Diskussion um Bossard-Erweiterung
Spiegel kritisiert Millionen-Förderung für Kunststätte: War Bossard nur ein beleidigter Nazi?

Auf drei Seiten beschäftigt sich Spiegel-Redakteur Dr. Martin Doerry mit der Nazi-Vergangenheit von Johann Bossard. Der Bericht zeigt auch ein Hakenkreuz in einem Mosaikfußboden im Eddasaal der Kunststätte. Das Nazi-Symbol ist heute noch zu sehen | Foto:  Montage: MSR / Foto: Kunststätte Bossard
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  • Auf drei Seiten beschäftigt sich Spiegel-Redakteur Dr. Martin Doerry mit der Nazi-Vergangenheit von Johann Bossard. Der Bericht zeigt auch ein Hakenkreuz in einem Mosaikfußboden im Eddasaal der Kunststätte. Das Nazi-Symbol ist heute noch zu sehen
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Spiegel-Redakteur Dr. Martin Doerry veröffentlicht erschütternde Einzelheiten aus Bossards Vergangenheit.

Jesteburgs kunst- und kulturaffine Oberschicht wünscht sich vor allem eines: Endlich im Fokus der Weltöffentlichkeit zu stehen. Das ist nun gelungen. Allerdings stellt sich die Frage, ob sich die Herren und Damen dies so gedacht haben. "Steuergeld für das Hakenkreuz" titelt Spiegel Online einen Bericht, der am Wochenende auch in der Print-Ausgabe zu lesen war. Dr. Martin Doerry, von 1998 bis 2014 stellvertretender Chefredakteur des Magazins, beleuchtet Johann Bossard und dessen politische Gesinnung. Nach der Lektüre besteht kein Zweifel, dass Bossard ein Antisemit und Nazi-Symphatisant war. Doerry hat in Veröffentlichungen, die ihm Kunststätten-Leiterin Gudula Mayr gegeben hat, zahlreiche Zitate gefunden, die ein anderes Bild auf Bossard werfen, als es etwa Landrat Rainer Rempe als Vorsitzender des Bossard-Stiftungsrats vermittelt. So distanzierte sich Bossard erst von der NSDAP, als seine künstlerische Arbeit von den Nazis abgelehnt wurde. Nun stellt sich die Frage: Kann man so einem Mann wirklich eine "Kunsthalle der Lüneburger Heide" widmen, die mit Millionen Euro Steuergeld finanziert wird?

