Frust trotz guter Integration

Rolf Schekerka (li.) hat Marenglen Pisha im Tierheim eingestellt
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Asylbewerber Marenglen Pisha (24) hat einen gültigen Arbeitsvertrag, dennoch droht die Abschiebung

os. Buchholz. „Wir brauchen mehr Flüchtlinge, die für unseren Arbeitsmarkt qualifiziert werden!“ Das sagte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) Ende Juni bei seinem Besuch in einer Flüchtlingsunterkunft in Buchholz. Wirklich? Der Fall von Marenglen Pisha (24) führt Maas‘ Forderung ad absurdum. Der Asylbewerber aus Albanien wohnt in just der Unterkunft, die Maas besuchte, ist bereits für den Arbeitsmarkt qualifiziert, besitzt einen unbefristeten Arbeitsvertrag im Tierheim Buchholz - und muss trotzdem täglich damit rechnen, nach Albanien abgeschoben zu werden. Grund: Die Bundesregierung hat Albanien als sicheres Herkunftsland klassifiziert.
Auf der Suche nach einem besseren Leben kam Marenglen Pisha vor etwas über zwei Jahren nach Deutschland und bezog ein Zimmer in einem Containerdorf. Nach rund einem Dreiviertel Jahr in seiner neuen Heimat begann er ein Praktikum im Tierheim Buchholz. Als „Mädchen für alles“ - er betreut den Hundeplatz, mäht Rasen, geht mit den Hunden Gassi, verrichtet sämtliche Hausmeistertätigkeiten sowie Reinigungsdienste - überzeugte der Albaner die Mitarbeiterinnen des Tierheims und Rolf Schekerka, den Vorsitzenden des Tierschutzvereins Buchholz, der das Tierheim ehrenamtlich betreut. Im April dieses Jahres erhielt Marenglen Pisha einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Die gleichzeitig beantragte Arbeitserlaubnis bewilligte die Ausländerbehörde des Landkreises Harburg nach rund elf (!) Wochen. Knackpunkt: Die Arbeitserlaubnis wurde nur bis zum 27. November ausgestellt. Hintergrund: Der Asylantrag von Marenglen Pisha wurde mit Hinweis auf dessen Herkunftsland Albanien abgelehnt. Dagegen legte Pishas Anwalt Einspruch ein, das Ergebnis der zweiten Anhörung steht noch aus. Trotz gültigen Arbeitsvertrags schweben Marenglen Pisha und sein Arbeitgeber im luftleeren Raum - der Albaner kann jederzeit abgeschoben werden. Trotz der unsicheren Lage verrichtet Marenglen Pisha zuverlässig seinen Job und verbessert auch an seinen freien Tagen sein Deutsch. „Die Situation zehrt an den Nerven aller Beteiligten“, sagt Pisha.
Er fahre derzeit an vielen Wahlplakaten vorbei, auf denen für eine bessere Integration geworben wird, erklärt Arbeitgeber Schekerka. Zitat: „Wir machen hier Integration in Reinkultur, bilden einen zuverlässigen Flüchtling aus, der nicht vom Staat lebt, sondern seine Beiträge zahlt - und trotzdem werden uns nur Knüppel zwischen die Beine geworfen. So entsteht bei allen Beteiligten großer Frust“, kritisiert Schekerka. „Mich kotzt dieses Verhalten des Staates dermaßen an!“
Er hat einen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben. „Was haben wir falsch gemacht? Warum nutzt unser Land nicht das Wissen und die Urteilskraft seiner Bürger an der Basis? Wie sollen wir Zukunft planen und Entscheidungen treffen ohne Sicherheit?“, fragt er darin. Lapidare Antwort aus dem Bundeskanzleramt: „Die Bundeskanzlerin hat (entgegen einer weit verbreiteten Auffassung) nicht die Befugnis und auch nicht die Aufgabe, in die Sachentscheidungen deutscher Behörden, wie hier etwa des BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, d. Red.), auf Zuruf steuernd einzugreifen.“ „Was soll ich mit dieser Antwort anfangen?“, fragt Schekerka. Er brauche die Arbeitskraft von Marenglen Pisha jetzt und auch in Zukunft, es sei ihm völlig egal, ob dieser ein anerkannter Asylbewerber ist oder nicht.

KOMMENTAR

So erstickt die Regierung jedes Engagement

Ich kann den Frust von Rolf Schekerka gut nachvollziehen. Als Arbeitgeber macht er genau das, wozu die Bundesregierung Anfang dieses Jahres in einer Werbekampagne die Unternehmer aufforderte: Gebt Flüchtlingen eine Chance in eurem Unternehmen, bildet sie aus und macht sie fit für den Arbeitsmarkt. Schekerka gibt dem Asylbewerber Marenglen Pisha eine Chance, weil dieser fleißig ist und schlichtweg gut seine Arbeit verrichtet. Trotzdem gibt es keine Sicherheit für Schekerka und Pisha - weil Albanien als sicheres Herkunftsland klassifiziert wurde.
Die Schlussfolgerung der Bundesregierung, alle Menschen aus sicheren Herkunftsländern per se zurückzuschicken, halte ich für den Kardinalfehler. Der Einzelfall muss betrachtet werden. Natürlich ist das mit viel Arbeit verbunden. Ich bin mir sicher: Diese lohnt sich.
Es gibt Asylbewerber, die sich nicht integrieren wollen. Diese zurückzuschicken, ist richtig. Es gibt aber auch Menschen wie Marenglen Pisha, die hier arbeiten wollen, die schnell Deutsch lernen und ihren Beitrag zu einem friedlichen Miteinander leisten.
Denen gebührt eine Chance, hierzubleiben und die Wirtschaft zu stärken.
Zynisch ist der Hinweis, den Marenglen Pisha erhielt, er könne ja in Albanien bei der deutschen Botschaft einen Antrag auf ein Arbeitsvisum für Deutschland stellen. Die Arbeitskraft von Pisha ist in Deutschland gefragt, aber nur auf dem behördlich vorgeschriebenen Weg und nicht als abgelehnter Asylbewerber? Das kann es nicht sein.
Die Parteien stellen derzeit ihre Kandidaten für die Bundestagswahl im kommenden Jahr auf. Sie sollten zeitig in das Parteiprogramm einsteigen. Ein wichtiger Punkt: die Reform des Asylgesetzes. Ich schlage vor, dass auch Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern eine Weile hierbleiben dürfen, wenn sie einen sicheren Arbeitsplatz haben und sich nichts zuschulden kommen lassen. Ob das zwei, drei oder vier Jahre sind, ist mir egal.
Nur so wie jetzt darf es nicht bleiben: Welcher Arbeitgeber gibt unter den jetzigen Voraussetzungen Flüchtlingen eine Chance, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen? Keiner! Es droht eine Parallelgesellschaft von
Frustrierten und/oder Schwarzarbeitern mit allen negativen
Folgen. Das können Bundesregierung und Bundespolitiker nicht wollen! Oliver Sander

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Redakteur:

Oliver Sander aus Buchholz

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