Die Infektionsspirale gemeinsam unterbrechen
Der Frauenarzt Carsten Stinstof-Hinselmann aus Hanstedt zur Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus

Carsten O. Stinshoff-Hinselmann  | Foto: archiv/mum
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Gehören Schwangere in der aktuellen Corona-Krise zur Risikogruppe? Wie groß ist allgemein das Risiko, sich mit dem Virus zu infizieren und wie können wir dieses reduzieren? Dazu hat das WOCHENBLATT den Hanstedter Gynäkologen Carsten O. Stinshoff-Hinselmann befragt.
WOCHENBLATT: Herr Stins-hoff-Hinselmann, als Gynäkologe betreuen Sie schwangere Frauen. Wie ist die aktuelle Lage?
Stinshoff-Hinselmann: Die Verunsicherung bei Schwangeren ist groß. In den sozialen Medien kursieren Informationen, dass es zu besonders schweren Verläufen von Schwangeren kommen soll, die ungeborenen Kinder in großer Gefahr sind. All diese Informationen sind falsch! Fakt ist: Schwangere haben nach dem jetzigen Stand der Wissenschaft, basierend auf den gegenwärtig geringen dokumentierten Fallzahlen, kein höheres Risiko, sich zu infizieren oder schwerer zu erkranken als andere.
Für Schwangere kein
Grund zur Besorgnis
Der Übergang des Virus auf den Fetus ist ebenso unwahrscheinlich, was Untersuchungen von Neugeborenen positiv getesteter Schwangerer belegen. Es besteht somit kein Grund zur Besorgnis.
WOCHENBLATT: Die gegenwärtige allgemeine Lage, Schließungen von öffentlichen Gebäuden, Absagen von Großveranstaltungen, Schulen und Kindergärten tragen zur Verunsicherung bei.
Stinshoff-Hinselmann: Ja, insbesondere deswegen, weil der Grund für diese Maßnahmen bisher noch zu wenig kommuniziert wurde. Es geht nicht darum, das Individuum zu schützen, sondern vielmehr die gesamte Gesellschaft, indem die Rate von Neuinfektion möglichst reduziert wird.
WOCHENBLATT: Weil der Virus gefährlich ist?
Stinshoff-Hinselmann: Nein, nicht grundsätzlich! Die Senkung der Zahlen von Neuinfektionen ist deswegen notwendig, weil für einige „Risikopatienten“ eine Infektion gefährlich sein kann. Weltweit haben wir ebenso viele dokumentierte Corinavirus-Infizierte wie in Deutschland an der saisonalen Grippe Erkrankte, nämlich rund 160.000. In Deutschland konnten die Behörden rund 7.000 mit dem Coronavirus Infizierte testen, davon 1.500 in Heinsberg. Da die getesteten Menschen in der Regel auch Symptome haben und aus Risikogegenden stammen oder kamen, ist die Dunkelziffer sicherlich deutlich höher. Diese Menschen haben nur sehr milde Symptome und suchen keinen Arzt auf. Schätzungen zufolge leben zum jetzigen Zeitpunkt ca. 15.000 Menschen, die mit dem neuartigen Coronavirus infiziert sind. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) sind in Niedersachsen 3,4 Personen von 100.000 Einwohnern erkrankt, in Hamburg 13,9 (Stand 17. März, Anm.d.Red.). In Großstädten ist die Infektionsrate höher, als in ländlichen Kreisen. Aktuell liegt die Zahl an Todesfällen bei zwölf. Bei einer gleichbleibenden Bezugsgröße von 100.000 Menschen sind dies rund 0,6 von 100.000 Erkrankten. Bei allen Todesfällen handelt es sich um Personen über 65 Jahre, wobei diese entweder Vorerkrankungen hatten oder älter als 75 Jahre alt waren.
Schutz einer Minderheit
durch die Mehrheit
Medizinisch gesehen ist der neuartige Coronavirus kein wirkliches Problem. Die Pandemie ist letztlich eine gesellschaftliche Herausforderung, weil es um den Schutz weniger durch die Mehrheit der Gesellschaft geht. Jeder einzelne wird von der Politik aufgefordert, seine Verantwortung für die Schwachen und Kranken in dieser Gesellschaft zu übernehmen.
WOCHENBLATT: Was raten Sie denn schwangeren Frauen?
Stinshoff-Hinselmann: Ich rate Schwangeren genau das selbe, was ich den nicht schwangeren Patientinnen rate: Übernehmen Sie Verantwortung für die Gesellschaft und nehmen Sie die Ratschläge des RKI und die Forderungen der Politik ernst. Bleiben Sie, wann immer es möglich ist, zu Hause. Aber verfallen Sie nicht in Panik, denn die Wahrscheinlichkeit an der Infektion schwer, also beatmungspflichtig zu erkranken, ist sehr gering und hat mit "schwanger" oder "nicht schwanger" nichts zu tun - so die aktuelle Statistik.
