, dass zu wenige bezahlbare Wohnungen gebaut werden. 2020 wurden bundesweit von den jährlich benötigten 320.000 neuen Wohnungen zwar 306.000 und damit 96 Prozent des eigentlichen Bedarfs fertiggestellt. Diese auf den ersten Blick positive Zahl darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass viel zu wenige bezahlbare und Sozialwohnungen entstanden sind.

Zu wenig bezahlbare
Sozialwohnungen

Statt der benötigten 140.000 preisgünstigen Wohnungen sind 2020 nur gut 85.000 und damit lediglich 61 Prozent des eigentlichen Bedarfs fertig gestellt worden. Im geförderten sozialen Wohnungsbau wurden sogar nur 38 Prozent der benötigten Wohnungen errichtet. Zudem sinkt die Zahl der preisgebundenen Sozialwohnungen immer weiter. Waren es im Jahr 2002 noch rund 2,6 Mio. Wohnungen mit Preisbindung, verringerte sich ihre Zahl bis zum Jahr 2021 schätzungsweise auf nur noch rund 1,09 Mio.
Dieser Mangel an bezahlbaren Wohnungen und Sozialwohnungen in Deutschlands Ballungsregionen besteht seit Jahren und verschärft sich weiter. Um bezahlbares Wohnen in Deutschland unabhängig vom Geldbeutel für alle Menschen zu ermöglichen, gibt es aber keine einfache Einzellösung. Die neue Bundesregierung muss gemeinsam mit allen Partnern und einem abgestimmten Maßnahmenpaket zügig handeln, um die Situation für viele Wohnungssuchende und Mieter nachhaltig zu verbessern
WOCHENBLATT: Für wen bzw. wo ist die Wohnungsnot derzeit am größten?
Gedaschko: Die Wohnraumnachfrage ist vor allem in den prosperierenden Städten, Ballungsregionen und Universitätsstandorten innerhalb der letzten zehn Jahre nochmals deutlich gestiegen. Zahlreiche Städte profitieren von der lang anhaltenden wirtschaftlichen Expansion und der damit verbundenen Zunahme an Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Viele Menschen zogen in den letzten Jahren berufsbedingt, zur Ausbildung oder zum Studium vor allem in Groß- und Mittelstädte. Die Außenwanderungen besonders aus dem europäischen Ausland haben in diesem Zeitraum erheblich zugelegt. Zusätzlich konzentrierten sich die Binnenwanderungen im letzten Jahrzehnt ebenfalls auf die prosperierenden Städte. Viele junge Menschen haben ländliche Räume oder kleinere Städte verlassen, um in größeren Städten zu arbeiten oder ihre Ausbildung zu beginnen. Dies führt natürlich zu immer knapper werdendem Wohnraum in diesen Gegenden. Insgesamt haben die wachsenden Kreise in Deutschland zwischen 2010 und 2020 rund 3,7 Mio. Einwohner hinzugewonnen. Allein 1,7 Mio. davon entfielen auf die 66 kreisfreien Großstädte. Das entspricht einem Anstieg von 7,3 Prozent. Zum Vergleich: Zwischen den Jahren 2000 und 2010 betrug das Plus der Großstädte lediglich 243.000 Einwohner. Gemessen an ihrer Einwohnerzahl wuchsen insbesondere Leipzig, Potsdam, Offenbach, Frankfurt/Main sowie Darmstadt, Regensburg und Münster kräftig.
In absoluten Zahlen sticht der Zuwachs von Berlin hervor, das zwischen 2010 und 2020 um 371.000 Einwohner zulegte, gefolgt von München und Hamburg. Sehr stark legte die Einwohnerzahl auch im Umland der sieben größten deutschen Städte zu. Spitzenreiter sind die an München angrenzenden Landkreise Landshut, Ebersberg, Dachau, Landkreis München und Freising.
WOCHENBLATT: Inwieweit hat sich Corona auf die von Ihrem Verband vertretenen Wohnungsunternehmen ausgewirkt? Gab es Insolvenzen?
