Fehlende Refinanzierung und monströse Bürokratie
Sorge um Pflegedienste

Ole Bernatzki (AHD Jesteburg) | Foto: AHD Jesteburg
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"Die jetzige Situation führt dazu, dass viele Pflegedienste in einer prekären Liquiditätslage sind", warnt Nikolaus Lemberg, Geschäftsführer der gemeinnützigen Interessengemeinschaft e.V. (InGe), die u.a. ambulante Pflege in Salzhausen und Winsen anbietet. "Spätestens im Sommer werden bei den meisten Anbietern die Rücklagen aufgebraucht sein, dann wird es richtig schlimm", ergänzt Ole Bernatzki vom Pflegedienst AHD in Jesteburg. Was beide - wie alle anderen Inhaber und Verantwortlichen in Pflegediensten - umtreibt, ist die aus ihrer Sicht mangelhafte Refinanzierung der Personalkosten und inflationsbedingten Mehrkosten. Lemberg und Bernatzki fürchten, dass gerade kleinere Anbieter die Herausforderungen nicht meistern können und Insolvenz anmelden müssen. Und das alles in einer Zeit, da der Pflegebedarf in der Bevölkerung immer größer wird. Schon jetzt verbringen die Mitarbeiter beim AHD viel Zeit damit, potentiellen Neukunden zu erklären, warum man sie nicht mehr aufnehmen kann.

Eigentlich ist von der Politik zugesagt, dass die Mehrkosten im Rahmen des Tariftreuegesetzes erstattet werden. "De facto ist das nicht der Fall", berichtet Nikolaus Lemberg. Er gibt ein Beispiel: Seit 1. September 2022 muss er laut Tariftreuegesetz um bis zu 25 Prozent höhere Löhne zahlen, "was ich auch gerne mache", wie er sagt. Statt der zugesagten kompletten Refinanzierung erhalte er von der Pflegeversicherung aber nur rund 16,95 Prozent erstattet. Die Krankenkassen in Niedersachsen haben sogar nur 3,45 Prozent der Gehaltssteigerung vom Herbst 2022 gegenfinanziert. Die Pflegedienste warten dringend auf Verhandlungserfolge ihrer Verbände auf Landesebene, denn typischerweise werden zwischen einem Viertel und einem Drittel der Umsätze mit den Krankenkassen abgerechnet.

Folge: Die InGe muss nicht nur finanziell in Vorleistung gehen, sondern erhält unter dem Strich nicht alle Kosten erstattet. Das ergeht auch Ole Bernatzki so. Da er steigende Kosten nicht wie in anderen Branchen der Wirtschaft durch höhere Preise der Dienstleistungen kompensieren kann, muss er an anderen Stellen sparen. Er hat z.B. Mietverträge für Niederlassungen in Rönneburg, Maschen und Bispingen gekündigt und seine Fahrzeugflotte verkleinert. Das geht aber nicht auf Dauer. Was die Arbeit zusätzlich erschwert, ist die laut Nikolaus Lemberg "monströse Bürokratie", die z.B. allen Mitarbeitenden eine „lebenslange Beschäftigtennummer“ auferlegt. Deren Zuteilung durch das Bundesamt hakt seit Monaten. Aber auch im ganz normalen Alltag gibt es kuriose Abläufe. Er gibt ein Beispiel: Eine Pflegekraft hilft morgens "Oma Käthe" aus dem Bett auf und hilft ihr beim Anziehen. Das ist über die Grundpflege geregelt und wird über die Pflegestufe mit der Pflegeversicherung abgerechnet. Wenn die Pflegekraft "Oma Käthe" zusätzlich noch eine Tablette gibt, muss das über die Krankenversicherung abgerechnet werden. "Wir schreiben also über ein und denselben Besuch zwei Rechnungen", erklärt Lemberg. Erschwerend komme hinzu, dass die vertraglich festgelegten Dienstleistungen pauschal abgerechnet werden, diese aber die Gesamtkosten nicht annähernd abdecken. Für die Medikamentengabe werden z.B. vier Euro berechnet, für das Anlegen eines Kompressionstrumpfes fünf Euro.

Thomas Grambow, Geschäftsführer des DRK-Kreisverbandes Harburg-Land, kann die Sorgen der Pflegedienste nachvollziehen. "Momentan sichert vor allem die Größe eines Unternehmens den Fortbestand", sagt er. Ein größerer Träger mit mehreren Geschäftsbereichen stecke die Situation besser weg als kleinere Firmen. Das DRK hat laut dem stellvertretenden Geschäftsführer Jonas Willbrandt im vergangenen Jahr auch gute Erfahrungen mit den Pflegekassen gemacht. Diese hätten für bestimmte Bereiche die Pauschalen angehoben und so geholfen, die Kostensteigerungen etwa bei den Energiekosten auszugleichen. Das galt allerdings nur für den stationären Pflegebereich und nützt den ambulanten Diensten nichts. Dass die Pflegekassen genau schauen, ob die abgerechneten Kosten auch tatsächlich entstanden sind, kann Willbrandt nachvollziehen.

Nikolaus Lemberg und Ole Bernatzki setzen darauf, dass die zugesagte Refinanzierung der Personalkosten sowohl von Pflege- als auch von Krankenkassen in Zukunft tatsächlich erfolgt. Bernatzki: "Die Pflegeversicherung wurde allen als Vollversorgung verkauft. Derzeit ist sie nicht mal eine Teilkasko!" (os).

Redakteur:

Oliver Sander aus Buchholz

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