WOCHENBLATT: Sollen Schwangere zur Arbeit gehen?
Stinshoff-Hinselmann: Auch dies sollte überlegt werden. Wie gesagt, die Reduktion der Außenkontakte ist zur Ausbremsung der Infektionsgeschwindigkeit die einzige probate Methode. Eine prophylaktische Herausnahme aus dem Job ist nicht notwendig, wenn das Infektionspotential nicht erhöht ist. Ist es erhöht, wie z.B. bei einer Krankenschwester auf einer Intensivstation, sollten Schwangere vom Arbeitgeber, der hier in der Verantwortung ist (MuSchG), ein Beschäftigungsverbot erteilen. Dies ist aber nicht Aufgabe des Gynäkologen, der den Arbeitsplatz nicht kennt.
Die Notwendigkeit der
persönlichen Quarantäne
Im übrigen scheint es sich etabliert zu haben, über die sozialen Medien Kindergruppenbetreuung zu organisieren, seit Kindergärten oder Schulen geschlossen sind. Dies ist in dieser Situation vollkommen falsch. Es geht um die Notwendigkeit der „persönlichen Quarantäne“. Eltern sollten also mit ihren Kindern zu Hause bleiben. Sonst haben die Maßnahmen keinen Sinn. Und wir werden dann erleben, dass der Staat zu ganz gravierenden Maßnahmen greifen wird wie Notstandsverordnungen. Das wird unumgänglich sein, wenn wir uns nicht strikt da-ran halten, Außenkontakte zu meiden und alle zusammen die Infektionsspirale zu unterbrechen. Sonst haben wir italienische und österreichische Zustände, dann geht gar nichts mehr.
WOCHENBLATT: Aber der Verlust des Arbeitsplatzes liegt wie ein Damoklesschwert über dieser Forderung.
Stinshoff-Hinselmann: Das ist eine politische Herausforderung, mit der in Berlin und den Landtagen und Kommunen umgegangen werden muss und wird. Wir sehen in dieser Krise zwei Dinge: Wir sind in dieser globalisierten Welt nicht auf solche Situationen vorbereitet und wir müssen wieder lernen, ohne Konsum innerhalb der Familie zu agieren.
Wieder ohne Hilfe um
eigene Kinder kümmern
Ich kenne so viele Eltern, die schon jetzt sagen, sie hielten es mit ihren Kindern zu Hause nicht aus. Wir haben verlernt, uns um unsere Kinder ohne fremde Hilfe zu kümmern. Das ist ein Desaster!
WOCHENBLATT: Was sagen Sie zu der Überforderung des Gesundheitssektors?
Stinshoff-Hinselmann: Auch darum geht es bei den politisch initiierten Maßnahmen. Die Politik versucht, eine große Anzahl gleichzeitig auftretender schwerer Verläufe der Infektion zu verhindern, da sonst wie z.B. in Italien die Beatmungsplätze rar werden und sogenannte "Triagen" durchgeführt werden müssen. Dann entsteht die Frage nach „Wer bleibt am Leben und wer muss sterben“. Das ist die Folge der Überforderung des Gesundheitssystems, die wir vermeiden müssen.
Hier geht es auch um Hamsterkäufe. Kaum jemanden ist bewusst, dass Hamsterkäufe der Gesellschaft schaden und insbesondere dem Gesundheitssektor. Fehlen Desinfektionsmittel, können Arztpraxen und Krankenhäuser keine Patienten versorgen. Fehlt Toilettenpapier, kann aus den gleichen Gründen, nämlich der mangelnden Hygiene, keine Arztpraxis geöffnet sein. Im übrigen halte ich es für ganz wichtig, dass nicht nur von Entscheidern, Politikern und den sie beratenden Virologen die Gefährlichkeit der Infektion benannt wird, sondern den Menschen vor allem Hoffnung auf baldige Besserung prophezeit wird. Das ist eine Frage der Psychologie. Wenn wir die und die Maßnahme jetzt ergreifen, werden wir die Situation gemeinsam bald überstanden haben. Und ich vermisse die Transparenz, um was es in dieser Krise geht: die gemeinsame gesellschaftliche Verantwortung. Hier sehe ich aber auch die Medien in der Verantwortung.

104-Jähriger überlebt zwei Weltkriege und bietet jetzt Corona die Stirn
Redakteur:

Nicola Dultz aus Buxtehude

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