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Millionenschaden im Buchholzer Freibad

Öffentlicher Personennahverkehr
Barrierefreiheit in Deutschland oft ein Fremdwort

In dem bestellten barrierefreien Zug kann Renate Gellermann problemlos aus dem Zug auf den Bahnsteig rollen.  Sonst ist der Abstand zwischen Bahnsteigkante und Zug zu breit | Foto: bim
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bim. Handeloh. "Komme ich an? Komme ich nicht an? Wie viel Zeit plane ich ein?" - Das sind Fragen, die sich Rollstuhlfahrerinnen wie Renate Gellermann und Heike Christie stellen müssen, bevor sie eine Fahrt mit dem Zug antreten. Als Renate Gellermann kürzlich am frühen Abend von Handeloh nach Holm-Seppensen fahren wollte, sei das nicht möglich gewesen, da der Zug nicht die dafür erforderliche Rampe an Bord habe, wurde ihr mitgeteilt. Die Lücke zwischen Bahnsteigkante und Zugeingang ist zu groß, um sie ohne Rampe zu überwinden. "Dann fahren Sie doch mit dem Zug eine Stunde später", habe der Zugbegleiter ihr geraten.

Renate Gellermann war zu Recht empört: "Mit 'Start' sollte alles besser werden", sagt sie zu den Ankündigungen des neuen Betreibers des Heidebahnnetzes, der Start Deutschland GmbH, einer Tochter der Deutschen Bahn. Doch entweder gebe es in den Zügen keine Rampen oder die Türen seien defekt. Und ohne Rampe könne sie nicht ein- oder aussteigen.

Was die beiden Frauen außerdem ärgert: Auf mehrere E-Mails, in denen sie den Vorfall schilderten, hätten sie keine Rückmeldung erhalten. "Was Renate passiert ist, ist deprimierend. Alle wollen für mehr Barrierefreiheit sorgen und dass mehr Menschen den Öffentlichen Personennahverkehr nutzen. Aber so fühlt man sich als Rollstuhlfahrer ausgegrenzt", sagt Heike Christie, die ebenfalls auf den Rollstuhl angewiesen ist und schon mal auf dem Bahnsteig strandete, weil in bedauerlicher Regelmäßigkeit die Fahrstühle auf Bahnhöfen, u.a. in Buchholz und Tostedt, defekt sind. "Ein Zug muss zuverlässig sein, wenn man einen Termin oder eine Verabredung hat oder auf eine Anschlussverbindung angewiesen ist. Da kann das Personal nicht einfach sagen: Heute können wir Sie nicht mitnehmen", betont sie.

Viele Menschen und auch das Zugpersonal sei in der Regel sehr hilfsbereit. Allerdings seien ihre Elektro-Rollstühle sehr schwer und könnten nicht mal eben über die Kante gehoben werden. "Deutschland ist ein Entwicklungsland, was Barrierfreiheit angeht", schimpft Heike Christie.

Die beiden Rollstuhlfahrerinnen wünschen sich, dass mehr über Barrierefreiheit nachgedacht und zumindest bei Neubauvorhaben berücksichtigt werden solle.

"Start Niedersachsen Mitte", das unter anderem für die Verbindungen Bremen Hauptbahnhof - Soltau - Uelzen (RB 37) und Hamburg-Harburg - Bucholz - Soltau - Hannover (RB 38) zuständig ist, habe auf den Strecken die 25 Fahrzeuge im Einsatz, die das Land Niedersachsen im Jahr 2011 gekauft hat und die bisher mit dem vorherigen Betreiber "Erixx" im Einsatz waren, erläutert Mathias Hoff, Leiter von "Start Niedersachsen Mitte" auf WOCHENBLATT-Anfrage. Alle Züge seien mit Rampen ausgestattet, betont er. Warum an dem betreffenden Tag keine Rampe verfügbar gewesen sei, wolle er klären. "Es ist grundsätzlich gewährleistet, dass mobilitätseingeschränkte Personen befördert werden", betont Hoff. Es könne aber mal sein, dass eine Tür defekt oder die Rampe nicht einsetzbar sei.

Bei den Rampen handelt es sich um Bleche, die das Zugpersonal bei der Beförderung von Rollstuhlfahrern an den Bahnsteigen anlegt, bei denen der Ausstieg nicht höhengleich möglich ist. Außerdem gibt es Züge mit ausfahrbarer Trittstufe, die beim Ortstermin mit dem WOCHENBLATT zum Einsatz kam. Da hatte Renate Gellermann ihren Wunsch auf barrierfreie Beförderung aber auch angemeldet.

Der für Rollstuhlfahrer vorgesehene Platz ist dort, wo das WC ist, wie übrigens auch im Metronom. "E-Rollstuhlfahrer sollten die zweite Tür nutzen zum Mehrzweckbereich, der deutlich mehr Platz bietet", rät Mathias Hoff.

Auf ein Wort

Es ist wirklich ein Armutszeugnis, dass es in wesentlichen öffentlichen Bereichen noch an Barrierefreiheit mangelt. Und dass der vielfach als Mobilitätsalternative beworbene Öffentliche Personennahverkehr trotz Milliardeninvestitionen noch immer nicht barrierefrei ist. Dabei ist laut der bereits 2008 in Kraft getretenen UN-Behindertenrechtskonvention vorgegeben, dass Menschen mit Behinderungen u.a. Zugang zu Transportmitteln, zu Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, sowie zu Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten offenstehen, zu gewährleisten ist. Allein die Tatsache, dass es Bahnsteige gibt, die mit den Ausstieghöhen der Züge nicht korrelieren, ist unfassbar und zeugt von absoluten Fehlplanungen und -investitionen. Bianca Marquardt

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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