Kunstpfad: Jetzt ist das Chaos perfekt

Auch diese Skulptur gehört zum Kunstpfad. Allerdings ist sie inzwischen hinter einer Hecke kaum noch zu sehen
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  • Auch diese Skulptur gehört zum Kunstpfad. Allerdings ist sie inzwischen hinter einer Hecke kaum noch zu sehen
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Nach dem angekündigten Rücktritt von Isa Maschewski herrscht in Jesteburg Ratlosigkeit.

mum. Jesteburg. Das war ein Paukenschlag in Jesteburg! Wie das WOCHENBLATT bereits am Freitag berichtet hat, soll Kunsthaus-Kuratorin Isa Maschewski mit sofortiger Wirkung von ihrem Amt als Verantwortliche des Kunstpfades zurückgetreten sein. Maschewski selbst war trotz mehrfacher Nachfrage nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Auch im Rathaus ist man ratlos, denn obwohl sie nach ihrer mündlichen Absage etwas Schriftliches bis Freitagabend nachreichen wollte, lag dort bis Dienstagmorgen nichts vor. Dabei sollten Maschewskis Rücktritt und die Folgen im zuständigen Ausschuss für Wirtschaft, Tourismus und Kultur am gestrigen Dienstag, 12. Juni, diskutiert werden.
Selbst wenn die als sprunghaft bekannte Maschewski es sich wieder anders überlegen sollte, ist die Katastrophe für Jesteburg perfekt.
Seit der Vergabe des Auftrags an Maschewski vor vier Jahren reiht sich eine Panne an die nächste. Die selbsternannte Kunst- und Kulturmetropole wird im ganzen Landkreis nur noch belächelt. Ein Beispiel: Wie berichtet, soll eine ausgediente Haltestelle aus der Jesteburger Partnerstadt Leitzkau (Sachsen-Anhalt) in die Nordheide gebracht werden. Das Projekt gilt als sicher, 1.000 Euro wurden bereits als "Reisekosten" ausgezahlt. Doch wie UWG-Ratsherr Hansjörg Siede erfahren hat, wurde über dieses Projekt im Leitzkauer Ortschaftsrat noch gar nicht diskutiert. Umsetzung fraglich!

