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"Geschützter Raum" soll auffällige Kinder im System auffangen

Wie sind Schüler mit speziellem Förderbedarf in den regulären Schulbetrieb zu integrieren? Eine Antwort darauf bietet das Konzept "Geschützter Raum" an der Hauptschule Tostedt, den Anne Schröder und Jörn Hannemann betreuen
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bim. Tostedt. "Wir wollen die Kinder im System auffangen und sie nicht durch Suspendierung nach schlechtem Verhalten ausschließen", nennt Förderschullehrerin Anne Schröder eine Idee hinter ihrem Konzept "Geschützter Raum". Damit soll sozial-emotional auffälligen Kindern der Einstieg in den Alltag an Regelschulen erleichtert werden, die sie dank des Inklusionsgedankens nun besuchen. Denn inklusive Schule bedeutet, dass jedes Kind seinen individuellen Begabungen und Bedürfnissen gemäß gefördert wird. Das Konzept ist niedersachsenweit einmalig und wird erstmals seit diesem Schuljahr an der letzten Hauptschule im Landkreis Harburg, der Schule am Düvelshöpen, umgesetzt.
"Die Förderschulen mit Schwerpunkt Lernen, an denen sozial-emotional auffällige Kinder bisher beschult wurden, laufen jahrgangsweise aufsteigend aus, deren Lehrer werden auf andere Schulen verteilt", erläutert Anne Schröder. Die vom niedersächsischen Gesetzgeber ab dem Schuljahr 2013/14 zunächst für die Klassen eins bis fünf und seit 2018 bis zum neunten Schuljahr verbindlich eingeführte inklusive Schule stellt an die Lehrkräfte große Herausforderungen. "Die Umsetzung der Inklusion ist ein Problem der Finanzen, der personellen Ausstattung an Schulen und mitunter auch der inneren Einstellung der handelnden Personen", bringt Anne Schröder die mit der auferlegten Inklusion einhergehenden Schwierigkeiten an vielen Schulen auf den Punkt.
Gründe dafür, dass Kinder sozial und emotional auffällig werden, gebe es viele. Diese lägen in der veränderten Sozialisierung im Elternhaus, quer durch alle Gesellschaftsschichten, erklärt Anne Schröder. Sie nennt u.a. Arbeitslosigkeit, Krankheit, bildungsferne Strukturen, Armut und andere schwierige Lebenssituationen. 
Bei den Kindern und Jugendlichen äußerten sich die Auffälligkeiten beispielsweise durch Arbeitsverweigerung, Regelverstöße oder Herumalbern, weil sie mit dem Schulalltag an einer Regelschule zunächst überfordert seien. Häufige Folge: Damit sie den Unterricht nicht stören, werden sie von den Klassenlehrern vor die Tür geschickt oder suspendiert. "Aber es gibt nicht nur die lauten Kinder, sondern auch solche, die dann ganz in sich gekehrt sind", weiß Anne Schröder. 
Im geschützten Raum sollen sich die Schüler wohlfühlen. "Wir nehmen die Kinder so, wie sie sind, ohne dass sie Angst vor Abwertung oder Bestrafung haben müssen", erläutert Anne Schröder. Aufgrund ihrer 40-jährigen Erfahrungen als Sonderpädagogin weiß sie, wie sozial-emotional auffällige oder hochgradig sensible Kinder reagieren und wie man sie motiviert. Im geschützten Raum wird ihnen abseits des regulären, für sie mitunter zu turbulenten Schulbetriebs die Möglichkeit gegeben, sich an Abläufe zu gewöhnen, an Herausforderungen heranzutasten und an ihren Erfolgen zu wachsen. "Wir arbeiten in einer Eins-zu-eins oder Zwei-zu-eins-Betreuung. Wir stärken die Kinder und erarbeiten eine Teamfähigkeit", sagt Anne Schröder, die im geschützten Raum gemeinsam mit dem Schulsozialpädagogen Jörn Hannemann derzeit acht Schüler betreut und fördert. 
Jeder Morgen beginnt mit einem gemeinsamen Frühstück, dann geht es an die Lerneinheiten - bei den Jüngeren dauern diese 45 Minuten, bei den Acht- und Neuntklässlern jeweils 90 Minuten. Dabei lernen die Kinder und Jugendlichen den gleichen Unterrichtsstoff wie ihre Mitschüler - nur langsamer und mit stärker handlungsorientierten Ansätzen, also handwerklich-praktischen Aufgaben wie gemeinsamem Backen oder dem Bau von Vogelfutter-Tassen. Die Lehrer der Fünft- bis Neuntklässler stellen das entsprechende Unterrichtsmaterial zur Verfügung. Einen großen Stellenwert nehme auch der regelmäßige Austausch mit den Eltern ein, so Anne Schröder.
Der geschützte Raum ist im Gebäude der ehemaligen Orientierungsstufe des Tostedter Schulzentrums entstanden. Der Landkreis als Schulträger finanzierte den nötigen Umbau und stellt Mittel für Lehrmaterial und Sachmittel zur Verfügung. Die Landesschulbehörde begleitet das Projekt. Nach einem Jahr gibt es eine Evaluierung.
"Nach einem halben Jahr merken wir nun, dass eine Vertrauensbildung zwischen uns und den Schülern stattgefunden hat. Das Konzept ist nicht in Stein gemeißelt. Wir lernen im Alltag dazu und reagieren darauf", so Anne Schröder.
Das Projekt hat buchstäblich bereits Schule gemacht, denn auch Schulen aus Hildesheim und Tarmstedt haben bereits Interesse angemeldet, das Konzept an ihren Schulen umzusetzen.

Förderschulen und -bedarfe

Seit dem Schuljahr 2013/14 bis heute sind laut Landesschulbehörde in den Landkreisen Harburg und Stade zwei Förderschulen Lernen ausgelaufen. Im Schuljahr 2018/2019 gibt es im Landkreis Harburg noch zwei Förderschulen, im Landkreis Stade werden derzeit vier Förderschulen geführt. Die Förderschullehrkräfte der geschlossenen Förderschulen wurden an fortbestehende Förderschulen versetzt. Im Zuge der Inklusion werden Förderschullehrkräfte an Regelschulen abgeordnet.
Zu den Abordnungen sagt Behördensprecher Andreas Herbig: "Generell generieren die Kinder mit Unterstützungsbedarf einen Zusatzbedarf nach dem Klassenbildungserlass, diese Stunden gehen an die jeweilige Schule, an der das Kind unterrichtet wird. Diese Stunden werden dann von Förderschullehrkräften in der Regel in Doppelbesetzung im Unterricht abgeleistet. Die Förderschullehrkräfte werden von ihrer Stammschule an die jeweilige Schule abgeordnet. Derzeit werden 242 Lehrkräfte mit 3.018 Stunden von Förderschulen an Regelschulen in den beiden Landkreisen abgeordnet."
Im Landkreis Harburg werden derzeit 972 Schülerinnen und Schüler inklusiv beschult, im Landkreis Stade sind es 341 Schülerinnen und Schüler. Förderbedarfe dieser Kinder sind lernen (LE), geistige Entwicklung (GE), emotionale und soziale Entwicklung (ES), körperliche und motorische Entwicklung (KME), hören (HÖ) und sehen (SE).

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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