Erfolg für die Tierschützer
Ex-Horror-Labor will alle Tierversuche einstellen

Beim Kreisordnungsausschuss 2019 protestierten die Tierschützer im Kreishaus, darunter auch Uwe Gast (5. v. li.), einer der unermüdlichen Mahnwachen-Teilnehmer | Foto: bim
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  • Beim Kreisordnungsausschuss 2019 protestierten die Tierschützer im Kreishaus, darunter auch Uwe Gast (5. v. li.), einer der unermüdlichen Mahnwachen-Teilnehmer
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(bim). Rund zwei Jahre ist es her, dass die "Soko Tierschutz" im damaligen Tierversuchslabor Laboratory of Pharmacology and Toxicology (LPT) in Mienenbüttel furchtbare Tier-Misshandlungen öffentlich gemacht hat. Die grausamen Bilder von gequälten Hunden, Katzen und Affen gingen um die Welt und führten zu den größten Protesten der deutschen Tierschutzgeschichte. Im Januar 2020 hatte der Landkreis Harburg dem Labor in Mienenbüttel die Betriebserlaubnis entzogen. Jetzt hat das ehemalige LPT, das inzwischen unter Provivo Biosciences firmiert, angekündigt, bis Ende Januar 2022 alle Tierversuche einzustellen. Das soll sowohl für den Standort in Hamburg-Neugraben als auch für den in Löhndorf in Schleswig-Holstein gelten. "Wir werden uns auf In-vitro-Studien spezialisieren", sagt Provivo-Geschäftsführer Thomas Wiedermann zu den Versuchen, die künftig ohne lebende Organismen durchgeführt werden sollen.
Tierschützer Uwe Gast, der zu den unermüdlichen Mahnwachen-Teilnehmern vor den LPT-Standorten gehört, sagt: "So wie sich das Datum der Aufdeckung der Missstände zum zweiten Mal jährt, so jährt sich auch das Datum der Schließung des Labors in Mienenbüttel am 31. Januar 2022 zum zweiten Mal. Und genau an diesem Tag ist die Tierqual auch in Hamburg-Neugraben vorbei."
Die Ermitlungen der
Staatsanwaltschaften dauern an

Unterdessen dauern die Ermittlungen der Staatsanwaltschaften Stade und Hamburg, insbesondere wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz, an. Aktuell würden die Verantwortlichen des LPT zu den ihnen vorgeworfenen Tierschutzverstößen umfassend angehört. Ob strafrechtliche Verstöße festzumachen sind und Anklage erhoben wird, steht laut Staatsanwaltschaft Stade noch nicht fest. Am Laborstandort in Hamburg hatte es noch im März dieses Jahres Durchsuchungen gegeben. Nähere Details werden mit Hinweis auf die andauernden Ermittlungen nicht genannt.
Wochenlager Protest
der Tierschützer

Viele Wochen lang protestierten Tierschützerinnen und Tierschützer mit Bannern vor den Tierversuchslaboren von LPT in Neu Wulmstorf-Mienenbüttel und Hamburg-Neugraben. Mit Kerzen, Kreuzen und Skulpturen wurde der unzähligen gequälten und getöteten Tiere gedacht. "Wenn sich die Ankündigung der Tierversuchs-Stopps bewahrheitet, ist das ein großer Erfolg, weil damit der Branche gezeigt wird, dass man aus dem Kreislauf der Tierquälerei ausbrechen und mit alternativen Versuchsmethoden erfolgreich sein kann", sagt Friedrich Mülln von der "Soko Tierschutz", die im Oktober vor zwei Jahren die Bilder aus dem Horrorlabor in Mienenbüttel öffentlich machte.
Größter friedlicher
Tierschutzprotest weltweit

Die Ankündigung des Tierversuchs-Stopps bestätige, "dass friedlicher Protest funktioniert", sagt Mülln. "Das ist weltweit noch nie erreicht worden. Das war der größte Tierschutzprotest weltweit und in der deutschen Geschichte", so Mülln. Zu den Mahnwachen und Kundgebungen seien Tierschützer aus Wien, Warschau und sogar eine Tierschützerin aus Australien angereist. Auch die international anerkannte Primaten-Expertin Jane Goodall hatte sich in die Diskussion eingeschaltet.
Es gebe nun drei Möglichkeiten: "Provivo Biosciences hört ganz auf. Die zweite Option: Das Unternehmen stellt tatsächlich auf alternative Methoden um. Dazu würde passen, dass Tierpflegern gekündigt wurde. Oder es wird doch versucht, im Ausland das Tierversuchsgeschäft fortzusetzen", meint Mülln. Letzteres schließt er aber aus.
Umstellung auf
In-vitro-Experimente