Teure Flickschusterei

Über den Kunstpfad in Jesteburg wurde bereits viel diskutiert. Dabei ist von dem Projekt, von dem sich SPD, CDU und Grüne eine echte Signalwirkung für den Ort versprechen, eigentlich nicht viel zu sehen. Und dass, was zu sehen ist, sorgt für heftige Diskussionen im Ort. Und nun soll die verantwortliche Kuratorin Isa Maschewski auch noch ihren Job hingeschmissen haben (das WOCHENBLATT berichtete).
Welche Projekte gehören eigentlich zum Kunstpfad und wie viel Geld wurde dafür ausgeben? Diese Frage richtete das WOCHENBLATT vor einigen Wochen an Jesteburgs Kämmerer Henning Oertzen und an Isa Maschewski. Die Antwort überraschte mit erstaunlichen Zahlen: Laut Maschewski hat der Kunstpfad nach seiner Fertigstellung einen Wert von fast einer halben Millionen Euro. Eine Übersicht:
• Das "Spiegelhaus": Laut Maschewski kommt für Bau und Material der begehbaren Skulptur der Kunstverein Jesteburg auf. Ein Spender soll dafür 50.000 Euro zur Verfügung gestellt haben. Das Bodengutachten und die Planungskosten wurden bereits aus dem Budget "Kunstpfad" von der Gemeinde bezahlt - etwa 7.000 Euro. "Der Marktwert dieser einmaligen architektonischen Skulptur ist bei rund 80.000 Euro anzusetzen", so die Kuratorin. Jetzt heißt es allerdings, der Sponsor hätte von seinem finanziellen Engagement Abstand genommen. Ob das Projekt damit geplatzt ist, steht in den Sternen.
• Die Wortskulptur "Mut" von Künstler Rupprecht Matthies: Sie wurde bereits 2013 im Zuge eines Projekts vor der Oberschule installiert. "Der Marktwert ist mit etwa 20.000 Euro anzusetzen", so Maschewski. Allerdings ist das Kunstwerk in einem schlechten Zustand und versteckt hinter Bäumen und Hecken.
• Die Bushaltestelle: "Ein Haltepunkt der besonderen Art, der an die Gemeindepartnerschaft zwischen Leitzkau in Sachsen-Anhalt und Jesteburg erinnert", so Maschewski. Dieses Kunstwerk stammt von der Künstlerin Tintin Patrone. Marktwert laut Maschewski: 25.000 Euro. Die Gemeinde hat bereits 1.000 Euro überwiesen. Ein Eröffnungstermin ist nicht bekannt. UWG-Ratsherr Hansjörg Siede hat jedoch erfahren, dass über dieses Projekt im Leitzkauer Ortsrat noch gar nicht diskutiert wurde.
• Die Straßenmalerei in der Buskehre der Oberschule und in der Straße "Schaftrift": Künstler waren Michael Conrads und Monika Michalko. Laut Maschewski hat das Ensemble einen Wert von 60.000 Euro. Die Gemeinde hat Kosten in Höhe von 15.000 Euro für Material und Teile des Honorars übernommen. Beide Kunstwerke sind in einem schlimmen Zustand - die Farbe ist fast gänzlich verblichen. Laut Maschewski sei dies ein Fehler des Herstellers gewesen. Immerhin: Neue Farbe wurde bereits nach Jesteburg geliefert. Allerdings ist nicht klar, wer die Ausbesserung vornimmt. Auch einen Zeitplan gibt es nicht. Ursprünglich sollte dies bereits längst geschehen sein. Aufsehen erregte die Straßenkunst vor allem dadurch, dass Maschewski zwei Flüchtlinge beschäftigte, die gar keine Arbeitserlaubnis hatten.
• Die Musterfassade: Eine Skulptur von Timm Ulrichs. Diese Skulptur vom Anbau des Sprengel Museums in Hannover wurde vom Künstler anlässlich seines 75. Geburtstags als Dauerleihgabe für den Kunstpfad zur Verfügung gestellt. Wert laut Maschewski: 200.000 Euro.
• Der Münzprägeautomat von Thomas Baldischwyler: Er dient der Herstellung von Johann-Bossard-Jesteburg-Gedenkmünzen. Obwohl die Gemeinde für den Automaten nur 4.500 Euro bezahlt hat, soll er laut Maschewski nun einen Marktwert von 25.000 Euro haben. Er befindet sich im Kunsthaus und ist daher nur donnerstags bis sonntags zwischen 15 und 18.30 Uhr zu sehen.
Nach der Rechnung von Isa Maschewski haben die Kunstwerke einen Wert 410.000 Euro. "Die hohen Werte der Kunstwerke entsprechen den Preisen, die die für die jeweiligen Künstler zuständigen Galerien auf dem internationalen Markt aufrufen", so die Kuratorin. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage ist nur schwer zu überprüfen. Zum Vergleich: Drei Sandsteinbänke von Timm Ulrichs in Buchholz haben etwas über 20.000 Euro gekostet.
"Der Zuschuss der Gemeinde ist für den Kunstpfad auf 30.000 Euro gedeckelt", so Kämmerer Oertzen. Maschewski selbst hat zusätzlich einen Honorar in Höhe von 12.500 Euro abgerufen. Im Gegenzug habe sie laut eigenen Angaben externe Mittel in Höhe von 90.000 Euro eingeworben.

