"Weg von der Flächenwirtschaft" - Podiumsdiskussion zu regionaler Lebensmittelversorgung
as. Ehestorf. Sojabohnen werden in Südamerika angebaut, dann an Schweine in Deutschland verfüttert, die wiederum als Speck auf russischen Tellern landen. Durch die Globalisierung ist unsere Lebensmittelversorgung höchst komplex geworden. Ob und wie das anders gehen kann, das war jüngst Thema der Podiumsdiskussion „Land nährt Stadt“ im Freilichtmuseum am Kiekberg in Ehestorf. Siedlungswissenschaftler und Autor Prof. Dr. Ralf Otterpohl, Thomas Jörck, Leiter der „Bioinsel Harburg“ und Biolandwirtin Annette Tenthoff sowie die Studentin Sarah Joseph diskutierten mit den Besuchern. Autorin Dr. Tanja Busse moderierte die Veranstaltung.
„Eine rein regionale Versorgung der Region Hamburg ist möglich“, so lautet das Fazit einer Fallstudie von Sarah Joseph. Allerdings gelinge das nur, wenn die Ernährungsgewohnheiten umgestellt werden. Denn wieviel landwirtschaftliche Fläche wir für die Versorgung der Stadt brauchen, hängt u.a. davon ab, was bei uns auf dem Teller liegt. Fleisch benötigt Fläche: 2015 lag der durchschnittliche Fleischkonsum in Deutschland bei 87 Kilo pro Kopf - für die Fleischproduktion werden 72 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen genutzt. Würden sich die Menschen an die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung halten und ihren Fleischkonsum um 72 Prozent reduzieren, könnten Bauern aus dem 100-Kilometer-Radius die gesamte Region und Hamburg sogar mit ökologisch angebauten Produkten versorgen.
Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg. „Die Konsumenten müssen wieder an regionale Lebensmittel herangeführt werden“, so der Tenor. Eine Idee: Ernährung als Schulfach einführen. „Die Kommunen sollte außerdem stärkeren Einfluss auf Schulkantinen und Kindergärten nehmen, statt bloß Empfehlungen auszusprechen. 2014 haben erst 20 Prozent der Schulen Bioessen angeboten“, sagt Thomas Jörck.
Annette Tenthoff wünscht sich eine klarere Kennzeichnung von regionalen Produkten. „Was nützt es, wenn das Fleisch zwar aus Hamburg kommt, das Tierfutter aber um die Welt geflogen ist?“, sagt Annette Tenthoff. Und wird deutlich: „Futter aus Südamerika ist ein Verbrechen an der Umwelt!“
Ralf Otterpohls Vision lautet „Neues Dorf“: Mehr Menschen ziehen von der Stadt wieder aufs Land und bewirtschaften in Teilzeit kleine Flächen landwirtschaftlich. „Wir müssen weg von der Flächenwirtschaft hin zu einer vielfältigen Permakultur“, so Otterpohl.
Thomas Jörck glaubt, dass mit Aufklärung viel erreicht werden kann: „Wir können durch unser Know-how und den Service Kunden für kleinere Bioläden gewinnen, wenn wir sie darüber informieren, wo unsere Produkte herkommen, wieso einige Produkte teurer sind - und weshalb wir sie trotzdem ausgewählt haben“, sagt Thomas Jörck. „Die Verbraucher sollten mehr Vertrauen in die Region und ihre Produkte haben!“
Redakteur:Anke Settekorn aus Jesteburg |
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