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Diskussion um Bossard-Erweiterung
Kunststätte Bossard: Stiftungsrat beschließt weitere wissenschaftliche Aufarbeitung

"Steuergeld fürs Hakenkreuz" lautete eine der Schlagzeilen in Bezug auf Bossards Nazi-Gesinnung
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Foto: Helena GARCIA@AdobeStock.com

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War es das mit der geplanten Mega-Erweiterung der Kunststätte Bossard zur "Kunsthalle der Lüneburger Heide"? Am Mittwochabend teilte der Stiftungsvorstand um Landrat Rainer Rempe mit, dass "insbesondere die zahlreichen kritischen Einwände in Bezug auf die Rolle Bossards zur Zeit des Nationalsozialismus den Stiftungsrat bewogen haben, die nächsten Schritte des Projekts noch einmal neu zu überdenken". Hierzu soll ein zusätzliches wissenschaftliches Forschungsprojekt zur Rolle Bossards im Nationalsozialismus durchgeführt werden.
Nachdem der Spiegel Zitate veröffentlicht hatte, die kaum einen Zweifel daran lassen, dass Johann Bossard ein Antisemit und Nazi-Sympathisant war (das WOCHENBLATT berichtete), konnte der Stiftungsrat nicht anders, als die Planungen vorerst zu stoppen.  Fraglich ist, ob die Bundesmittel in Höhe von 5,38 Millionen Euro zeitlich befristet sind.

mum. Jesteburg. Die Entscheidung war überfällig: Am Mittwochabend teilten Landrat Rainer Rempe, Hans-Heinrich Aldag (Geschäftsführer der Waldklinik Jesteburg), Sparkassen-Vorstand Andreas Sommer und Jesteburgs Bürgermeister Udo Heitmann in ihrer Funktion als Stiftungsvorstand der Kunststätte Bossard WOCHENBLATT-Verleger Martin Schrader und -Geschäftsführer Stephan Schrader in einem Gespräch mit, dass die geplante Erweiterung der Kunststätte zur "Kunsthalle der Lüneburger Heide" nicht wie geplant umgesetzt werden wird. Maßgeblich verantwortlich für diese Entscheidung seien die jüngsten Veröffentlichungen in Bezug auf Johann Bossards politische Gesinnung.
Wie berichtet, hatte der Spiegel aus Bossards Schriften zitiert. Sätze, die keinen Zweifel daran lassen, dass es sich bei dem Künstler um einen Antisemiten und Nazi-Symphatisanten handelte. Die Spiegel-Veröffentlichung allein hätte nicht zu einem Umdenken geführt. Doch nachdem durch das WOCHENBLATT immer mehr Bürger von der zweifelhaften Gesinnung Bossards erfuhren und auch andere Medien das Thema aufgriffen, sahen sich die Verantwortlichen gezwungen, zu reagieren. Zuletzt hatte Bundesverdienstkreuz-Träger Ivar Buterfas-Frankenthal Bossard als "widerlichen Mitläufer" bezeichnet und davor gewarnt, dass Jesteburg zu einem Wallfahrtsort für Nazis werden könnte.
Am Mittwochvormittag hatte Rempe als Vorsitzender des Stiftungsrates das Gremium zu einem Gespräch eingeladen. "Insbesondere die zahlreichen kritischen Einwände in Bezug auf die Rolle Bossards zur Zeit des Nationalsozialismus haben den Stiftungsrat bewogen, die nächsten Schritte des Projekts noch einmal neu zu überdenken. Da die weitere Auseinandersetzung mit der Rolle Bossards in der Zeit des Nationalsozialismus ohnehin als Teil des Projekts geplant war, wird dieser Schritt jetzt vorgezogen", so Rempe.
Bereits vor Jahren, zeitlich deutlich vor dem Projekt, habe der Stiftungsrat laut Rempe selbst den Anstoß für die wissenschaftliche Aufarbeitung von Johann Michael Bossards Rolle zur Zeit des Nationalsozialismus gegeben. "Auf Bestreben des Stiftungsrats fand deshalb seit 2017 eine intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema statt, zu der neben der Leiterin der Kunststätte Bossard, Dr. Gudula Mayr, auch externe Wissenschaftler hinzugezogen wurden." Bei der Untersuchung wurden diverse zur Verfügung stehende Archive und Quellen berücksichtigt. Die Ergebnisse wurden in den beiden Publikationen "Johann Bossard - Texte aus dem Nachlass" und "Über dem Abgrund des Nichts - die Bossards in der Zeit des Nationalsozialismus" sowie Ende 2018 auf einem öffentlichen Kolloquium dargestellt.
Da die Ergebnisse der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Themas jedoch zum Teil in Zweifel gezogen werden, hat der Stiftungsrat nun beschlossen, dass es einer weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema bedarf. Hierzu soll ein zusätzliches wissenschaftliches Forschungsprojekt zur Rolle Bossards im Nationalsozialismus durchgeführt werden. "Der Auftrag dazu wird an externe Wissenschaftler vergeben, die nicht vom Stiftungsrat, sondern von einem externen noch zu definierenden Gremium auszuwählen sind. Dies ist für die zukünftige konzeptionelle Ausrichtung und Akzeptanz der Kunststätte Bossard von entscheidender Bedeutung", so Rempe. "Bis die Ergebnisse aus diesem Forschungsprojekt vorliegen, soll die Fortführung des Förderprojektes zur Erweiterung der Kunststätte Bossard ruhen", so Andreas Sommer, stellvertretender Stiftungsratsvorsitzender.
Die Entscheidung des Stiftungsrats zu diesem Vorgehen berücksichtigt laut Rempe auch den Wunsch der Leiterin der Kunststätte, Dr. Mayr, nach einer externen Evaluation ihrer Forschungsergebnisse. "Die intensiven Diskussionen zu diesem Thema haben auch sie nicht unbeeindruckt gelassen und zu Verunsicherung geführt."
Rempe weiter: "Die Fördermittelgeber und alle Entscheidungsträger werden kurzfristig über diese neue Entwicklung in Kenntnis gesetzt und wir gehen davon aus, dass unsere Vorgehensweise nicht zuletzt aufgrund der öffentlichen Diskussion auf Verständnis stößt und unterstützt wird."
Wie berichtet, fördert der Bund die "Kunsthalle der Lüneburger Heide" mit 5,38 Millionen Euro. Zwei Millionen Euro für die mit insgesamt 10,76 Millionen Euro veranschlagte Erweiterung übernimmt der Landkreis, sofern der restliche Betrag durch weitere Zuschüsse Dritter aufgebracht wird. Außerdem soll der laufende jährliche Zuschuss auf 400.000 Euro erhöht werden.
Nach den Veröffentlichungen und letztlich auch infolge der Corona-Krise galt es als äußerst fraglich, ob es den Verantwortlichen gelingen würde, externe Spenden in der notwendigen Höhe einzuwerben.
Die Kritik an Bossards Nazi-Gesinnung brachte das Fass letztlich zum Überlaufen. Zuvor hatten bereits Anwohner und Umweltverbände die Dimensionen der geplanten "Kunsthalle" kritisiert. "Für uns ist das Konzept aus ökologischer, gesellschafts- und verkehrspolitischer Sicht nicht zu verantworten", so UWG-Jes!-Vorsitzender Hansjörg Siede, der die Pläne als "Disneyland der Nordheide" bezeichnete. Dennoch gab die Gemeinde Jesteburg grünes Licht. Konkret hatten sich sowohl der Jesteburger Verwaltungsausschuss als auch der Samtgemeindeausschuss dafür ausgesprochen, die rechtlichen Planungsvoraussetzungen voranzutreiben. "Diese Planungen werden nun gestoppt", so Jesteburgs Bürgermeister Udo Heitmann. Ob die Bundesmittel in Höhe von 5,38 Millionen Euro auch später noch zur Verfügung stehen werden, konnte der Landrat nicht beantworten.