"Der Kunstpfad hat in seinem aktuellen
Realisierungsstand keinen guten Ruf"


CDU und Grüne - mit der SPD die Parteien, die Isa Maschewski stets unterstützt haben, wollten sich zur aktuellen Situation nicht äußern. Immerhin kam von der SPD eine Stellungnahme. UWG und FDP sparen nicht mit Kritik.
• Angelika Schiro (SPD): "Vor dem Hintergrund der persönlichen Anfeindungen, gerade auch in den sozialen Netzwerken, haben wir Verständnis für diese Entscheidung. Es ist richtig, dass der Kunstpfad in seinem aktuellen Realisierungsstand keinen besonders guten Ruf hat - das hat verschiedene Ursachen. Verzögerungen bei notwendigen behördlichen Abstimmungen, für die aber nun wirklich nicht die künstlerische Leitung zuständig ist. Es gab Qualitätsprobleme mit der Farbe der Straßenmalerei, sicher auch zu wenig Abstimmung und Ankündigung im Vorwege der einzelnen Projektschritte; aus heutiger Sicht ist klar: das Thema hätte besser verkauft werden müssen. Die SPD geht davon aus, dass der Kunstpfad auch trotz des Rücktritts der Kuratorin in Jesteburg eine Zukunft hat."
• UWG Jes!-Chef Hansjörg Siede: "Trotz der viel gepriesenen Professionalität der Kuratorin und der Vorschuss-Lorbeeren von Bossard-Leiterin Dr. Gudula Mayr und des WTK-Vorsitzenden Hans-Jürgen Börner kam es immer wieder zu groben Fehlern in der Planung. Vor allem die mangelhafte Kommunikation mit den Bürgern und die fehlende Transparenz von Entscheidungsprozessen haben zuletzt zu erheblichem Widerstand und Ablehnung des Projektes geführt. Unter dem Strich bleiben Jesteburg nun neben zwei halbfertig bepinselten Asphaltflecken ein geschenktes Mauerstück am Bossard und die Erkenntnis: Professionalität macht auch im Kunstmanagement Sinn!"
• FDP-Chef Philipp-Alexander Wagner: "Viele Jesteburger sehen in Isa Maschewski die Verantwortliche für zahlreiche sehr umstrittene Kunstprojekte. Auch wenn ich diese Projekte, wie etwa den Spiegel-Kubus und die Straßenmalerei gleichfalls ablehne, so bin ich der Auffassung, dass Frau Maschewski nur den Willen der Ratsmehrheit umgesetzt hat."

Auf ein Wort
Maschewski ist nicht allein schuld
Ist der Kunstpfad endgültig gescheitert? Es scheint so. Auf jeden Fall ist es Jesteburg gelungen, sich mit diesem Projekt bis auf die Knochen zu blamieren. Straßenkunst, die keine zwei Monate hält, Skulpturen, die hinter Büschen versteckt oder von Unkraut überwuchert werden, und ganz viele Luftschlösser.
Auf ein Wort
Aber: Es wäre jetzt viel zu einfach, die Schuld nur bei der offensichtlich mit ihrer Aufgabe überforderten Kuratorin Isa Maschewski zu suchen. Letztlich hat Maschewski einen Auftrag der Politik - in dem Fall von SPD, CDU und Grüne - umgesetzt. Die Parteien wollten keinen Einfluss auf die künstlerische Gestaltung nehmen. Sie hätten aber sehr wohl im Auge behalten müssen, ob der Kuratorin die Aufgabe über den Kopf wächst.
Im schlimmsten Fall droht sogar noch weiterer Ärger. Es heißt, Fördergelder sollen zurückgefordert werden, wenn der Kunstpfad nicht fertiggestellt wird. Wer wird die Verantwortung dafür übernehmen? Sicherlich niemand aus den Fraktionen von SPD, CDU und Grüne.
Sascha Mummenhoff

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Der Jesteburger Kunstpfad: Steuergeld für Schwarzarbeit      

Redakteur:

Sascha Mummenhoff aus Jesteburg

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