mum. Jesteburg-Lüllau.
So gern möchte Jesteburg ins kulturelle Rampenlicht der Weltkulturmetropolen rücken. Mit der Kunststätte Bossard wähnte sich die elitäre Kunstoberschicht des Dorfes bereits auf einem guten Weg. Immerhin sollen fast elf Millionen Euro in den Bau einer "Kunsthalle der Nordheide" investiert werden (das WOCHENBLATT berichtete). Dahinter verbirgt sich ein Mega-Museum, das quasi als Eingangsportal Johann Bossard huldigen soll.
Bereits im Vorfeld gab es an dem Projekt deutliche Kritik - wegen der Dimension. Aber auch Bossards Nazi-Vergangenheit kam auf den Tisch. Dagegen wehrte sich Kunststätten-Leiterin Gudula Mayr vehement. Sie betonte, dass die Bossards niemals Mitglieder der NSDAP waren. Dass Johann Bossard zum Jahresende 1934 sogar wieder aus dem NSDAP-Lehrerbund austrat, sei für die damalige Zeit ein deutliches Signal der Distanz gewesen. Bossard habe damit den Verlust seiner Anstellung als Professor an der Kunsthochschule und jegliche Aussicht auf Aufträge oder Anerkennung durch das NS-Regime riskiert.
Doch offensichtlich steckten hinter Bossards Sinneswandel ganz andere Gründe. Zu diesem Schluss kommt Spiegel-Redakteur Dr. Martin Doerry in seinem Bericht, der am vorigen Sonntag erschien - und bundesweit für viel Aufsehen sorgte. Tenor: Will man im Landkreis Harburg wirklich einem Nazi-Künstler zu solchem Ruhm verhelfen?
Doerry war von August 1998 bis Juni 2014 stellvertretender Chefredakteur des Spiegel, seither arbeitet er als Autor für das Magazin.
Aus verschiedenen Schriften, die Doerry von Mayr persönlich erhielt, zitiert der Spiegel Passagen, die einen Hinweis auf Bossards tatsächliches Wesen geben. Als die Nazis 1933 an die Macht kamen, schrieb Bossard beispielsweise an einen Freund: "Die gute Sache wird sich hoffentlich durchsetzen." Dass etliche seiner Kollegen sofort ihr Amt verloren, darunter auch der jüdische Hochschullehrer Friedrich Adler, der später in Auschwitz ermordet wurde, ließ er hingegen unkommentiert. Überliefert ist nur Bossards zynische Bemerkung, dass im Zuge der nationalsozialistischen Machtergreifung "immerhin erkleckliche Mengen Sumpfblüte geknickt worden" seien. Der Kunstprofessor setzte laut Doerry jedenfalls große Hoffnungen in das NS-Regime. Anders als die "Berufspolitiker", so schrieb er bereits im März 1933, sei Adolf Hitler "aus der Tiefe des notleidenden Volkes" aufgestiegen, man müsse ihm nur "Glauben und Vertrauen entgegenbringen". Er erwarte "Bestes", "wenn Hitlers freier Blick sich auf genügende autoritäre Machtfülle stützen" könne.
Noch heute sind Nazi-Symbole in der Kunststätte zu finden. Beispielsweise ein Hakenkreuz im Eddasaal. "Ein Hinweis vor Ort oder eine Erklärung fehlen allerdings", so der Redakteur in seinem Bericht. "Offenbar ist das Nazisymbol den Museumsleuten ein bisschen peinlich."
Auch Bossard wollte zur "nationalsozialistischen Erhebung" beitragen. So beteiligte er sich an einem Wettbewerb für ein geplantes Denkmal auf der Hamburger Moorweide, das an die "Gefallenen der Bewegung" erinnern sollte, also an NS-Kämpfer, die in den Jahren vor der Machtergreifung ums Leben gekommen waren. "Sein Entwurf, ein monströser Rundbau, war nicht nur mit einem großen Hakenkreuz geschmückt, sondern auch mit allerlei Nazikitsch, etwa einer großen Huldigungsszene, in der Hitler von seinen Anhängern gefeiert wird", heißt es im Spiegel. Doch Bossards Vision fiel bei der Jury durch. Bossard tröstete sich mit Nazi-Parolen: "Wäre doch ein Jude dazwischen, damit ich ihm die Schuld geben könnte." Doerry fand in Bossards Schriften auch dessen Erklärung, warum die Jury sich gegen seinen Entwurf entschieden hatte. In einem Brief vom 27. Mai 1934 an einen hohen Hamburger NS-Funktionär formulierte er, man habe sich offensichtlich nicht an die ästhetischen Grundsätze des Nationalsozialismus gehalten. Stattdessen habe man dem "Götzenkult" des "Juden" gehuldigt, der "Neuen Sachlichkeit", also der einst in der Weimarer Republik vorherrschenden eher nüchternen Kunstauffassung.
Doch damit nicht genug: Bossard begrüßte unter anderem Alfred Rosenberg in seinem Tempel. Dessen Werk "Der Mythus des 20. Jahrhunderts" war damals laut Spiegel so etwas wie die Bibel der Antisemiten. Bossard hatte wohl gehofft, mit seinem düsteren Eddasaal den Geschmack des Nazis zu treffen. Doch das ging schief. "Rosenberg freilich verstörte das alles nur. Am Ende, so berichteten es später die Zeugen seines Besuches, habe der prominente Gast die Kunststätte geradezu fluchtartig verlassen und etwas von einem 'malenden Philosophen' gemurmelt", berichtet der Spiegel. "Für die ideologische Indoktrinierung der Volksgenossen, das muss dem NS-Ideologen schnell klar geworden sein, war Bossards skurrile Bilderwelt nicht verständlich genug", so Doerry, der zum Schluss kommt: "Bossard war gekränkt und quittierte zum Ende des Jahres seine Mitgliedschaft im Nationalsozialistischen Lehrerbund." Also nicht, weil er dem Nationalismus abgeschworen hatte, sondern weil er schlicht beleidigt war.
Auch Kunststätten-Leiterin Mayr wird in dem Bericht kritisiert. Sie habe vor etwa zwei Jahren einen Katalog mit Aufsätzen über das Verhältnis des Ehepaars Bossard zum Nationalsozialismus herausgegeben. "Die Autoren bemühen sich darin zwar um eine seriöse Auseinandersetzung, doch tatsächlich dient das Werk eher der Weißwaschung der braunen Vergangenheit Johann Bossards", so Doerry. So heißt es in der Veröffentlichung unter anderem: "Nirgendwo in seiner Korrespondenz finden sich Spuren judenfeindlichen Argumentierens." Für den Spiegel-Redakteur ist das "eine ziemlich fahrlässige Aussage über einen Künstler, der fortwährend die Antisemiten Alfred Rosenberg, Houston Stewart Chamberlain und Arthur de Gobineau zitierte und seine Gegner des jüdischen Götzenkults beschuldigte". Sein Fazit: "Diese Behauptung zeugt entweder von Ignoranz oder bewusster Irreführung."

