Buchholz: Flüchtlinge im Stadtzentrum?
Auf der Jordan-Fläche sollen drei Gebäude in Festbauweise für 150 Bewohner entstehen
os. Buchholz. Buchholz‘ Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse ahnt, dass dieses Neubauprojekt „nicht ohne“ ist: Mitten in der Buchholzer Innenstadt, auf der sogenannten Jordan-Fläche, soll eine Unterkunft für 150 anerkannte Flüchtlinge entstehen. Auf dem rund 2.200 Quadratmeter großen Grundstück will ein privater Investor aus Hamburg demnach drei Baukörper in Festbauweise mit insgesamt 24 Wohneinheiten errichten.
Im Planungsausschuss am vergangenen Mittwoch wurde das Thema als Einvernehmensfall vorgestellt. In einer extra eingeschobenen Sitzung des Finanzausschusses sollen die Lokalpolitiker am morgigen Donnerstag, 11. Februar, über das Thema diskutieren. Der Verwaltungsausschuss tagt direkt im Anschluss, der Rat beschließt am kommenden Dienstag, 16. Februar (19 Uhr, Rathauskantine) abschließend über den Kaufvertrag zwischen der Stadt als Grundstückseigentümer und dem Investor. Erst nach der Ratssitzung sollen die Anwohner an der Steinstraße über das Neubauprojekt detailliert informiert werden.
Der Plan: Ein privater Investor aus Hamburg erwirbt das rund 2.200 Quadratmeter große Areal und baut dort die Unterkunft. Diese wird für zehn Jahre an den Landkreis Harburg vermietet, mit einer Option zur Verlängerung des Mietvertrages um fünf Jahre. Nimmt der Landkreis Harburg diese Option nicht wahr, soll die Stadt die Gebäude für fünf Jahre mieten können. Nach dem Vertragsende mit dem Landkreis sollen die 24 Wohnungen frei vermietbar sein, in den ersten 20 Jahren aber nur als geförderter Wohnraum. Erst nach 30 Jahren dürfen die Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden.
„Wir hatten intern überlegt, ob wir die Jordanfläche für eine Containeranlage zur Verfügung stellen“, berichtet Jan-Hendrik Röhse. Diese Idee habe man verworfen. Stattdessen kam der Investor über den Landkreis Harburg auf die Stadt zu, dessen Pläne immer weiter verfeinert wurden. Eine öffentliche Ausschreibung für das Sahne-Grundstück mitten im Buchholzer Zentrum gab es nicht. Man bekomme eine Kaufsumme, die über dem Bodenrichtwert liegt, betont Röhse. Zudem gebe es in dem Neubau die erhoffte soziale Bindung.
In der Politik wird das Neubauprojekt überwiegend positiv aufgenommen. „Ich halte das für eine pragmatische Lösung“, sagt FDP-Fraktionsvorsitzender Arno Reglitzky. Gerade an dieser Stelle im Zentrum fördere man die Integration von Flüchtlingen, betont Grünen-Fraktionschef Joachim Zinnecker.
KOMMENTAR
Ist das der neue Stil in den Rathäusern? Wichtige Neubauprojekte werden lange hinter den Kulissen besprochen und erst im letzten Moment in die Öffentlichkeit gebracht. Das war beim Schweinemaststall in Buchholz-Meilsen so, zuletzt beim Wohnungsprojekt für jugendliche Flüchtlinge in Itzenbüttel und jetzt beim geplanten Neubau für anerkannte Flüchtlinge im Buchholzer Stadtzentrum. Ich halte die Entwicklung für gefährlich, denn sie fördert die Verdrossenheit gegenüber Politik und Verwaltung. Das kann niemand wollen.
Die Bürger haben ein Recht auf maximale Transparenz, und die ist beim Jordan-Projekt nicht gegeben. Erst den Kaufvertrag zu verhandeln und dann die Anwohner nachträglich zu informieren, ist für mich die falsche Reihenfolge. Ein Neubauprojekt dieser Tragweite gehört zeitig in die Öffentlichkeit, auch um falsche Ängste gar nicht erst aufkommen zu lassen. Schon wird in der Nachbarschaft über die Gefahr von 150 einzelstehenden, jungen, potenten Männern philosophiert, die den Rathauspark in Beschlag nehmen werden und ein Passieren von Einheimischen unmöglich machen. Solche Ängste entstehen, wenn man nicht vernünftig informiert (ist). Die Bürgerinformation soll folgen - und zwar „wahrscheinlich noch in der letzten Februar-Woche“, heißt es aus dem Rathaus. Das ist deutlich zu spät!
Einige wichtige Fragen bleiben zudem offen. Hätte die Stadt mehr Geld für den Verkauf des Grundstücks in bester Lage als die im Raum stehenden 1,25 Millionen Euro bekommen können, wenn sie das Projekt öffentlich ausgeschrieben und Investoren zu einer sozialen Nutzung angehalten hätte? Warum schreibt die Stadt diesen Neubau nicht aus, erwägt es aber bei potenziellen Neubaugebieten? Warum übernimmt die Stadt die Kosten für den Ausbau des Regenwasser- und Schmutzkanals in Höhe von insgesamt 220.000 Euro aus eigener Tasche, sprich Steuergeld? Warum sollen die Anwohner später einen Teil der Investitionskosten über den erstmaligen Ausbau der Steinstraße zurückzahlen und werden damit de facto doppelt zur Kasse gebeten?
Diesen Fragen müssen sich Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse und die Parteien im Buchholzer Stadtrat stellen. Sie sind gewählt, um dem Bürger als Souverän in einer Demokratie zu dienen und seine Interessen zumindest zu berücksichtigen. Das ist beim Jordan-Projekt nur mangelhaft geschehen. Oliver Sander
Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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