Gedanken zu vergessenen Feiertagen
Manövriermasse des jeweiligen Zeitgeistes

Pastor Rolf Adler | Foto: Carolin Wöhling
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Foto: Helena GARCIA@AdobeStock.com

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(bim). Buß- und Bettag und Volktrauertag galten einst als Feiertage, um zur Besinnung zu kommen oder der Opfer und Gefallenen der Kriege zu gedenken. Doch wer aus der jüngeren Generation kann noch etwas mit diesen (fast vergessenen) Feiertagen anfangen? Tostedts Pastor Rolf Adler widmet sich auf WOCHENBLATT-Anfrage diesem Thema:

"Feiertage werden erfunden, abgeschafft und manchmal wieder zu neuem Leben erweckt. Sie gehörten immer schon zur Manövriermasse des Zeitgeistes. Im Sommer 1871 schlug der Pastor und Sozialreformer Friedrich von Bodelschwingh vor, die Schlacht gegen Frankreich bei Sedan (2. September 1870) im nationalen Festkalender zu verankern. Seine Idee: „Die Väter werden den Kindern erzählen von ihren Erlebnissen im Feindesland!“ Doch von Bodelschwingh bekam Gegenwind. Vielen war das Ansinnen zu national, zu preußisch, zu protestantisch. Dennoch etablierte sich der Sedantag als eine Art Feind-Gedenktag. Als Franzosen und Deutsche dann im Jahre 1900 gemeinsam in China kämpften, wurden die Sedanfeiern in ganz Deutschland abgesagt. Das ideologische Muster passte plötzlich nicht mehr in die politische Landschaft.
Manchen Feiertagen ist
die Puste ausgegangen

Wenn die Kirchen für den Erhalt kirchlicher Feiertage werben, dann müssen sie begründen, wozu z.B. ein Buß- und Bettag gut ist. Gleiches gilt für den eher weltlichen Volkstrauertag. In den letzten Jahren ist diesen Feiertagen die Puste ausgegangen. Der Buß- und Bettag hat seinen Status als gesetzlicher Feiertag verloren. Der Volkstrauertag leidet unter mangelndem Interesse. Es muss also gefragt werden, welche Gesinnungsimpulse diese Feiertage für die Gesellschaft noch bereithalten.
Kirchen rufen zu
Buße und Besinnung

Wenn die Kirchen zur Buße rufen, dann laden sie zu Besinnung. Besinnung unterbricht die Routinen des Alltags. Der Philosoph und Anthropologe Max Scheler hat bereits Mitte der 1920er Jahre vor unreflektierten Alltagsroutinen gewarnt. Seine These: Wo das gesellschaftliche Leben in Arbeit und Alltag zur reinen Produktion schrumpft, haben es Orientierungswerte schwer. Die Gesellschaft nimmt Schaden an ihrer Resonanzfähigkeit für Güte, Selbstlosigkeit, Gerechtigkeit und Liebe. Ihr droht eine schädliche Seelentaubheit.
Beitrag zur gesellschaftlichen
Resonanzfähigkeit

Der Buß- und Bettag könnte vor solchem Hintergrund ein Beitrag zur gesunden Balance von Alltagskalkül und der Suche nach dem Guten sein. Er wäre dann ein Beitrag zur gesellschaftlichen Resonanzfähigkeit für höhere Werte. Buße wäre vor solchem Hintergrund keine religiöse Übung, deren angemessener Ausdruck der fuchtelnde Zeigefinger wäre. Buße steht hier für die gemeinsame Möglichkeit, über das Tagesgeschäft hinauszuschauen. Wenn die Kirchen zur Buße rufen, pflegen sie sowohl das individuelle als auch kollektive Orientierungsvermögen.
Opfern von Krieg und
Gewaltherrschaft gedenken

Zum Volkstrauertag/Friedenssonntag wird an die Mahnmale geladen. Hier wird der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht. Auch das dient der Pflege gemeinsamer Wahrnehmungsfähigkeit. Kirchen beteiligen sich an dieser Erinnerung. Sie solidarisieren sich mit ihrem Gedenken gegen das Vergessen. Opfergedenken, Schuldeingeständnis und Friedensverpflichtung werden so zum öffentlichen Statement. Dabei stärken sie die Vorbehalte gegen jede Form von Gleichschaltung, Jubelnationalismus und Fanatismus.
Welche Erzählungen gibt es in
der künftigen Feiertagskultur?

Feiertage erzählen immer eine Geschichte. Sie fordern zur Stellungnahme auf. Heute erkennen wir, dass unsere Gesellschaft kulturell vielfältiger wird. Wir stehen vor der Frage, welche Erzählungen wir zukünftig in unseren Feiertagskalender aufnehmen wollen. Dabei kann es nicht allein um die Wiederbelebung alter Traditionen gehen. Wir werden fragen müssen, welche Gesinnungsstärkung unsere freiheitliche Demokratie heute braucht. Mehr interkulturelles Interesse könnte ein Schlüssel zu ganz neuen Gedenktagen sein."

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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