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Schlechte Zeiten für angehende Fahranfänger
Fahrlehrer als Prellböcke für fehlende Prüftermine

Fahrlehrer und Fahrschüler müssen sich aktuell lange anstellen, wenn sie einen Führerschein-Prüfungstermin bekommen wollen  | Foto: Fahrschule Fahrwerk / Christian Grau
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JOBS und KARRIERE

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(bim). Einen Führerschein zu haben, bedeutet Flexibilität und Unabhängigkeit und ist vor allem in ländlichen Regionen vielfach unerlässlich. Umso schlimmer wirken sich jetzt die Corona-Maßnahmen auf die angehenden Fahranfängerinnen und Fahranfänger aus, die wochen- oder monatelang auf einen Termin für die Führerscheinprüfung warten müssen. Weil die Fahrschulen Corona-bedingt von März bis Mai 2020 geschlossen waren, gibt es einen Rückstau bei den Fahrstunden - und auch bei den Prüfungsterminen, da beim TÜV Nord das Personal fehlt, um die Prüfungen abzunehmen. Das sorgt für Unmut bei allen Beteiligten. Den Frust von Fahrschülern und Eltern bekommen vor allem die Fahrschulen zu spüren. "Wir sind die Sündenböcke", klagt Fahrlehrer Christian Grau.
Theorieprüfung läuft
nach einem Jahr ab

Eine Betroffene ist Fahrschülerin Anna Martha Schubert (26) aus Jesteburg, die seit zwei Monaten auf einen Prüfungstermin wartet. "Ich brauche den Führerschein für meinen Beruf im Einzelhandel, um zu meiner Arbeitsstelle zu kommen. Bei den Arbeitszeiten muss man flexibel sein", sagt sie. "Derzeit werde ich entweder von meinem Freund gefahren oder nutze Bus und Bahn", erklärt die 26-Jährige. Die ÖPNV-Angebote reichen da aber oft nicht aus. "Was nervig ist: Ich muss bis zum 3. August meine Führerscheinprüfung ablegen, sonst muss ich von vorne anfangen." Denn die Theorieprüfung - so erläutert Fahrlehrer Christian Grau - läuft nach einem Jahr ab und muss dann wiederholt werden. Unter anderem wegen der Corona-Auflagen konnte die 26-Jährige häufiger nicht fahren. "Man ist wirklich unter Druck und will es endlich schaffen", sagt Anna Martha Schubert. Und in den Fahrschulen stehen die prüfwilligen Fahrschüler Schlange.
Geldbeutel junger
Menschen wird belastet

Hinzu kommt: Je länger die Fahrschüler warten, desto mehr Fahrstunden brauchen sie. Das belastet den Geldbeutel der jungen Menschen, die gerade am Beginn von Ausbildung oder Arbeitsleben stehen. Und diejenigen, die den Führerschein vom Jobcenter finanziert bekommen, um eine Arbeitsstelle annehmen zu können. "Man sollte mindestens einmal pro Woche fahren, um nichts zu vergessen. Wir schieben die prüfwilligen Fahrschüler von einer Woche zur nächsten", berichtet Fahrlehrer Grau. Von 25 beantragten Prüfungen wurden Mitte Mai 18 durchgeführt. In der übernächsten Woche wollen 64 Fahrschüler ihre Prüfungen ablegen, nur elf haben einen Termin bekommen.
Und der Gesetzgeber hat sich ausgerechnet inmitten der Corona-Pandemie und den daraus resultierenden Problemen noch eine weitere Hürde "ausgedacht": das elektronische Prüfprotokoll. Die Prüfer werten die Fahrten auf dem Laptop aus und stellen dem Fahrschüler die Ergebnisse per App zur Verfügung. Dadurch haben sich die Zeiten für die einzelnen Prüfungen verlängert.
Nur ein Viertel der
beantragten Prüfungen

"Seit geraumer Zeit bekommen wir gerade mal ein Viertel der Prüfungen, die wir ursprünglich gefordert haben, vom TÜV zugeteilt", schreibt Fahrlehrer Christian Grau in einem Instagram-Post, mit dem er Fahrschüler und Eltern um Verständnis für die Prüfungswartezeiten bittet. "Dies betrifft nicht nur unsere Fahrschule, sondern alle Fahrschulen, die durch den TÜV Nord geprüft werden - Lüneburg, Winsen, Walsrode bis Stade." Christian Grau vermutet, dass der TÜV versäumt habe, neue Prüfer auszubilden, oder es an Fachkräften mangele. Das bestätigt Fahrlehrer Michael Detlefsen. Er beklagt außerdem die mangelnde Kommunikation mit dem TÜV Nord, weil man dort mitunter niemanden erreiche, um Prüftermine nachzubestellen.
Der Fahrlehrerverband Niedersachsen und der TÜV hätten das Problem bereits mehrfach diskutiert, aber keine Lösung gefunden. Hier sei die Politik gefordert, indem sie z.B. die Fahrprüferausbildung auch Fahrlehrern ermögliche, schlägt Grau vor.
Elektronisches
Prüfprotokoll

