Weiter Streit um den Chefposten bei der Staatsanwaltschaft Stade
Klatsche vor Gericht für das Justizministerium

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tk. Stade. Die Frage, wer künftig die Staatsanwaltschaft Stade leiten wird, entwickelt sich immer mehr zum Politikum mit lautstarker juristischer Begleitmusik. In einem Urteil vom 28. Januar attestiert das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg dem niedersächsischen Justizministerium, den von ihm favorisierten Bewerber mit einer rechtsfehlerhaften Beurteilung seiner Leistungen auf den Posten an der Spitze der Anklagebehörde hieven zu wollen. Das, was für die Mitbewerberin um den Chefposten spreche, ist nach Auffassung des Gerichts "überwiegend bzw. gar nicht gewürdigt worden", so die Richter in ihrem Urteil, das nicht mehr anfechtbar ist. "Ein Schlag ins Gesicht fürs Ministerium", heißt es auf den Gängen der Stader Justizbehörden.

Darum geht es: Um die Nachfolge des Leitenden Oberstaatsanwaltes nach der Pensionierung von Harmut Nitz im Sommer 2019 haben sich zwei Juristen beworben, die beide dafür qualifiziert sind und auch über langjährige Führungserfahrung verfügen. Dabei handelt es sich um einen Ex-Staatsanwalt, der aktuell eine Justizvollzugsanstalt (JVA) leitet, und um eine Oberstaatsanwältin aus Stade, die seit vielen Jahren eine der Abteilungen dort führt (das WOCHENBLATT berichtete).

Nachdem das Ministerium in Hannover die beiden Personalien durchleuchtet hatte, kam es im Mai 2019 zu dem Schluss, dass der männliche Bewerber den Posten übernehmen solle. Gegen diese Entscheidung hatte die Oberstaatsanwältin beim Verwaltungsgericht Stade einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Im September 2019 hatte das Gericht der Klägerin Recht gegeben und verfügt, dass der JVA-Chef nicht den Posten als Leitender Oberstaatsanwalt antreten dürfe. Dagegen hatte das Justizministerium mit einer Beschwerde beim OVG reagiert und ist auf den Bauch gefallen.

Die Lüneburger Richter haben, nicht-juristisch und vereinfacht formuliert, den Eindruck, dass bei zwei ähnlich qualifizierten Bewerbern das Ministerium den gewünschten Kandidaten hat besser aussehen lassen. Beispiel: In einer Beurteilung des Mannes durch das Ministerium ist von "brillantem Fachwissen" die Rede. Die OVG-Kammer stellt dazu fest: Während seiner Tätigkeit als Staatsanwalt ist "brillantes Fachwissen ersichtlich nicht attestiert worden". 

Im Gegenzug, so die Richter in Lüneburg, seien besondere Qualifikationsmerkmale der Oberstaatsanwältin unter den Tisch gefallen. Die Liste der Dinge, die vom Ministerium außer Acht gelassen wurde, ist nach Auffassung der OVG-Richter lang: Es wurde ignoriert, dass die Bewerberin seit mehr als neun Jahren überaus erfolgreich als Abteilungsleiterin bei der Staatsanwaltschaft Stade arbeitet. Ebenfalls außer Acht gelassen wurden herausragende Stärken bei Kooperation und Führungskompetenz. Außen vor blieben "herausragende fachliche Leistungen", Kenntnisse im Arbeitsablauf der Anklagebehörde sowie "ein großes Gespür für Verwaltungsangelegenheiten". Was die Richter in ihrem Urteil schreiben, kommt in der Tat sehr nah an eine heftige Ministeriumsschelte: Nach ihrer Meinung wurde nicht gewürdigt, "dass die niedersächsische Justiz mit der Antragstellerin (Anm. der Red: die Stader Oberstaatsanwältin) als Leiterin der Staatsanwaltschaft die Chance habe, an die Spitze dieser Behörde eine Juristin zu stellen, die sich im gesamten Bundesgebiet dank ihrer herausragenden Qualitäten einen Namen gemacht habe und die sich aus tiefster innerer Überzeugung mit ihrer ganzen Kraft und einer größtmöglichen Akzeptanz zukunftsweisend für diese Behörde und die Strafjustiz einsetzen werde."

Wie es jetzt weitergeht? Das ist offen. Das Ministerium könnte jetzt die Qualifikation und Eignung ihres Wunschkandidaten erneut prüfen und die Qualität der Mitbewerberin dabei dieses Mal ausreichend würdigen. Denkbar wäre es, dass in Hannover dann zu Gunsten der Oberstaatsanwältin entschieden wird. Möglich wäre es aber auch, dass der JVA-Leiter den Chefposten bekommt. Egal, wie die Entscheidung ausfällt: Dagegen könnten beide Bewerber wiederum Rechtsmittel einlegen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Stelle neu ausgeschrieben wird. Wobei natürlich die beiden bisherigen Bewerber dann wieder antreten könnten. 
Wieso ist es überhaupt zu diesem Tauziehen gekommen? Insider, die sowohl die Stader Justizbehörden als auch das Ministerium kennen, haben eine Vermutung, die allerdings nicht offiziell belegt ist: Der Ex-Staatsanwalt und heutige JVA-Leiter hatte vor Jahren den schwierigen Job an der Spitze einer privaten JVA übernommen und das Projekt auch gegen heftige politische Widerstände zum Erfolg geführt. Die damalige CDU-Regierung habe wohl einen attraktiven Job nach der Pionierarbeit in Sachen JVA in Aussicht gestellt, lautet eine Erklärung für das nur schwer nachvollziehbare Handeln in Hannover. Das würde in der Tat plausibel machen, warum das Ministerium seinen Kandidaten unbedingt durchdrücken will und dabei, höchstrichterlich attestiert, einen eher dilettantischen Eindruck hinterlässt. Vielleicht hätte Hannover auf die Gleichstellungsbeauftragte im eigenen Haus hören sollen und sich damit zwei Niederlagen vor Gericht ersparen können: Die hatte bereits im Mai die Personalentscheidung beanstandet und festgestellt, dass eigentlich die Oberstaatsanwältin den Job bekommen müsste.

Eine telefonische Anfrage an die Pressestelle des Justizministeriums, die am Dienstagvormittag gestellt wurde, ist bis Redaktionsschluss am Donnerstagnachmittag nicht beantwortet worden. Das WOCHENBLATT wollte wissen, wie es aus Sicht des Ministeriums nach dem OVG-Urteil jetzt weitergehen solle.

Übrigens: Bei der Neubesetzung der Stelle des Stader Landgerichtspräsidenten als Nachfolge von Carl-Fritz Fitting zeichnet sich wohl ein ähnliches Hickhack ab. Juristischer Streit um gleich zwei juristische Spitzenämter.

Redakteur:

Tom Kreib aus Buxtehude

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