Staatsanwaltschaft Stade erhebt keine Anklage
Erschossener Flüchtling (19): Polizist handelte in Notwehr

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tk. Stade. Diese Entscheidung der Staatsanwaltschaft Stade wird bundesweit für Beachtung sorgen: Der Polizeibeamte (27), der im August 2019 einen jungen Mann (19) aus Afghanistan in einer Mehrfamilienhaus in Stade-Bützfleth erschossen hat, hat in Notwehr gehandelt. Es wird keine Anklage erhoben. Dass der 19-Jährige psychisch krank war, bei ihm wurde Schizophrenie diagnostiziert, spielt bei der juristischen Bewertung keine Rolle. Gegen die Notwehrsituation spreche aus staatsanwaltschaftlicher Sicht auch nicht, dass der Beamte fünf Schüsse aus seiner Dienstwaffe abgegeben hat, wobei ein Schuss '"unmittelbar tödlich war", so Oberstaatsanwalt Kai Thomas Breas, Sprecher der Staatsanwaltschaft Stade.

Zehn Monate haben die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stade zum dem Einsatz am 17. August in Stade-Bützfleth gedauert. Was bislang bekannt war: Ein Bewohner des Hauses hatte die Polizei alarmiert, weil er von dem 19-Jährigen bedroht worden ist. Zwei Streifenwagen, also vier Beamtinnen und Beamte, waren im Einsatz. Der junge Mann bedrohte die Polizisten mit einer Hantelstange. Pfefferspray konnte ihn nicht stoppen. Daraufhin hatte der eine Polizist die Schüsse abgegeben.

Fünf Schüsse aus der Dienstwaffe

Kai Thomas Breas präzisiert jetzt den Einsatzverlauf: Der junge Mann, der die Beamten gerufen habe, habe zitternd vor den ersten Einsatzkräften gestanden. Er hatte Angst vor dem Afghanen, der auch ihn mit der Hantelstange bedroht habe. Zwei Polizeibeamtinnen hätten am geöffneten Fenster gestanden und ihre beiden Kollegen seien in den Raum gegangen, der nach Worten von Breas relativ klein und eng war - er spricht von zehn bis 15 Quadratmetern - in dem sich der junge Afghane aufhielt. Nach Angaben der vier am Einsatz beteiligten Kräfte habe der 19-Jährige die Beamten mit der Hantelstange, die 1,20 Meter lang war,. bedroht. Alle vier Polizisten hätten daraufhin Pfefferspray eingesetzt. Das habe keine Wirkung gezeigt. Nach Aussagen der Polizisten soll der 19-Jährige das Reizgas "geradezu inhaliert haben", so Breas.
Dann muss die Situation eskaliert sein. Mit erhobener Metallstange sei der junge Mann weiter auf die beiden Beamten zugekommen. Nach Aussagen der Polizeikräfte habe der Afghane gesagt "dann erschießt mich doch" oder "schießt doch". 

Der 27-jährige Polizist hat daraufhin zu seiner Waffe gegriffen. "Es wurden fünf Patronenhülsen am Tatort gefunden", erklärt der Oberstaatsanwalt. Zeugenaussagen zur Anzahl der Schüsse waren widersprüchlich gewesen. Zwei Patronen steckten im Körper des jungen Mannes. Eine Patrone hat unmittelbar zum Tod geführt. Der 19-Jährige konnte nicht mehr vom Notarzt reanimiert werden.

Dass der betroffene Beamte fünf Mal geschossen habe, spreche nicht gegen Notwehr, so Breas. Im niedersächsischen Polizeigesetz stehe, dass der Schusswaffengebrauch solange rechtmäßig sei, bis die unmittelbare Gefahr abgewendet ist.

Afghane war psychisch krank

Im Rahmen der Ermittlungen wurde das Leben des Afghanen, der als 15-Jähriger alleine nach Deutschland gekommen ist, gründlich durchleuchtet. Er litt nachweisbar an einer psychischen Erkrankung. Im Dezember 2018 ist er vom Amtsgericht in die Psychiatrie zwangseingewiesen worden. Im Beschluss des Gerichts wurde auch eine Fixierung für mehrere Tage ans Bett erlaubt. Der Mann war zuvor mit einem Messer durch die Stader Innenstadt gelaufen und habe gesagt, dass er Gott sei oder mit Gott reden könne. Nach Aussagen von Ärzten bestehe die Vermutung, dass der psychisch Kranke seine Medikamente nicht oder nicht ausreichend bzw. richtig eingenommen habe. Nach Worten von Oberstaatsanwalt Breas sei unklar, ob die vier Polizeibeamte von der psychischen Erkrankung des Mannes gewusst haben. Für sie sei durch die Aussagen des Mitbewohners, der die Polizei gerufen hat, auf jeden Fall deutlich gewesen, dass es eine nicht einfache Situation vor Ort gewesen sei.

Der Anrufer war Türke. Der Getötete soll zuvor gedroht haben, Rache an Türken zu nehmen. Laut Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sei die Beziehung des Afghanen zu einer jungen Türkin durch deren Vater unterbunden worden. Das habe offenbar zu einem Hass auf Türken bei dem 19-Jährigen geführt.
Angesichts der aktuellen durch einen tödlichen Polizeieinsatz in den USA ausgelösten Debatte über Polizeigewalt betont Oberstaatsanwalt Kai Thomas Breas, dass es keinerlei rassistische Hintergründe bei diesem Einsatz gegeben habe. 

Wie es jetzt weitergeht, ist derzeit noch offen. Gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Stade kann Widerspruch bei der Generalstaatsanwaltschaft in Cell eingelegt werden. Der Bruder des Getöteten, der in Australien lebt, könnte diesen Schritt gehen. Denkbar wäre es auch, dass eine Institution wie eine Flüchtlingsinitiative eine sogenannte fachliche Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den ermittelnden Staatsanwalt einleitet.

Redakteur:

Tom Kreib aus Buxtehude

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