Stade will baurechtlich auf der sicheren Seite sein

Am Stader Seehafen wurde schon in der Vergangenheit Müll umgeschlagen. Künftig soll er ganz in der Nähe auch verbrannt werden  Foto: tp/Archiv
  • Am Stader Seehafen wurde schon in der Vergangenheit Müll umgeschlagen. Künftig soll er ganz in der Nähe auch verbrannt werden Foto: tp/Archiv
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Stadt lehnt weiterhin Müllverbrennung in Bützfleth ab / Klage liegt beim Oberverwaltungsgericht

jd. Stade. Die Stadt Stade wehrt sich weiter vehement gegen die von privaten Investoren geplante Müllverbrennungsanlage (MVA) in Bützfleth. Um jedes juristische Schlupfloch zu stopfen, soll nun erneut eine Veränderungssperre für das Gelände am Stader Seehafen erlassen werden. Damit will die Stadt baurechtlich auf der sicheren Seite sein, auch wenn ein Genehmigungsverfahren für die Anlage auf Grundlage der Bauleitplanung wahrscheinlich gar nicht zum Zuge kommt. Die Entscheidung darüber fällen letztlich die Richter: Vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg ist noch immer die Klage der Stadt gegen die vom Gewerbeaufsichtsamt erteilte Betriebsgenehmigung für die MVA anhängig. Wann ein Urteil gesprochen wird und ob es vorher noch zu einer mündlichen Verhandlung kommt, ist laut Stadtbaurat Lars Kolk völlig offen.

In dem Verfahren vor dem OVG sind vor allem zwei Fragen zu klären: Zunächst geht es um den zeitlichen Abstand zwischen dem Bauvorbescheid für die MVA, den das Gewerbeaufsichtsamt bereits 2008 erteilt hat, und der dritten Teil-Betriebsgenehmigung, die 2016 erfolgt ist. Nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) muss nach einem Vorbescheid innerhalb von zwei Jahren ein Antrag zumindest auf eine Teilgenehmigung für eine Anlage gestellt werden. Das ist auch geschehen. Doch die späteren Anträge erfolgten nicht mehr in diesem Zwei-Jahres-Abstand. Die Stadt steht auf dem Standpunkt, dass das gesamte Genehmigungsverfahren hinfällig ist, weil die Fristen nicht eingehalten wurden. Ein rechtlich schwieriges Terrain, denn das Gesetz nennt explizit keinen Zeitrahmen für die Folge-Genehmigungen.

"Sollte das Gericht unserer Rechtsauffassung nicht folgen, müsste in einer zweiten Prüfstufe geklärt werden, ob die 2016 genehmigte Anlage noch mit derjenigen identisch ist, um die es im Bauvorbescheid von 2008 ging", erläutert Kolk. Die Stadt sagt nein - und hier geht es um die Kernfrage des gesamten Konfliktes -, weil die 2016 genehmigte MVA in einem wesentlichen Punkt von ursprünglichen Bauvorhaben abweicht: Nach den aktuellen Plänen soll mit den verbrannten Abfällen nur noch Strom produziert werden, während 2008 zusätzlich die Erzeugung von Fernwärme vorgesehen war.

"Wird nur Strom erzeugt, kann unser erklärtes städtebauliches Ziel einer effizienten Energienutzung mittels Kraft-Wärme-Kopplung nicht erreicht werden", sagt Kolk. Die Stadt setzt sich weiterhin dafür ein, dass sowohl ein Großteil der erzeugten Energie als auch die entstehende Wärme innerhalb des Industriegebietes Bützfleth genutzt werden. Das entspreche auch dem damaligen Vorbescheid und dem Gesamtkonzept, das den Teilgenehmigungen für die MVA zugrunde gelegen habe, so Kolk.

Im Gegensatz zu diesem immissionsrechtlichen Verfahren ist das Thema Veränderungssperre nach Kolks Worten "eher kosmetischer Natur". Das Planungsrecht, bei dem die Stadt die Hoheit habe, sei in diesem Fall nachrangig. "Wenn das OVG am Ende sagt, der Bau der Anlage sei nach dem Immissionsschutzrecht zulässig, dann können wir mit einem B-Plan nichts dagegen ausrichten" sagt der Stadtbaurat: "Das wäre sonst eine unzulässige Verhinderungsplanung."

Materie rechtlich sehr komplex 

Wie komplex die gesamte Materie ist, zeigt sich am Erlass der Veränderungssperre: Diese Sperre für Bauvorhaben in dem Bützflether Industriegebiet, die nicht den Vorstellungen der Stadt entsprechen, war bereits vor vor mehr als zwei Jahren erlassen worden. So sollte Zeit gewonnen werden, die vorgesehene Änderung des B-Plans umzusetzen.

Darin sollten die Vorgaben für die MVA festgeschrieben werden. Nun ist aber der gesamte B-Plan nach der Normenkontrollklage eines Bützflether Bürgers für unwirksam erklärt worden. Die Klage hatte den gegenteiligen Effekt, weil der Bürger strengere Auflagen erreichen wollte, das Gericht aber eine Einschränkung für unzulässig hielt. Das Verfahren liegt jetzt beim Bundesverwaltungsgericht. Sollte das Gericht das Urteil der Vorinstanz bestätigen, will die Stadt die ursprünglichen B-Plan-Änderung als eigenständigen B-Plan aufstellen.

Thema Müllverbrennung: ein Rückblick

Wie ist es überhaupt zu dem Streit zwischen der Stadt Stade und den Investoren gekommen? Dazu ein kurzer Rückblick:
Das Gewerbeaufsichtsamt hatte bereits 2008 einen Bauvorbescheid für die Verbrennungsanlage erteilt, deren Rohbau bereits in Bützfleth steht - damals für die Firma Prokon Nord. Dann erwarb der umstrittene Windkraft-Unternehmer Günther Eisenhauer das Gelände. Nachdem der Millionär 2015 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, rollte die Erbengemeinschaft die Pläne für die Müllverbrennungsanlage neu auf - in abgeänderter Form.

Die neue Gesellschaft "EBS Stade Besitz GmbH" (EBS steht für Ersatzbrennstoffanlage) will dort rund 175.000 Tonnen pro Jahr verbrennen - was in etwa dem Fünffachen der Müllmenge entspricht, die im Landkreis Stade anfällt.
Der Betreiber hat vor, die komplette Energie ins allgemeine Stromnetz einzuspeisen und nicht mehr - wie ursprünglich vorgesehen - einen Großteil des Stroms an die Industriebetriebe vor Ort zu liefen. Die Fernwärmeversorgung soll ganz entfallen. Dagegen richtet sich die Klage der Stadt Stade. 

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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