Bienenseuche in Tostedt ausgebrochen: Fall von Amerikanischer Faulbrut

Die erkrankte Bienenlarve mit den Keimen wird zu einer fadenziehenden Masse | Foto: LAVES
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(bim). Es ist ein Thema, über das kein Imker gerne spricht: die Amerikanische Faulbrut (AFB) - eine bakterielle Erkrankung, die Bienenvölker befallen kann. Ein Verdachtsfall hat sich jetzt in der Samtgemeinde Tostedt (Landkreis Harburg) bestätigt. „Sperr- und Sanierungsmaßnahmen sind eingeleitet“, so Kreissprecher Johannes Freudewald. Das
WOCHENBLATT befragte den Biologen und Bienen-Experten Dr. Werner von der Ohe, Leiter des Instituts für Bienenkunde Celle des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, wie Faulbrut entsteht, wie sie verläuft und was Imker dagegen unternehmen können.
WOCHENBLATT: Wie entsteht Faulbrut?
Dr. Werner von der Ohe: Aus den von der Königin gelegten Eiern schlüpfen Larven, die sich, in den Zellen der Brutwaben liegend, allmählich zu erwachsenen Bienen entwickeln. Nimmt eine junge Larve während ihrer Fressphase Sporen des Erregers der Amerikanischen Faulbrut auf, können diese Bakteriensporen in der Larve auskeimen, von der Sporenform in die vegetative Form.
WOCHENBLATT: Und wie verläuft die Erkrankung dann?
Dr. Werner von der Ohe: Die vegetativen Keime vermehren sich und führen zum Absterben der Larven, sodass es an den notwendigen Nachkommen fehlt und das Bienenvolk bezogen auf die Anzahl Bienen immer kleiner wird. Die erkrankte Larve mit den Keimen wird zu einer fadenziehenden Masse und später einem harten Schorf.
Beim Absterben der Larve gehen die entstandenen Millionen Bakterien in ihre Dauerform, die Spore, über und können nun - bei Übertragung - andere gesunde Larven infizieren.
WOCHENBLATT: Sind nur Larven betroffen?
Dr. Werner von der Ohe: Ja, das Bakterium Paenibacillus larvae befällt ausschließlich Larven. Die erwachsenen Bienen können nicht angesteckt werden, sind allerdings an der Sporenverbreitung beteiligt. Für den Menschen ist das Bakterium ungefährlich.
WOCHENBLATT: Welche Umstände begünstigen Faulbrut?
Dr. Werner von der Ohe: Vor der Erkrankung steht der Eintrag der Krankheitskeime in den Bienenstock. Folglich sind andere befallene Bienenstände oder andere Reservoire des Krankheitskeimes, z.B. Importhonig, häufig der Auslöser für die Erkrankung. Die Übertragung der Keime geschieht durch räubernde oder sich verfliegende Bienen. Aber auch gravierende Fehler des Imkers durch unvorsichtigen Austausch von Waben und anderen Betriebsmitteln können zur Keimübertragung führen.
WOCHENBLATT: In welchen Fällen wird ein Sperrgebiet angeordnet?
Dr. Werner von der Ohe: Da das Bakterium sehr virulent ist und die Krankheit sich über die Sporen und deren Transport durch Bienen sehr schnell ausbreiten kann, wird diese Krankheit zu Recht als Bienenseuche eingestuft und unterliegt somit der Tierseuchen-Gesetzgebung. Dies bedeutet, dass ein Auftreten bzw. bereits ein Verdacht der zuständigen Behörde (Veterinäramt) angezeigt werden muss. Der Amtstierarzt entscheidet über die durchzuführenden Sanierungs- und Entseuchungsmaßnahmen. Da Bienen nicht nur das eigene Volk, sondern auch benachbarte Völker, ja sogar benachbarte Bienenstände aufsuchen, besteht die Gefahr, dass auch andere Völker im Umkreis des befallenen Standes Sporen und ggf. Erkrankungen aufweisen. Demzufolge wird um den Faulbrutstand ein Sperrgebiet eingerichtet.
WOCHENBLATT: Gibt es weitere Untersuchungen?
Dr. Werner von der Ohe: Alle Völker des Sperrgebietes werden auf Krankheitssymptome und Krankheitskeime untersucht. Für die Zeit der Untersuchungen, Sanierungen und Nachuntersuchungen dürfen keine Völker aus dem Sperrgebiet heraus- bzw. hineingewandert werden. Nach Tilgung der Krankheit und einer angemessenen Wartezeit wird das Sperrgebiet wieder aufgehoben.
WOCHENBLATT: Wie groß ist solch ein Sperrgebiet in der Regel, und welche Auflagen sind darin zu beachten?
Dr. Werner von der Ohe: Im Normalfall beträgt der Radius drei Kilometer, nach Bienenseuchenverordnung muss er mindestens einen Kilometer betragen.
WOCHENBLATT: Können Imker der Faulbrut vorbeugen? Wenn ja, wie?
Dr. Werner von der Ohe: Die einzige, aber sehr gute Vorbeugung ist die regelmäßige Untersuchung von Futterproben auf das Vorhandensein von Sporen. Dadurch lässt sich sehr frühzeitig ein Eintrag erkennen, bevor es überhaupt zum Ausbruch gekommen ist. Nach Untersuchungen des LAVES Institut für Bienenkunde Celle sind weit über 90 Prozent der Bienenvölker frei von Sporen.
WOCHENBLATT: Wie wird Faulbrut behandelt bzw. bekämpft?
Dr. Werner von der Ohe: Ist die Krankheit ausgebrochen, werden die erwachsenen Bienen über spezielles, biologisches Kunstschwarmverfahren saniert, die Brutwaben werden verbrannt und die Bienenkästen gereinigt und desinfiziert. Mit neuen bzw. desinfizierten Beuten kann der Imker mit den erwachsenen Bienen einen Neustart beginnen. Medikamente werden nicht benötigt und sind auch nicht zugelassen, also verboten.
WOCHENBLATT: Welche Konsequenzen hat die Bienenkrankheit für den Imker?
Dr. Werner von der Ohe: Nach einer wie oben beschriebenen Sanierung und Desinfektion hat der Imker erhebliche Verluste, da ihm nur noch ca. die Hälfte der Bienenvölker (bei der Sanierung werden häufig zwei durch die Krankheit klein gewordene Völker zu einem vereinigt) bleibt. Viele Waben werden verbrannt, und die gesamte Aktion kostet viel Zeit und viel Aufregung. Dadurch, dass in Niedersachsen allerdings die erwachsenen Bienen in der Regel nicht abgetötet werden, kann der Imker zumindest sofort wieder mit der Bienenhaltung fortfahren.
WOCHENBLATT: Dr. von der Ohe, vielen Dank für dieses informative Gespräch.

• Fragen zum Sperrgebiet und zur Bekämpfung der Bienenerkrankung beantwortet der Veterinärdienst der Kreisverwaltung unter Tel. 04171-693466.

Die erkrankte Bienenlarve mit den Keimen wird zu einer fadenziehenden Masse | Foto: LAVES
Dr. Werner von der Ohe, Leiter des Instituts für Bienenkunde Celle des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES), Biologe und Bienen-Experte | Foto: LAVES
Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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