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Osterfeuer im Landkreis Stade

Als Weihnachten die Deiche brachen

Eine zeitgenössische Darstellung der Weihnachtsflut    Karte: Wikipedia
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  • Eine zeitgenössische Darstellung der Weihnachtsflut Karte: Wikipedia
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Foto: Helena GARCIA@AdobeStock.com

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jd. Wischhafen. Es war stürmisch an diesem Heiligabend vor genau 300 Jahren. Doch gegen Abend legte sich der Sturm, die Menschen gingen schlafen - in dem Glauben, die Nordsee habe sich beruhigt. Viele bezahlten diesen Irrtum mit ihrem Leben: Der Orkan frischte in der Nacht wieder auf und tobte mit gewaltiger Macht. An der gesamten Nordseeküste brachen in den frühen Morgenstunden des 25. Dezember 1717 die Deiche. Die Küstenbewohner wurden im Schlaf überrascht. Mehr als 10.000 Menschen ertranken. Diese stärkste Sturmflut seit dem Mittelalter ging als "Weihnachtsflut" in die Geschichte ein.

Im heutigen Kreis Stade war Kehdingen am stärksten betroffen. Spuren dieser Flutkatastrophe sind noch immer zu finden. Dazu zählt das Naturfreibad in Krummendeich. Der jetzige Badeteich entstand bei der Flut von 1717. Alten Chroniken zufolge waren in Kehdingen 421 Todesopfer zu beklagen. Auch das Vieh kam in den Fluten um: 5.000 Rinder, knapp 2.000 Schafe sowie jeweils mehr als 1.000 Pferde und Schweine verendeten.

Es kam noch schlimmer: Das salzige Nass stand vielerorts wochen- und monatelang auf den Feldern und bildete eine regelrechte Wasserwüste. Die gebrochenen Deiche boten keinen Schutz mehr. Hab und Gut waren vernichtet. An eine Ernte war auf Jahre nicht zu denken. In der wärmeren Jahreszeit grassierte das "Marschenfieber": Die Malaria und andere Seuchen rafften die Menschen hinweg. Hilfe von den Behörden gab es kaum, es herrschten Hunger und Elend.

Für Not und Verzweiflung sorgte die Weihnachtsflut vor allem rund um Wischhafen: Dort hatte die entfesselte Elbe den Deich mitsamt der Entwässerungsschleuse weggespült. Es bildete sich eine breite Wasserrinne, die Wischhafener Bracke, die sich landeinwärts wie ein Priel im Watt verzweigte und durch die das Wasser bei Ebbe und Flut hinein- und hinausströmte.

Immer wieder versuchten die Kehdinger, die Lücke im Deich zu schließen. Doch jahrelang war alle Mühe vergebens: Es gelang nicht, wieder eine durchgängige Deichlinie entlang der Wischhafener Süderelbe zu errichten. Selbst Deichbauer aus Holland scheiterten. Schließlich entschied die Regierung des Königreichs Hannover, zu dem damals das Elbe-Weser-Gebiet gehörte, das riesige Brackfeld auszudeichen.
Im Norden und Süden dieser rund 550 Hektar großen Fläche wurden zwei neue Deiche gebaut, die das übrige Land gegen das Hochwasser abriegelten. Kehdingen war damit zweigeteilt. Diese beiden sogenannten Flankendeiche gibt es immer noch.

Die stummen Zeitzeugen dienen aber längst anderen Zwecken: Der nördliche Moordeich ist ein beliebter Wanderweg und der südliche Deich bildet den Fahrdamm der B 495. Wer von Wischhafen nach Hemmoor unterwegs ist, mag sich vielleicht schon gewundert haben, warum die Straße bei Wolfsbruch hoch liegt. Die wenigsten wissen, dass sie auf dem einst so wichtigen Schutzdeich fahren, der die Elbfluten von Südkehdingen fernhielt.

Erst ein Vierteljahrhundert nach der dramatischen Flut, im Jahr 1742, gelang es, den gebrochenen Deich bei Wischhafen wiederherzustellen - allerdings in einem großen Bogen 800 Meter landeinwärts, weil die mehrere Meter tief ausgespülte Bracke keinen Halt für den aufgeschütteten Kleiboden bot. Auf der wieder eingedeichten Fläche, dem "neuen Land", wurde eine Ortschaft gegründet: Neuland. Neuer Grundherr war der hannoversche König. Der Staat hatte den Deichbau übernommen, da es den Kehdinger Bauernschaften an dieser Stelle aus eigener Kraft nicht gelungen war, ihren Grund und Boden wieder einzudeichen. Es galt die alte Regel: "Deichen oder weichen!"

Die jahrelangen Arbeiten am Wischhafener Deichbruch von 1717 gelten übrigens als eine der teuersten Deichbaumaßnahmen aller Zeiten an der deutschen Nordseeküste: Innerhalb von 25 Jahren entstanden Kosten von rund 500.000 Talern. Das entspricht heute einem Wert von etwa 100 Mio. Euro.

Keine Sicherheit hinter den Deichen

Intensiv mit den Folgen der Weihnachtsflut hat sich der Stader Kreisarchäologe Daniel Nösler befasst. Er war auch einer der Referenten auf dem Thementag zur Sturmflut von 1717, den die AG Osteland kürzlich in Freiburg ausgerichtet hat. Die Experten befassten sich nicht nur mit den Auswirkungen der historischen Flutkatastrophe, sondern stellten auch den Bezug zur Gegenwart her.

Denn die Menschen leben auch heute hinter den Elbdeichen keineswegs sicher. Als Folge des Klimawandels steigt der Pegel der Nordsee und die geplante Elbvertiefung kann nach Meinung von Fachleuten dazu führen, dass die Flutwellen noch heftiger auf die Deiche treffen.

Auf der Internetseite der AG Osteland (www.ag-osteland.de/1717-1/ ) sind zahlreiche Informationen sowie interessante Buchtipps zum Thema zu finden.
Eine der wichtigsten Arbeiten stammt von Richard Toborg. ("Die Weihnachtsflut von 1717"). Sein Buch diente auch als Quelle für diesen Artikel.

Ausstellung zur Weihnachtsflut

Wer sich näher mit der Weihnachtsflut befassen will, sollte über die Feiertage einen Ausflug nach Otterndorf (Kreis Cuxhaven) machen. Im historischen Rathaus läuft noch bis zum 7. Januar eine Sonderausstellung zur Weihnachtsflut. Neben Kehdingen war die Region um Otterndorf, das Land Hadeln, damals am stärksten betroffen.

• Öffnungszeiten: donnerstags bis sonntags von 15 bis 17 Uhr. An Heiligabend ist geschlossen.

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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