Generalstaatsanwaltschaft Celle fordert "maximale Aufklärung"
Todesschuss auf Flüchtling: Es wird weiter ermittelt

Der Tod von Aman Alizada ist nach Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft Celle noch nicht ausreichend ermittelt worden | Foto: Archiv/jab
  • Der Tod von Aman Alizada ist nach Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft Celle noch nicht ausreichend ermittelt worden
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tk. Stade. Die juristische Aufarbeitung des Todes von Aman Alizada ist noch nicht beendet. Der 19-jährige Flüchtling wurde am 17. August 2019 durch Schüsse aus der Dienstwaffe eines Polizeibeamten getötet. Die Generalstaatsanwaltschaft Celle hat jetzt verfügt, dass die Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Stade fortgesetzt werden. Im Juristendeutsch heißt das: "dem Verfahren Fortgang zu geben". Für die Staatsanwaltschaft Stade war der Todesschuss laut ihrem Sprecher Oberstaatsanwalt Kai Thomas Breas "glasklare Notwehr". Das Verfahren wurde daher ohne Anklageerhebung eingestellt. Dem hatte der Hamburger Strafverteidiger Thomas Bliwier im Namen des Bruders des Getöteten widersprochen und die Wiederaufnahme der Ermittlungen mit dem Ziel der Anklageerhebung gefordert.

"Es geht bei einem Tötungsdelikt um die maximale Aufklärung", sagt Oberstaatsanwalt Bernd Kolkmeier, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Celle. Zum Kerngeschehen, also dem Moment unmittelbar vor den Schüssen, gebe es nach Ansicht der Celler Juristen noch offene Fragen. Im Mittelpunkt stehe dabei die Frage, ob Aman Ali-zada tatsächlich drohend und mit einer Hantelstange aus Metall auf den Beamten zugegangen sei, der letztendlich geschossen habe, erklärt Kolkmeier.

Randaspekte des gesamten Polizeieinsatzes, die etwa vom Strafverteidiger Bliwier in seiner Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens detailliert beschrieben worden waren, seien dagegen nicht mehr von Belang. "Kann man Notwehr ausschließen oder bejahen", sei laut Kolkmeier die Frage, die noch einmal tiefergehend überprüft werden müsse. "Wir wollen nichts offenlassen", sagt der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Celle.

Die Fortführung der Ermittlung kann zum selben Ergebnis - also Notwehr - oder aber zu einer anderen Bewertung führen. Das würde dann bedeuten, dass die Ermittlungsbehörde Anklage wegen Totschlags gegen den Polizeibeamten erheben würde. Oberstaatsanwalt Dr. Burkhard Vonnahme, kommissarischer Leiter der Staatsanwaltschaft Stade, geht von einer zügigen Bearbeitung aus. Innerhalb von sechs Wochen könnten Ergebnisse vorliegen. Weil die Anwälte, neben Thomas Bliwier ist auch der Anwalt des betroffenen Polizisten mit dabei, noch Eingaben zu den neuen Ergebnissen der Staatsanwaltschaft machen könnten, könnte sich das Verfahren aber noch länger hinziehen, so Vonnahme.

Notwehr
oder nicht?

Wenn die Staatsanwaltschaft Stade erneut zu dem Ergebnis kommt, dass der Polizeibeamte in Notwehr gehandelt hat und keine Anklage erhoben wird, könnte Strafverteidiger Bliwier - wie beim ersten Mal - dagegen erneut Widerspruch einlegen. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass die juristische Aufarbeitung des Todesschusses noch länger andauern könnte.

"Richtige Fakten,
falsches Ergebnis"

Für Thomas Bliwier stellt sich angesichts der Entscheidung aus Celle grundsätzlich die Frage: "Was soll eigentlich noch ermittelt werden?" Die Fakten seien da, "es ist nur das falsche Ergebnis herausgekommen", sagt er über die Entscheidung, das Verfahren einzustellen. Was den Strafverteidiger aber optimistisch stimmt, ist die Tatsache, dass der Fortgang der Ermittlungen bedeute, dass die Generalstaatsanwaltschaft Notwehr "nicht unbedingt als gegeben ansieht". 

Dass erneut die Staatsanwaltschaft Stade die Ermittlungen führt, die nach Abschluss der Untersuchung und zum zweiten Mal nach der Beschwerde von Thomas Bliwier, auf Notwehr erkannte, stellt nach Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft kein Problem da. Bernd Kolkmeier: "Ich habe keinen Zweifel, dass die Staatsanwaltschaft Stade objektiv ermittelt." Das wird in der Hamburger Kanzlei von Thomas Bliwier anders gesehen. Dort werde geprüft, ob es durchsetzbar wäre, dass eine andere Staatsanwaltschaft die Arbeit der Stader Ermittler fortführt. "Einen juristischen Anspruch darauf gibt es nicht", sagt Bliwier, der ein solches Ansinnen "höchst komplex" nennt. Zum Vergleich: Die polizeilichen Ermittlungen wurden von der Polizeiin-spektion Cuxhaven geführt, weil der betroffene Beamte aus Stade kam.

Gegen die bisherigen Ergebnisse der Ermittlungen sind sowohl am gestrigen Freitag als auch am heutigen Samstag Demonstranten in Stade während unterschiedlicher Demos auf die Straße gegangen. Mehr dazu in der WOCHENBLATT-Mittwochsausgabe.

Redakteur:

Tom Kreib aus Buxtehude

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