Letzter Teil der Serie über Rassismus:
"Für uns ist der Weg nicht mit Blumen geschmückt"
(tk). Mit diesem Artikel endet die Serie über Menschen, die von Rassismus betroffen sind oder sich als Nicht-Betroffene von Ausgrenzung darüber Gedanken machen. Das WOCHENBLATT hat damit die Onlineveranstaltungen "Solidarität.Grenzenlnlos" begleitet.
Zum Abschluss schreibt Rasha Jarweh, die seit fünf Jahren in Deutschland lebt. Thema: Wie schwer es ist, in Deutschland auf dem Arbeitsmarkt anzukommen? Rasha Jarweh engagiert sich bei den Stadtteileltern Buxtehude und im "Netzwerk für Vielfalt und Demokratie". Von Beruf ist sie Bauingenieurin und hat in Aleppo im städtischen Wasserwerk die Haupttrinkwasserleitung durch ein modernes Computerprogramm überwacht.
Ihre Co-Autorin ist Theresa Lütje. Sie arbeitet im Rettungsdienst und engagiert sich in Stade bei "Foodsharing" und "Stade sicherer Hafen".
Rasha Jarweh: Nachdem Deutschland eine Reihe von Flüchtlingen aufgenommen hat, haben sie sich gut integriert. Es ist an der Zeit, auf den Arbeitsmarkt zuzugehen, der sich völlig von dem in anderen Ländern unterscheidet. Der Arbeitsmarkt hier ist komplett von Bildung, egal, ob Ausbildung, Weiterbildung, Umschulung oder Studium, abhängig.
Man hätte 30 Jahre in seinem Heimatland als Tischler arbeiten können, jedoch würde das ohne Nachweise und Zertifikate in Deutschland nichts bringen. Für die Neuzugezogenen ist der Weg zu den notwendigen Nachweisen nicht mit Blumen geschmückt, sondern mit zahlreichen Hindernissen und Herausforderungen: Sprache, Aussehen, erforderliche Papiere, Anerkennung dieser und begrenzt verfügbare Plätze. Dazu kommen noch das Alter und die Nationalität der Bewerber.
Nach fünf Jahren in Deutschland weiß ich, dass jede Sprache ein großes Meer von Begriffen, Redewendungen, Nomen, Verben usw. ist. Trotzdem darf ein angehender Student nur dreimal den DSH-Test (Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang) machen. Unglaublich! Denn das ist wirklich ein schwieriger Test. Von der Fachsprache für einzelne Berufsfelder ganz zu schweigen.
Junge Frauen werden aufgrund ihres Aussehens (z.B. das Tragen eins Kopftuches) in Lehrberufen und anderen Bereichen auch noch im Jahr 2021 abgelehnt. Es ist frustrierend. Manche von ihnen müssen ihren Traum, als Mathelehrerin oder Richterin zu arbeiten, aufgeben. Warum hat irgendjemand das Recht, einer Frau wegen eines Kleidungsstücks (sei es als Accessoire oder Teil der eigenen Identität) zu verweigern, ihren Traum zu verwirklichen?
Stellen Sie sich eine Person vor, die studiert hat und viel Erfahrung mitbringt und hier ihren Beruf nicht anerkennt bekommt. So geht es Rechtsanwälten und Ärzten. Unverständlich!
Die Wartelisten für Ausbildungs- und Weiterbildungsplätze sind sehr lang und für Neuzugezogene ist es besonders schwer. Und wenn man zu alt ist, ist es das Ende des Traums. Sagen Sie mir, wie ist der Weg für jemanden wie mich? Ich bin eine Frau, eine Bauingenieurin, trage Kopftuch, bin Mutter dreier wunderbarer Kinder und möchte gerne in meinem Beruf in Deutschland arbeiten.
Theresa Lütje: Ich bin in Stade geboren und aufgewachsen. Die meisten meiner Freunde sehen aus wie ich, sprechen wie ich und wurden mit ähnlichen Wertevorstellungen aufgezogen. Vor ein paar Jahren habe ich mein Abitur gemacht, war im Ausland und fing danach eine Ausbildung an, die im Sommer endet. Danach steht mir der Weg offen:
Will ich arbeiten? Will ich studieren und wenn ja, in welchem Land? Will ich eine andere Ausbildung machen oder mich doch einfach mit Minijobs über Wasser halten? Ich habe die Wahl. Keine der Möglichkeiten ist ausgeschlossen, ich muss keine zusätzlichen Papiere ausfüllen, keine Zertifikate übersetzen lassen. Der DSH-Test war ein Fremdwort, bis ich Rashas Text las. Ein Sprachtest, um zur Hochschule zugelassen zu werden? Darüber muss ich mir keine Gedanken machen. Ebenso wenig darüber, wegen gewisser Eigenschaften oder Äußerlichkeiten eine Absage zu bekommen. Was ich gelernt habe, kann ich nicht nur in Deutschland verwenden – vieles wird auch international anerkannt. Wieso darf jemand mit jahrelanger Berufserfahrung seinen Job nicht in Deutschland ausführen?
Ich fühle mich privilegiert. Privilegien, die mir nur aufgrund meines Geburtsortes zugesprochen werden. Weil ich ein gewisses Aussehen habe und einen gewissen Namen. Wie kann das sein?
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.