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Was ist das Tierwohl wert?

Diskutierten über Tierwohl-Label: (v. li.): Jörn Ehlers, Dr. Tanja Busse, Ulrich Peper, Ina Müller-Arnke und Armin Valet | Foto: as
  • Diskutierten über Tierwohl-Label: (v. li.): Jörn Ehlers, Dr. Tanja Busse, Ulrich Peper, Ina Müller-Arnke und Armin Valet
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"Tierwohl-Label auf dem Prüfstand": Podiumsdiskussion im Freilichtmuseum am Kiekeberg

as. Ehestorf. "Für mehr Tierschutz", "Initiative Tierwohl", "Tierschutz kontrolliert", "Neuland", "Demeter", "Bio" oder das jüngst von Agrarministerin Julia Klöckner angekündigte staatliche Tierwohl-Label - immer mehr Verbraucher möchten wissen, wie die Tiere gehalten wurden. Die Vielzahl der Tierwohl-Label mit ihren unterschiedlichen Richtlinien sorgt häufig aber eher für Verwirrung als Klarheit.
Das war jetzt Thema einer Podiumsdiskussion im Freilichtmuseum am Kiekeberg. Ina Müller-Arnke ("Vier Pfoten" Stiftung für Tierschutz), Schweinelandwirt und Vizepräsident des Landvolkes Niedersachsen Landesbauernverband, Jörn Ehlers, Ulrich Peper (Landwirtschaftskammer Niedersachsen) und Armin Valet (Verbraucherzentrale Hamburg) haben über die Label und den Tierschutz diskutiert. Moderiert wurde die Veranstaltung von der Journalistin Dr. Tanja Busse. Konsens herrschte darüber, dass ein solches Tierwohl-Label nur zu einem Wandel in der Tierhaltung funktionieren kann, wenn die Verbraucher bereit sind, für mehr Qualität auch mehr zu zahlen.
Landwirt Jörn Ehlers hat in seinem Betrieb 2.000 Schweine, davon rund 1.600 in konventioneller Haltung und 400 auf Stroh. Seit drei Jahren ist er Teil der "Initiative Tierwohl", einer Gemeinschaftsaktion der Landwirtschaft, der Fleischwirtschaft und des Lebensmittelhandels. Ziel der Initiative ist es, möglichst vielen Tieren zu besseren Lebensbedingungen zu verhelfen. Betriebe, die über die gesetzlichen Anforderungen hinaus etwas für das Tierwohl tun, werden aus einem Fonds finanziell belohnt. Tierschützer kritisieren u.a., dass die Standards zu niedrig seien. Im Stall von Jörn Ehlers haben die Tiere jetzt ein bisschen mehr Platz (1,1 Quadratmeter pro Tier statt des gesetzlich vorgeschriebenen einen Quadratmeters), er hat u.a. mehr Fenster eingebaut und den Tieren Beschäftigungsmaterial zur Verfügung gestellt. Rund 15.000 Euro hat er dafür investiert. "Der Vorteil dieses Labels ist, dass sich der Landwirt aus einem Maßnahmenkatalog die Maßnahmen aussuchen kann, die zu seinem Betrieb passen", sagt der Landwirt. Denn nicht alle Maßnahmen könnten in jedem Betrieb erfolgreich umgesetzt werden. Dass Handelskonzerne wie Lidl jetzt eigene Label auf den Markt bringen, hält er für bedenklich. "Der Erzeuger macht sich so abhängig von einem Händler." Eine staatliche Regelung mit einem einheitlichen Tierwohl-Siegel halte er für sinnvoll. "Die Initiative Tierwohl hat gezeigt, dass die Landwirte mitmachen - wenn sie dafür bezahlt werden".
Auch Ulrich Peper von der Landwirtschaftskammer sieht den Knackpunkt im Preis. "Für eine artgerechte Haltung müssten Fleischpreise erzielt werden, für die man derzeit bei den Verbrauchern keine Bereitschaft erkennen kann." Und er gibt zu bedenken: "Das Label allein sorgt nicht dafür, dass es dem Tier gut geht." Gut gehe es den Tieren nur, wenn die Summe der Rahmenbedingungen in Ordnung sei. "Tiere auf Stroh sind nicht per se glücklich." Auch konventionelle Ställe würden gut funktionieren.
Die Tierschützer von "Vier Pfoten" haben mit dem Label "Tierschutz kontrolliert" bereits ein zweistufiges freiwilliges Label auf dem Markt, dessen Anforderungen Haltung, Transport und Schlachtung betreffen. Dennoch fordert Ina Müller-Arnke trotz zahlreicher freiwilliger Siegel eine verpflichtende Haltungskennzeichnung mit klaren Kriterien. "Nur so kann der Verbraucher eine fundierte Entscheidung treffen!" So könnte das System, mit dem Eier gekennzeichnet werden, auch für Fleisch- und Milchprodukte umgesetzt werden. Stufe 3 erfüllt dabei den gesetzlichen Mindeststandard und Stufe 0 entspricht dem EU-Bio-Standard. "Es gibt viele verschiedene Label-Modelle. Aber alles steht und fällt mit den Kriterien für die Einstiegsstufe", sagt Müller-Arnke. Ein staatliches Label solle höhere Anforderungen stellen als z.B. die Initiative Tierwohl. Wie bei Eiern aus Käfighaltung können so ein Haltungskennzeichen zu wesentlichen Änderungen im Haltungsystem führen. "Dann kann der Verbraucher entscheiden und den Markt umwandeln!"
Armin Valet vom Verbraucherschutz hofft, dass ein staatliches Siegel dem "Label-Dschungel" ein Ende bereitet. "Zwei Drittel der Verbraucher würden mehr Geld für Fleisch bezahlen, wenn die Tierhaltung tatsächlich besser wäre", so Valet. Dafür müssten sie das aber auch auf den ersten Blick erkennen können. Valet betonte zudem die große Rolle, die dem Handel dabei zukomme. "Die Verbraucher können ja nur kaufen, was im Handel angeboten wird". Das staatliche Label solle die Verbraucher überzeugen, für mehr Qualität auch mehr Geld zu zahlen.
Bei der Veranstaltung meldeten sich auch einige Landwirte zu Wort. "Der Verbraucher will alles, aber es darf nicht mehr kosten", ärgerte sich ein Landwirt. Label seien eine gute Sache, aber Landwirte müssten wirtschaftlich denken. "Wir werden uns den Ansprüchen der Verbraucher stellen müssen, dafür müssen wir aber auch mehr Geld erhalten."

Redakteur:

Anke Settekorn aus Jesteburg

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