Gedaschko: Die Mietschulden unserer Unternehmen sind 2020 im Zuge der Corona-Krise nur moderat um drei Prozent auf 325 Millionen Euro gestiegen. Die zu Beginn der Krise befürchtete Welle von Mietschulden ist damit ausgeblieben, da die Wohnungsunternehmen ihre Mieter mit individuellen Hilfsvereinbarungen unterstützt haben. Die Auswirkungen der Krise konnten insbesondere auch durch die schnelle Reaktion der Bundesregierung bei der Gewährung von Kurzarbeitergeld und Erleichterungen beim Wohngeld abgemildert werden. So wurde den Wohnungsunternehmen die dringend notwendige Planungssicherheit zugesichert.
Die Grundstücks- und Wohnungswirtschaft, die im Jahr 2021 rund 10,8 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung erzeugte, konnte um ein Prozent zulegen, ähnlich stark wie im Vorkrisenjahr 2019. Lediglich im ersten Corona-Jahr 2020 war sie leicht um 0,5 Prozent gesunken. Im Baugewerbe, in dem die Corona-Pandemie im Jahr 2020 kaum Spuren hinterlassen hatte, ging die Wirtschaftsleistung 2021 leicht zurück. Kapazitätsengpässe bei Personal und Material sowie die damit einhergehende, stark anziehende Baupreisentwicklung schwächten die weitere Entwicklung des Sektors deutlich.
WOCHENBLATT: Kam es durch Corona zu Bauverzögerungen und Mieterhöhungen?
Gedaschko: Corona hat bei vielen Baustoffen zu einigen Lieferengpässen geführt. Diese Materialknappheit hat so zu deutlich gestiegenen Preisen geführt. Vor allem bei Holzprodukten und Dämmstoffen kam es zu Preissteigerungen von bis zu 100 Prozent. Aber auch bei Stahlprodukten und Bitumen wurden deutliche Steigerungen verzeichnet.
Auch der Mangel an Fachpersonal stellt derzeit eine große Herausforderung dar. Dieser ist in erster Linie allerdings keine Folge von Corona, sondern den immer höher gesteckten Zielen für den Klimaschutz und des demografischen Wandels geschuldet. Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigen, dass bis 2030 allein fünf Millionen Fachkräfte in Deutschland fehlen, weil mehr Menschen in den Ruhestand gehen, als neu auf den Arbeitsmarkt kommen. Auf der anderen Seite steigt zeitgleich der Bedarf. Für mehr Klimaschutz im Gebäudebereich werden deutlich mehr qualifizierte Arbeitskräfte benötigt. Oft gibt es in diesen Berufsgruppen bereits jetzt schon Engpässe. Dies kann dazu führen, dass sich die Energiewende weiter hinauszögert und teurer wird. Neben den Zielen der Europäischen Union werden auch die Klimaschutzmaßnahmen der Ampel dazu führen, dass künftig mehr Fachkräfte benötigt werden. Der größte Bedarf besteht gerade im Gebäudesektor. 2018 galt das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 noch nicht. Und schon damals prognostizierte eine Studie des Forschungsinstituts für Wärmeschutz einen zusätzlichen Fachkräftebedarf im Bereich Gebäudehülle von 215.000 Menschen durch die Klimaziele der damaligen Regierung. Seitdem wurden die Klimaziele stark verschärft, was zu einem weit höheren Bedarf geführt hat.
WOCHENBLATT: Wohnungsunternehmen und Genossenschaften wollen Mieter künftig regelmäßig über deren Heizenergie- und Warmwasserverbrauch informieren. Dazu müssen Wohnungen mit Messgeräten umgerüstet werden und die Mieter viel mehr zahlen.
Gedaschko: Die neue Verordnung ist ein Bürokratiemonster der besonderen Art. Denn alle Mieterhaushalte mit modernen, fernablesbaren Heizkostenverteilern und Wasserzählern müssen seit diesem Jahr monatlich und in den allermeisten Fällen per Brief über ihren Heizenergie- und Warmwasserverbrauch informiert werden. Das bedeutet eine Flut an zusätzlicher Post und Porto.

