Vorzeige-Patchwork in Schwarz und Weiß

Olaf Petersen und seine Ehefrau Laurentine mit den Töchtern Armandine (li.) und Samira
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Integration glückte mit Fleiß und gutem Willen: Olaf Petersen (65) aus Stade ist stolz auf seine neue Familie aus Kamerun


tp. Stade. Vor ein wenigen Jahren wusste Olaf Petersen (65) aus Stade nicht, dass es in dem zentralafrikanischen Staat Kamerun Grünkohl und "Mensch ärgere Dich nicht" gibt. Dann traf ihn 2012 auf dem schwarzen Kontinent Amors Pfeil mitten ins Herz. Jetzt ist er stolzer Vater einer vierköpfigen deutsch-afrikanischen Patchwork-Familie mit seiner Ehefrau Laurentine (39) und deren Töchtern Samira (14) und Armandine (15). Petersen spricht von einer "rundum gelungenen Integration", die so schnell vorbildlich nur durch beiderseitige Bemühungen und die Bereitschaft zu großen Anstrengungen möglich war.

Olaf Petersens Weg zur multikulturellen Musterfamilie begann in einem seelischen Tal, und er musste buchstäblich erst "abheben", um wieder Lebensfreude zu schöpfen. Der frühere Zeitsoldat fühlte sich durch seine damalige glücklose Ehe psychsich ausgelaugt. "Du brauchst dringend eine Auszeit", riet ihm ein aus Kamerun stammender Bekannter und bot ihm eine Stelle als Farm-Aufseher in der Kleinstadt Obala nahe der Hauptstadt Yaoundé an. "Ich nahm das Angebot an und stieg ich ohne langes Zögern in den Flieger", sagt Petersen.

Auf der Farm war Petersen der Exot: Die Einheimischen nannten ihn wegen seiner damals langen Haare und des Bartes Jesus oder kurz "Blank" für "der Weiße". In der Annahme, Petersen sei besonders wohlhabend, wurde er schnell von jungen, heiratswilligen Frauen umworben. Angesichts seines fortgeschrittenen Alters machte er sich jedoch keine Illusionen: "Die wollten nur an mein Vermögen."

Dann trat Laurentine bei einer Feier in sein Leben. "Sie verhielt sich von Anfang an anders und hat mich nie nach Geld gefragt", sagt er. Ihre Eltern waren früh verstorben. So musste sie ihre fünf jüngeren anderen Geschwister großziehen. Den Lebensunterhalt für sich und ihre beiden Töchter, von dessen Vater sie getrennt lebte, bestritt Laurentine durch Farmarbeit auf der Mais-, Erdnuss- und Maniok-Plantage ihrer Familie und mit dem Handel selbst hergestellter Holzkohle. "Die beschwerlichen Lebensumstände haben sie früh erwachsen werden lassen, sodass der Altersunterschied zwischen uns weniger zum Tragen kam", sagt Olaf Petersen.

Schließlich lud er seine zukünftige Frau nach Deutschland ein. Mit einem dreimonatigen Besuchsvisum erprobten die beiden 2013 in Stade die Ehe.

Zwischenzeitlich hatte Petersen die Scheidung von seiner jetzigen Ex-Frau eingereicht und im Multi-Kulti-Quartier Altländer Viertel in Stade eine gemütliche Eigentumswohnung gekauft, wo er seiner Laurentine romantisch den Heiratsantrag machte: "Bist du glücklich hier? Willst du mit deinen beiden Mädchen zu mir ziehen?"
"Ich sagte ja", berichtet Laurentine mit einem Lächeln. Bereits bei dem ersten Stade-Aufenthalt belegte Laurentine, deren Muttersprache Französisch ist, einen Deutsch-Sprachkursus.

Im März 2014 läuteten am Standesamt von Yaoundé die Hochzeitsglocken. Kurz vor Weihnachten 2014 traf Laurentine mit ihren Töchtern mit einem Visum zur Familienzusammenführung in Stade ein. Samira und Armandine, die aus Afrika feucht-heißes Klima gewohnt waren, sahen staunend ihren ersten Schnee und zogen sich gleich eine heftige Erkältung zu.

Ihr neuer Papa Olaf, der zuletzt bei der Kindergeldkasse arbeitete und daher routiniert mit Ämtern und Anträgen umgeht, war gründlich auf die Ankunft seiner neuen Familie vorbereitet. Er hatte die Mädchen schon für Januar 2015 an der Realschule Camper Höhe angemeldet. "Dort lernten sie rasch Deutsch und bringen inzwischen gute Noten nach Hause", berichtet er stolz. Auch in der Freizeit sind die Schwestern gut integriert: Beide gewinnen mit ihrer Hip-Hop-Tanzgruppe überregionale Preise. Samira will später die Welt bereisen, Sprachen lernen und Reiseverkehrskauffrau werden. Armandine möchte Hotelfachfrau werden.

Auch Mama Laurentine ist lern- und wissbegierig: Im Dezember 2015 bestand sie mit Bravour die Abschlussprüfungen der für die Einbürgerung nötigen Deutsch- und Integrationskurse. Seit April 2015 arbeitete sie als Küchenhilfe in Restaurants und hat seit Mai dieses Jahres eine Festanstellung im Stader "Hotel Vier Linden". Sie möchte Köchin lernen. Derzeit macht sie ihren Führerschein.

Ein voller Terminplan bestimmt also das Leben der Petersens. Die knappe gemeinsame Zeit verbringen die vier bei Gesellschaftsspielen: "Mensch ärgere Dich nicht" ist übrigens auch in Kamerun beliebt und heiß dort "Lido". Auch kulinarisch gibt es Annäherungen: Laurentine bringt gerne L'Okok auf den Tisch, eine Art afrikanischen Grünkohl, den sie am liebsten ohne Teller serviert: "Gemeinsam aus einem großen Topf zu essen, bedeutet in meiner Heimat Liebe."

Ende August sind die Petersens von Landrat Michael Roesberg ins Stader Kreishaus eingeladen. Dort gibt es eine Einbürgerungsfeier für alle Neubürger. Noch in diesem Jahr bekommen Laurentine und ihre Töchter ihre deutschen Pässe. Im Kreis Stade wurden seit 2010 acht Kameruner eingebürgert.

Redakteur:

Thorsten Penz aus Stade

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