Kommentar
Jesteburgs Weg zum Nazi-Mekka
Spätestens nach den umfangreichen und guten Recherchen des Spiegel-Redakteurs Dr. Martin Doerry kann es keinen Zweifel mehr daran geben, dass Johann Bossard ein überzeugter Antisemit war. Anders kann man die Zitate, die Doerry in den von Kunststätten-Leiterin Gudula Mayr ausgehändigten Schriften fand, nicht deuten. Bossard brach nicht mit der NSDAP, sondern zog sich wie ein beleidigtes Kind zurück, weil die Nazis mit seiner Art Kunst nichts zu tun haben wollten.
Soll so einem Menschen jetzt auch noch späte Ehre erwiesen werden, indem man Millionen Euro Steuergeld in eine Bossard-Huldigung investiert? Ich mag mir nicht vorstellen, aus welchem politischen Milieu das Publikum stammen wird. Jesteburg - das braune Tor zur Heide.
Vor dem Hintergrund der Spiegel-Veröffentlichungen muss sich auch Landrat Rainer Rempe die Frage gefallen lassen, ob er als Vorsitzender des Stiftungsrates seiner Kontrollfunktion ausreichend gerecht wurde. Wie sonst lässt sich erklären, dass die eigentlich kritische Aufarbeitung von Bossards Vergangenheit eher einer "Weißwaschung" gleichkommt, um Doerry zu zitieren.
Die Bundestagsabgeordneten Svenja Stadler (SPD) und Michael Grosse-Brömer (CDU) ließen sich feiern, weil sie die Bundesförderung in Höhe von fünf Millionen Euro durchgeboxt haben. Ob sie sich inzwischen für ihr Engagement für einen überzeugten Nazi schämen? Der Dank der AfD ist ihnen zumindest sicher.
Sascha Mummenhoff

Und das sagt Landrat Rainer Rempe zu dem Spiegel-Bericht:
Landrat Rainer Rempe zum Spiegel-Bericht über Johann Bossard: "Der Bericht schafft keine neuen Fakten!"

Auf drei Seiten beschäftigt sich Spiegel-Redakteur Dr. Martin Doerry mit der Nazi-Vergangenheit von Johann Bossard. Der Bericht zeigt auch ein Hakenkreuz in einem Mosaikfußboden im Eddasaal der Kunststätte. Das Nazi-Symbol ist heute noch zu sehen | Foto:  Montage: MSR / Foto: Kunststätte Bossard
Die Kunststätte Bossard mit dem Kunsttempel und dem Atelierhaus. In der Diskussion um eine "Kunsthalle" rücken auch Johann Bossards Sympathien für  die Nazi-Ideologien in den Mittelpunkt | Foto: bim
Redakteur:

Sascha Mummenhoff aus Jesteburg

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