Neue Verordnung ist ein
Bürokratiemonster

Bei Mehrfamilienhäusern in Deutschland entsteht ein enormer bürokratischer Aufwand und es laufen massive Zusatzkosten von bis zu 140 Millionen Euro pro Jahr auf. Mit diesem Geld könnten stattdessen mehr als 4.500 Wohnungen energetisch auf Vordermann gebracht werden. Und dem Klimaschutz wäre doppelt geholfen, wenn das Papier für die zig Millionen Briefe eingespart werden könnte.
WOCHENBLATT: Wo zahlt der Mieter dabei drauf?
Gedaschko: Die Pflicht zum Briefeschreiben verursacht bundesweit Extrakosten von schätzungsweise 30 bis 40 Euro jährlich pro Haushalt. In schwierigen Fällen, bei sogenannten Walk-by- und Drive-by-Ableseverfahren, fallen sogar 60 bis hin zu 90 Euro pro Wohnung an. Die Mehrkosten treffen vor allem diejenigen am härtesten, die ohnehin schon wenig Einkommen haben.
Die EU wollte mit der Verbrauchsinformation etwas durchaus Sinnvolles anschieben, hat dann aber eine komplett verkorkste Umsetzung vorgeschrieben. Resultat: Frust statt Lust auf Klimaschutz.
WOCHENBLATT: Wie bewerten Sie die Wohnungspolitik der Bundesregierung?
Gedaschko: Den Koalitionsvertrag der neuen Regierung und deren Ziele für den Wohnungsbau bewerten wir positiv. Aber wenn 200.000 Wohnungen nun nicht gebaut werden können oder die komplette Planung dafür ohne Vorankündigung über den Haufen geworfen wird, dann kann die Bundesregierung ihr jährliches Wohnungsbauziel schon jetzt halbieren.
Unsere Hoffnung ist nun das Bauministerium. Über die Entscheidung für ein eigenständiges Bauministerium haben wir uns sehr gefreut und hoffen, dass dem Thema Wohnen nun endlich die Bedeutung beigemessen wird, die es als soziale Frage unserer Zeit längst verdient hat.
Was wir in der letzten Woche beobachtet haben, ist jedoch besorgniserregend. Auf der einen Seite steckt die Bundesregierung immer höhere Klimaziele. Und auf der anderen Seite kürzt sie die Förderungen, die für die Umsetzung dieser Ziele dringend notwendig sind. Es ist vor diesem Hintergrund ein Unding, dass das gerade erst entstehende positive "Bau-Klima“ durch das Auslaufenlassen der KfW-55-Förderung zum Februar und großes Hickhack rund um einen plötzlichen Komplett-Förderstopp, eine teilweise Rücknahme – aber bisher ohne jegliches Gesamtkonzept – ernsthaft gefährdet wird. Dieses Vorhaben widerspricht dem Anspruch der neuen Regierung, Verlässlichkeit und die notwendige Planbarkeit für Unternehmen zu gewährleisten. Glücklicherweise ist das Wirtschaftsministerium zumindest teilweise doch wieder zurückgerudert.
WOCHENBLATT: Wie beurteilen Sie die Abschaffung der KfW-Förderung beim Hausbau durch Wirtschaftsminister Robert Habeck? 
Gedaschko: Bundeswirtschaftsminister Habeck hat ja nun verkündet, die Anträge auf die KfW-Bauförderung jetzt doch bearbeiten zu lassen. Dabei dürfen wir allerdings nicht vergesse, dass es bei all dem um Planungssicherheit ging, die eigentlich selbstverständlich sein sollte. Die Bürger hatten sich schließlich darauf verlassen, dass sie bis zum 31. Januar Geld beantragen können – und dieses bei Erfüllung der Voraussetzungen auch bekommen. Das gilt jetzt immerhin für die Antragsteller wieder, die es bis zum 24. Januar geschafft haben.
Die ganze Sache war aus kommunikativer Sicht ein absolutes Fiasko. Nach Bekanntgabe des Förderstopps hörte man aus einer Ecke, dass weitere Förderungen nicht mehr notwendig seien, während andere meinten, dass kein Geld mehr vorhanden sei. Das Ministerium ist allerdings erst zurückgerudert, als der öffentliche Druck immer weiter zunahm.

KfW-Förderstopp war
kommunikatives Fiasko

Nun soll die Förderung weitergehen. Allerdings – laut Habeck – gedeckelt auf eine Milliarde Euro. Nun werden alle, die bisher auf EH55 geplant haben, auf EH40 wechseln. Da kann ich mir kaum vorstellen, dass diese Mittel jemals ausreichen würden.
Wenn ohne Förderung gebaut wird, wird auch die Miete teurer. Und zwar um 1,53 pro Quadratmeter. Das geht nicht nur am Markt vorbei, sondern auch an den Vorhaben der Unternehmen, die nachhaltiger und zukunftsfähiger bauen wollen. Die Milliarde wird so schnell aufgebrauch sein, dass wir schon bald vor demselben Problem stehen wie jetzt.
WOCHENBLATT: Inwieweit ist auf dem Wohnungsmarkt eine Stadt-Land-Flucht zu erkennen?
Gedaschko: In den vergangenen 30 Jahren hat es immer wieder einen Richtungswechsel der Binnenwanderungen zwischen der Stadt und dem Land gegeben. Während der ländliche Raum bereits in den 1990er Jahren - im Zuge des enormen Anstieges des Wohnungsneubaus im Zuge der damaligen Sonder-Abschreibung - einen starken Schub erfahren hat, waren es in den weiteren Jahren ab 2000 vor allem die Städte, die von Zuzügen aus dem ländlichen Raum profitiert haben und einen positiven Wanderungssaldo aufwiesen.
Die Wanderungen zwischen Stadt und Land werden sowohl von Push-Faktoren in den Herkunftsgebieten als auch Pull-Faktoren in den Zielgebieten bestimmt.
WOCHENBLATT: Was ist unter diesen Faktoren zu verstehen?
Gedaschko: Beispielsweise wird der Einfluss der Distanz zwischen Wohnen und Arbeiten durch das mobile Arbeiten deutlich reduziert und verändert damit die Wohnstandortpräferenzen der Bewohner. Der Trend der Stadt-Land-Wanderung ist durch Corona zwar verstärkt und auch in den Medien in den letzten Jahren präsenter geworden. Blickt man auf die Nettowanderungen der vergangenen Jahre, so wird jedoch deutlich, dass dieser Trend bereits seit der Finanzkrise 2008 eingesetzt und sich seither immer weiter verstetigt hat.
WOCHENBLATT: Herr Gedaschko, vielen Dank für das Gespräch.

Böse Überraschung für Bauherren
Redakteur:

Christoph Ehlermann aus Salzhausen

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