Durch das zum 1. Januar eingeführte elektronische Prüfprotokoll und die daraus resultierenden verlängerten Prüfzeiten könnten am Tag nicht mehr acht, sondern nur noch sechs oder sieben Fahrschüler ihre Prüfung ablegen. Die verlängerten Prüfzeiten hält auch Michael Detlefsen für ein großes Übel. Dadurch verlängern sich die Fahrzeiten um zehn Minuten für den Autoführerschein und um 25 Minuten für den Kraftradführerschein bis 125 cm³. Und Prüftermine könnten so auch nicht mehr getauscht werden, falls ein Fahrschüler ausfalle.
Ebenso habe sich die Bearbeitungszeit in der Führerscheinstelle um zwei Wochen verlängert, sagt Grau. Darüber hatten sich bereits im vergangenen Oktober mehrere Fahrlehrer aus dem Landkreis Stade beschwert (das WOCHENBLATT berichtete). Demnach hätten Fahrschüler vier bis sechs Wochen auf den Lappen warten müssen. Doch die Führerscheinstellen in beiden Landkreisen wiegeln ab. Bei rechtzeitiger Beantragung - sechs Wochen braucht die Bundesdruckerei für die Bearbeitung - könne der Führerschein am Tag der bestandenen Prüfung überreicht werden.
Probleme durch
die Pandemie

Durch die Pandemie waren die Fahrschulen vor weitere Herausforderungen gestellt - nicht nur durch die dreimonatige Zwangsschließung im vergangenen Jahr. Mal durfte der Theorieunterricht nur online stattfinden, dann wieder in Präsenz, aber mit Abstand, sodass nur noch halb so viele Fahrschüler unterrichtet werden konnten. In der Zeit mussten die Fahrlehrer mehr Theoriestunden anbieten und konnten weniger Fahrstunden durchführen. Aktuell ist wieder Online-Unterricht möglich.
Nachdem er Eltern und Fahrschüler via Instagram über die schwierige Situation informiert hat, will Christian Grau jetzt einen radikalen Schritt gehen. "Im Juli und August nehmen wir keine Neuanmeldungen von Fahrschülern an", erklärt er. Dadurch würde ihm zwar ein wirtschaftlicher Schaden von rund 60.000 Euro entstehen, aber: "Ich will, dass mein Name für Qualität steht, und nicht für verärgerte Schüler und Eltern."

Der TÜV Nord erklärt, woran es hapert

Auf WOCHENBLATT-Anfrage erläutert der TÜV Nord, warum die Fahrschüler vielfach auf Prüfungstermine warten müssen: "Wie in vielen anderen Städten und Kreisen bundesweit, konnte der Fahrschul- und Prüfbetrieb im vergangenen und in diesem Jahr nicht uneingeschränkt durchgeführt werden", teilt Rainer Camen von der Pressestelle mit. Die Gründe:

  • erhöhte Personalausfälle (z.B. durch enge Kontakte zu COVID-19-Infizierten während der praktischen Prüfung und damit verbundener 14-tägiger Quarantäne der Fahrerlaubnisprüfer)
  • krankheitsbedingte Terminabsagen bei Bewerbern und Fahrlehrern , die weiterhin zu kurzfristig nicht nutzbaren Kapazitäten und zusätzlichen Terminverschiebungen führten
  • Auswirkungen von Schutzmaßnahmen (Hygienekonzepte, Tragezeitbegrenzung beim Tragen von FFP2-Masken) und damit verbunden eine eingeschränkte Prüfplatzanzahl an einigen Theorie-Prüfungsstandorten
  • verzögerte Prüfauftragsbearbeitung bei Fahrerlaubnis-Behörden
  • begrenztes Angebot von Erste-Hilfe-Kursen.

"Seit Anfang des Jahres beobachten wir ein signifikantes Steigen der Durchfallquote bei praktischen Prüfungen. Was wiederum zu einem (nicht geplanten) Mehrbedarf an Prüfungen führt. Diese und weitere Einschränkungen führen auch bei uns als Prüforganisation dazu, dass der Prüfbetrieb trotz hohem zusätzlichen sachlichen und personellen Aufwand nur eingeschränkt fortgeführt werden kann", erklärt Camen.
Zusätzlich zu den Wiederholungsprüfungen (Nichtbestehens-Quote) würden die Prüfaufträge der Zweiradklassen zunehmen. Und die Prüfzeiten hätten sich mit der Einführung der optimierten praktischen Fahrerlaubnisprüfung (= digitales Prüfprotokoll / OPFEP) durch den Gesetzgeber verlängert. "Auch wenn dieser Sachverhalt durch Personaleinstellungen in den Vorjahren bereits berücksichtigt wurde, führt der gestiegene Gesamtaufwand in der aktuellen Corona-Situation zu einer nicht planbaren Verschärfung."
Um den Prüfplatznachfragen trotzdem gerecht zu werden, seien folgende interne Maßnahmen ergriffen worden, um in absehbarer Zeit einen Normalbetrieb zu erreichen, u. a.:

  • Ausschöpfung sämtlicher Dispositionsmöglichkeiten,
  • Bereitschaft für Mehr-, Samstagsarbeit und Urlaubsverzicht der Fahrerlaubnisprüfer,
  • Personalausleihe aus anderen Arbeitsgebieten
  • Verschiebung bereits genehmigter Urlaubstage.

Der TÜV Nord setze alles daran, um die Situation schnellstmöglich zu normalisieren. Die Prüfer bitten aber um Verständnis. "Denn nur in verständnisvoller und solidarischer Kooperation von Fahrerlaubnisbehörden, Fahrschulen, Fahrschülern und TÜV wird es gelingen, die aktuellen Herausforderungen zu stemmen."

Fahrlehrer und Fahrschüler müssen sich aktuell lange anstellen, wenn sie einen Führerschein-Prüfungstermin bekommen wollen  | Foto: Fahrschule Fahrwerk / Christian Grau
Fahrschülerin Anna Martha Schubert würde gern die Führerscheinprüfung bei Fahrlehrer Christian Grau ablegen, aber es gibt kaum Prüfungstermine  | Foto: bim
Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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