Die Ankündigung der Umstellung auf In-vitro-Experimente bezeichnet auch Tierschützer Uwe Gast aus Neu Wulmstorf als "tolle Entwicklung. Ich war auch in Löhndorf, da war kaum noch etwas los. Zuletzt fanden wohl nur noch in Hamburg Versuche statt", sagt er. Er schätzt die Ankündigung als glaubhaft ein. Zumal das Ex-LPT unter starker öffentlicher Beobachtung steht. "Wenn das Unternehmen die Öffentlichkeit täuscht, traut sich niemand mehr, ihm Aufträge zu erteilen", so Gast.
Die Tierschützer haben angekündigt, in jedem Fall weiter achtsam zu sein.
Provivo-Geschäftsführer äußert
sich zu Tierversuchs-Stopp

Thomas Wiedermann, Geschäftsführer von Provivo Biosciences, nennt auf WOCHENBLATT-Anfrage wirtschaftliche Gründe und eine Nachfolgeregelung als Beweggründe für die Einstellung der Tierversuche. "Wir wollen uns der Forschung und Entwicklung von Ersatzmethoden widmen. Ob diese genehmigt werden, entscheiden die internationalen Behörden. Zu den aktuellen Tierversuchen sind und waren keine Alternativmethoden möglich und zugelassen. Deshalb werden diese Versuche zukünftig im Ausland (China, Spanien, Indien, USA) durchgeführt werden. In den USA zum Beispiel gelten Mäuse und Ratten nicht als schützenswerte Tiere", sagt er und betont: "Bis heute sind Tierversuche ein wichtiger Baustein für die Arzneisicherheit und den Verbraucherschutz in unserer industrialisierten Gesellschaft. Chemische und pharmakologische Entwicklungen sind nicht anders möglich."
Ab Januar werde es keine Tiere mehr in den Einrichtungen geben. Dazu, wie viele es noch sind und was mit ihnen geschieht, äußert sich Wiedermann nicht. Diese Angaben seien nur für die zuständige Behörde relevant.

Alle Texte zu "LPT“

Rückblick auf den LPT-Skandal und Sachstand zum geplanten Tierzentrum

Rückblick:
• Im Oktober 2019 hatten die "Soko Tierschutz" und "Cruelty Free International" die Bilder gequälter Hunde, Katzen und Affen eines Undercover-Ermittlers aus dem LPT in Mienenbüttel öffentlich gemacht.

• Es folgten eine 93-tägige "Belagerung" des Labors in Neu Wulmstorf durch die „Mahnwache Mienenbüttel 24/7“ sowie Großdemos von Tierschützern in Hamburg-Neugraben und in der Hamburger Innenstadt.

• Ehemalige LPT-Mitarbeiter berichteten kurz darauf von Manipulationen bei Tierversuchen. So sei bei einer Krebsstudie ein toter Versuchsaffe durch ein anderes Tier ausgetauscht worden.

• Rund sechs Wochen nach Bekanntwerden der Tierschutzverstöße und Manipulationsvorwürfe bei Tierversuchen fanden Durchsuchungen der drei LPT-Standorte in Mienenbüttel, Hamburg und Schleswig-Holstein statt.

• Im Januar 2020 entzog der Landkreis Harburg die Betriebserlaubnis für das Tierversuchslabor am Standort in Neu Wulmstorf-Mienenbüttel nach Paragraf 11 Tierschutzgesetz.

• Im Januar dieses Jahres kündigte LPT an, dass am LPT-Standort in Mienenbüttel ein Tierzentrum für Fundtiere und verhaltensauffällige Hunde entstehen solle.

• LPT gab sich im Februar den neuen Namen "Provivo Biosciences GmbH und Co. KG" und präsentierte mit Thomas Wiedermann einen neuen Geschäftsführer.

• Im Juni beschloss der niedersächsische Landtag eine Eingrenzung von Tierversuchen. Kurz zuvor hatte sich die Landespolitik darauf verständigt, die Genehmigung und Kontrolle der Tierversuche beim Landesamt für Verbraucherschutz (LAVES) zu zentralisieren.#%Sachstand:

Sachstand:
Die Eröffnung des Tierzentrums Neu Wulmstorf auf dem früheren LPT-Gelände war erstmals für April angekündigt, dann für September. Das Tierzentrum soll unter der Leitung von der gelernten Tierheilpraktikerin Doris Firlus, die 20 Jahre beim Hundekontrolldienst Hamburg arbeitete, entstehen. Seit Juli liegt zwar eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung des Tierversuchslabors in ein Tierheim vor, und der Umbau durch die neuen Nutzer ist in vollem Gange. Laut dem Landkreis Harburg müssten für eine tierschutzrechtliche Genehmigung für den Betrieb eines Tierzentrums u.a. von der künftigen Leitung noch diverse Sachkundenachweise erbracht und ein Auszug aus dem Gewerbezentralregister vorgelegt werden. Weiterhin seiensind laut Landkreis ein Stellvertreter und ein den Tierbestand betreuender Tierarzt Voraussetzung. Derzeit sucht das Tierzentrum via Facebook einen Tierarzt oder eine Tierärztin auf 25-Stunden-Basis.

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Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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