Das ist teurer Tüddelkram - Landkreis schafft hauptamtliche Stelle für Plattdeutsch-Koordinator

Stiftungsratsvorsitzender und Kreistagspolitiker Klaus-Wilfried Kienert (SPD) hat gut lachen: Der Kreis finanziert dem Kiekeberg-Museum einen Plattdeutsch-Koordinator | Foto: bim
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mi. Landkreis. Was für ein "Tüddelkram"! Obwohl die Tagesordnung des Kreistags des Landkreises Harburg pickepackevoll mit wichtigen Themen war, u.a. ging es um Schulsanierungen im zweistelligen Millionenbereich, das Dauersorgenkind Buchholzer Ortsumfahrung und mal wieder um das Regionale Raumordnungsprogramm, beschäftigten sich die Kreistagsmitglieder in einer ausführlichen Diskussion damit, ob der Landkreis Harburg einen hauptamtlichen Plattdeutschbeauftragten einstellen soll. Dass es dafür zum Schluss auch noch eine Mehrheit gab, ist symbolisch für eine Kreispolitik, die den Landkreis immer tiefer in die roten Zahlen führt.
Der britische Historiker Cyril Northcote Parkinson hat es in einem seiner heute leider viel zu wenig beachteten Parkinsonschen Gesetze zum Handeln von Politik und Verwaltung auf den Punkt gebracht. Dort heißt es: "Die auf einen Tagesordnungspunkt verwendete Zeit ist umgekehrt proportional zu den jeweiligen Kosten." Der Kreistag bestätigt das mit seiner langen Debatte um den hauptamtlichen Plattdeutschkoordinator. Bei einer Sitzung, die letztlich fast sechs Stunden dauerte, hätte dieses Thema von der Tagesordnung gestrichen werden müssen - mit Blick auf den Haushalt am besten komplett. Denn die Kosten sind nur auf den ersten Blick gering.
Die Vorgeschichte: Nachdem der langjährige ehrenamtliche Plattdeutschbeauftragte des Kreises, Herbert Timm, sein Amt zur Verfügung gestellt hatte, wurde in der Kreis-CDU lanciert, die Stelle hauptamtlich zu besetzen und an den Kiekeberg anzubinden. Offensiv wurde das vom Kiekeberg-Fördervereinschef und damaligen stellvertretenden Landrat, dem CDU-Landtagsabgeordneten Heiner Schönecke, an seine Partei herangetragen. Die Idee stieß allerdings bei der für eine Kreistagsmehrheit wichtigen SPD zunächst auf verhaltene Resonanz. Mit Blick auf die schon damals angespannte Haushaltslage scheute man die Schaffung einer weiteren Stelle. Dieser Widerstand ist jetzt offenbar gebrochen. Satte 36.700 Euro pro Jahr soll die Pflege des Plattdeutschen kosten. Viel Geld bei einem prognostizierten Schuldenstand von über 200 Millionen Euro im Dezember 2018 und einem Sanierungsstau von rund 100 Millionen allein an den Landkreis-Schulen. Damit die Kritiker in der SPD und nicht zuletzt der Bürger diese fette Kröte dennoch ohne zu murren schlucken, hat man in der Kreisverwaltung in Kooperation mit dem Freilichtmuseum am Kiekeberg ein durchaus kreatives Finanzierungskonzept für die Halbtagsstelle ausbaldowert. Denn von den 36.700 Euro belasten nach offizieller Sprachregelung nur 13.500 Euro den Haushalt. Wie das? Ganz einfach: Der größte Batzen, die Personalkosten von 22.000 Euro, werden auf Förderverein und Landkreis verteilt: Der Landkreis übernimmt demnach 12.000 Euro, der Förderverein 10.000. Interessant wird es bei der restlichen Summe: Die fehlenden 14.700 Euro übernimmt bis auf 1.500 Euro nämlich die Stiftung des Kiekeberg-Museums. Moment mal, steckt nicht der Kreis in eben jene Stiftung jedes Haushaltsjahr siebenstellige Zuschüsse? Kritiker wie Grünen-Kreistagsmitglied Ruth Alpers nennen das Ganze deswegen auch ein "Linke-Tasche-Rechte-Tasche-Prinzip". Doch warum braucht es überhaupt eine hauptamtliche Stelle? Schließlich lassen sich im Kreisgebiet andere wichtige Bereiche wie der Naturschutz und sogar Brandschutz ehrenamtlich händeln. Hierzu sagt Ruth Alpers: "Es gab Interessenten für das Ehrenamt, allerdings wurden die Anforderungen seitens des Landkreises so hochgeschraubt, dass alle zurück gezogen haben." Einer dieser Interessenten war nach WOCHENBLATT-Information der Plattdeutsch-Experte Heinz Harms, der jüngst für sein jahrzehntelanges Engagement für das Plattdeutsche, das er u.a. in Schulen und Kitas bringt, mit dem Bürgerpreis der Gemeinde Hollenstedt ausgezeichnet wurde. Doch auch soviel Expertise reichte offenbar nicht.
Der Grund könnte sein, dass der Plattdeutschkoordinator nur ein Türöffner für das immer wieder ins Spiel gebrachte Zentrum für Plattdeutsche Sprache am Kiekeberg-Museum ist. Die offizielle Stellenbeschreibung des Plattbeauftragten umfasst 16 verschiedene Einsatzbereiche, die von der Weiterbildung von Erziehern über die Herausgabe von Publikationen bis hin zum Aufbau einer Bibliothek mit Ausleihbetrieb reichen. Wer jetzt sagt, das ist doch als Halbtagskraft kaum zu schaffen, dafür braucht es eine Vollzeitstelle oder besser gleich eine ganze Abteilung, den könnte man einen Propheten nennen. Zum Schluss nochmal ein passendes Zitat von Parkinson: „Arbeit dehnt sich in genau dem Maß aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht.“

Redakteur:

Mitja Schrader

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