Kommentar
Der richtige Schritt - hoffentlich aber nicht schon zu spät
Die Entscheidung des Stiftungsrates mit Landrat Rainer Rempe an der Spitze verdient Respekt. Niemand räumt gern ein, einen Fehler gemacht zu haben. In diesem Fall bedeutet das Stoppen des Projektes aber die Chance für einen Neuanfang.
Auf dem Weg zur "Kunsthalle der Lüneburger Heide" wurden viele Fehler gemacht. Die Bürger wurden erst informiert, als sich die Bundestagsabgeordneten Svenja Stadler (SPD) und Michael Grosse-Brömer (CDU) für ihren Einsatz feiern ließen. Zudem waren die Dimensionen viel zu gewaltig. Zur Erinnerung: Anfangs war die Rede von 360 Parkplätzen, für die ein großes Waldstück hätte gerodet werden sollen. Ohnehin waren die ersten Entwürfe nicht hilfreich: Die mystische Kunststätte mitten im Wald sollte einen riesigen Hochbunker als Eingangsportal bekommen. Passend dazu gründete sich die "Allianz gegen den Bau des Bossard-Kunst-Bunkers". "Gigantismus", kritisierten die Gegner.
Politik und Bossard-Verantwortliche versäumten es zudem, die Bürger für das Projekt abzuholen. Ein erster Schritt wurde erst Ende Februar unternommen. Fast vier Monate nach der Zusage der Millionen aus Berlin. Doch Rempe gelang es, die Wogen zu glätten.
Doch dann kam die Spiegel-Veröffentlichung: Spätestens nach dem Bericht von Dr. Martin Doerry besteht kein Zweifel, dass Bossard ein Antisemit und Nazi-Symphatisant war.
Wenn Rempe nun ankündigt, eine neue wissenschaftliche Aufarbeitung in Auftrag zu geben, dann korrigiert er jetzt einen Fehler, der vor drei Jahren gemacht wurde. Denn die Arbeit von Kunststätten-Leiterin Dr. Gudula Mayr und anderen Experten wirkt eher wie eine "Weißwaschung", um Doerry zu zitieren, als eine echte Aufarbeitung von Bossards Vergangenheit. Diese soll nun folgen.
Doch was kommt dann? Die Kunststätte Bossard ist etwas Besonderes. Der Landkreis - und auch seine Bürger - sollten sich glücklich schätzen, dieses einmalige Bauwerk zu haben. Doch wie finanziert man den Erhalt, wenn die Besucher ausbleiben? Wie geht man mit Bossards politischer Gesinnung um? Diesen Fragen muss sich nun der Stiftungsvorstand stellen. Darauf zu hoffen, dass man Nazi-Spuren übersieht, wie zuletzt mit dem Hakenkreuz geschehen, ist jedenfalls nicht der richtige Weg.
Sascha Mummenhoff

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Redakteur:

Sascha Mummenhoff aus Jesteburg

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