Als am 24. Februar der Ukraine-Krieg mit der Invasion der russischen Streitkräfte begann, ahnten Andrés Balhorn und Marion Bressler aus Hollenstedt noch nicht, wie sehr das Geschehen in Osteuropa auch sie betreffen würde. Balhorn und Bressler betreiben in Hollenstedt die "Powervoice-Akademie", eine Gesangsschule, die sich auf die Aus- und Weiterbildung von Nachwuchssängern spezialisiert hat.

Gemeinsam mit dem Influencer "SchalkesOpa", der auf TikTok über 80.000 Follower hat, komponierte Balhorn Anfang März den Song "Kriegskind". Der Song wurde sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache aufgenommen und steht unter www.powervoice.de zum Download bereit. Über die Homepage werden auch Spenden gesammelt, die geflüchteten ukrainischen Familien im Landkreis Harburg zugutekommen. Mehr als 1.000 Euro an Spenden sind bereits zusammen gekommen. In der deutschen Version stand die elfjährige Carlotta vor dem Mikrofon, in der englischen Version lieh die 13-jährige Angelina dem "Kriegskind" ihre Stimme.

Kurz nachdem der Song online war, entschieden sich Balhorn und Bressler dazu, in ihrem Haus eine Familie aus der Ukraine aufzunehmen. Über eine Hollenstedter Initiative, die bereits vorher zahlreiche Frauen und Kinder von der Grenze abgeholt und im Landkreis Harburg untergebracht hatte, wurde der Kontakt mit einer Mutter und ihren sechs und elf Jahre alten Kindern hergestellt. Die drei bewohnten in der Folge die obere Etage des Hauses, die normalerweise von den Auszubildenden der Gesangsakademie genutzt wird.

Bereits am ersten Abend erlebten die Gäste aus der Ukraine, in was für einem musikalischen Haushalt sie aufgenommen worden waren. Die "Powervoice-Akademie" befand sich während dieser Tage mitten in einer Weiterbildung und für jenen Abend war ein Konzert im kleinen Rahmen eingeplant, bei dem die drei ukrainischen Gäste hautnah dabei sein durften. Auch in den kommenden Tagen unternahmen Balhorn und Bressler mit ihren Mitbewohnern auf Zeit zahlreiche Aktivitäten und sie wuchsen immer enger zusammen. Eine längerfristige Unterbringung in Hollenstedt war allerdings nicht möglich, es wurde also so schnell wie möglich nach einer eigenen Wohnung gesucht, die schließlich in Appel gefunden wurde.

Auf dem großen Grundstück und dem angrenzenden Spielplatz können sich die Kinder jetzt vom Schrecken des Krieges und den Strapazen der Flucht erholen. "Den Kontakt zur Familie werden wir natürlich nicht abreißen lassen", erklären Balhorn und Bressler. "Wir hoffen, dass sie bald wieder ihren Vater und großen Bruder in die Arme schließen können." Da beide im wehrfähigen Alter sind, befinden sie sich derzeit noch im Kriegsgebiet, um das Land zu verteidigen.