Millionen-Prozess füllt schon elf Aktenordner

Auf diesem Grundstück unterhalb der Canteleubrücke wollte 
Investor Karlheinz Gremke ein Altersheim bauen | Foto: os
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Es geht um Schadenersatz: Investor Gremke und die Stadt Buchholz liegen seit 14 Jahren über Kreuz

os. Buchholz. Ob dieser Prozess irgendwann noch einmal zu Ende geht? Die gerichtliche Auseinandersetzung zwischen der Stadt Buchholz und dem Investor Karlheinz Gremke ist auch 14 Jahre nach dem Beginn noch nicht entschieden. Mittlerweile wird der Prozess zum neunten Mal aufgerollt.
Im Jahr 2002 stellte Karlheinz Gremke mit seiner damals in Jesteburg beheimateten Firma Immobilien Bau Conzept GmbH (IBC) einen Bauantrag für ein Altenheim an der Lüneburger Straße 1. Am Fuße der Canteleubrücke, dort wo jetzt im Zuge des Neubauprojekts "Canteleu Quartier" ein mehrgeschossiges Dienstleistungsgebäude gebaut werden soll, wollte Gremke einen Neubau mit 74 Wohneinheiten für Senioren errichten. Die Stadt lehnte den Bauantrag im Jahr 2004 ab. "Wir waren zusammen mit dem Landkreis Harburg der Meinung, dass der Standort zwischen den zwei Bahnlinien und einer Hauptstraße als Wohnort für ältere Menschen nicht zumutbar ist. Man hätte den Neubau zu allen Seiten abschotten müssen", erinnert sich Norbert Stein, der damals Bürgermeister war.
Gegen die Entscheidung, den Bauantrag abzulehnen, klagte Gremke erfolgreich vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg. "Die Nutzungsgenehmigung bzw. -ablehnung hätte durch den Landkreis Harburg erfolgen müssen und nicht durch die Stadt", erinnert sich Wilfried Geiger, der Stein im Amt des Bürgermeisters im Jahr 2006 gefolgt war. Gegen dieses Urteil legte wiederum die Stadt Buchholz Rechtsmittel ein. Das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg bestätigte 2007, also drei Jahre später, das Urteil zugunsten des Investors. "Dieses Ergebnis hat uns überrascht", erklärt Geiger. Glücklich machte Gremke das Urteil nicht, denn in Buchholz hatte mittlerweile der Bau des Seniorenzentrums „Kursana“ an der Freudenthalstraße begonnen. Der Bedarf für ein weiteres Altenheim in Buchholz war zu dem damaligen Zeitpunkt nicht mehr gegeben, der potenzielle Betreiber für das Altersheim an der Lüneburger Straße sprang ab.
Gremke zog nach dieser Entwicklung noch 2007 mit einer Schadenersatzklage vor das Landgericht Stade. Nach weiteren Prozessen vor dem Oberlandesgericht Celle und dem Bundesgerichtshof wurde Gremke endgültig Schadenersatz zugesprochen. Auf Basis der geplanten Pachthöhe für das Altenheim, die Indexierung der Einrichtung und die Bettenzahl wurde auch die Höhe des Schadenersatzes ermittelt: Diese betrug 6,645 Millionen Euro und errechnete sich aus einer Abzinsung auf die Schadenersatz-Summe, die Gremke für 50 Jahre zugesprochen bekam (je nach Verzinsung 19 bis 21 Millionen Euro).
Die Stadt ging erneut in Celle gegen das Urteil vor. Im April 2015 erging dort ein Teilurteil: Für die Jahre bis Ende 2010 stehen Gremke laut Gerichtsgutachter 470.000 Euro zu. Für die Zeit von Anfang 2011 bis Ende 2015 sind laut Gremkes eigener Berechnung weitere 1,4 Millionen Euro fällig. Auch darüber gibt es das Gutachten eines Sachverständigen, über das die beiden Parteien bis heute streiten. Der Fall liegt nach wie vor beim Oberlandesgericht in Celle.
Auch wenn das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist: Schon jetzt ist klar, dass das Verfahren teuer für den Steuerzahler werden wird. Endgültige Zahlen gibt es noch nicht, doch Ex-Kämmerer Geiger rechnet schon jetzt mit Kosten im hohen fünfstelligen Bereich. Tatsächlich dürfte die Summe noch höher sein: Ex-Bürgermeister Stein berichtet, dass die Gerichtsprozesse um die gescheiterte Planung für die Umgehungsstraße "Ostring" den Landkreis Harburg und die Stadt Buchholz rund inklusive Anwaltskosten 700.000 Euro gekostet hat.
Ex-Bürgermeister Geiger hält es für richtig, dass die Stadt den langen Prozess durchzieht und nicht aussteigt: "Man muss so lange wie möglich gegenhalten, um den Schadenersatz für die Stadt so niedrig wie möglich zu halten."
"Das Verfahren füllt mittlerweile elf Aktenordner", erklärt Buchholz' Stadtsprecher Heinrich Helms. Zu Details sagt die Stadt mit Hinweis auf das laufende Verfahren nichts. Wann das Verfahren weitergeht, sei nicht abzuschätzen, so Helms. Karlheinz Gremke wollte sich auf WOCHENBLATT-Nachfrage nicht zu dem Verfahren äußern: "Ich werde dazu nichts mehr sagen." Aus der Firma, die zwischendurch in Ratingen beheimatet war und mittlerweile als "IBC Verwaltungs UG" in Hamburg registriert ist, ist er laut Handelsregister-Auszug vom 2. Oktober 2017 als Geschäftsführer ausgeschieden.

Auf ein Wort

Höchstdauer für Gerichtsverfahren

Es ist ein hohes Gut in Deutschland, seine Rechte vor ordentlichen Gerichten einklagen zu können. Daran zu rütteln, würde die Grundfeste der Demokratie erschüttern. Aber: Der Fall von Karlheinz Gremke zeigt, dass das Recht von Klage und Widerspruch nicht nur positive Aspekte hat. Nämlich dann, wenn sich ein Verfahren über Jahre und Jahrzehnte ohne Ergebnis hinzieht. Auch wenn ich weiß, dass es utopisch ist: Wie wäre es, eine Höchstdauer von Gerichtsverfahren einzuführen?
14 Jahre dauert der Prozess zwischen Investor Gremke und der Stadt Buchholz schon, ein Ende ist nicht abzusehen. Dass bisher kein abschließendes Urteil vorliegt, halte ich für einen Skandal. Welcher Privatmann kann es sich finanziell leisten, so lange Zeit einen Prozess zu führen? Von der nervlichen Belastung ganz zu schweigen. Oder ist es Kalkül von Behörden und Gerichten, auf Zeit zu spielen?
So oder so sendet der Endlos-Prozess ein fatales Signal aus: Überlege Dir gut, ob Du wirklich vor Gericht ziehen willst, heißt es für Kläger. Und Behörden und Kommunen erhalten quasi einen Persilschein, es auf Verfahren ankommen zu lassen. Was dabei nicht außer acht gelassen werden darf: die immensen Kosten für den Steuerzahler! Der Schadenersatz, den die Stadt Buchholz letztlich wird leisten müssen, wird aus dem Kommunalen Schadenausgleich (KSA) und damit aus Steuergeldern bezahlt. Der KSA ist ein Zusammenschluss von Gemeinden, dessen Zweck u.a. der Ausgleich von Schäden seiner Mitglieder aufgrund der gesetzlichen Haftpflicht ist. Beim kommunalen Schadensausgleich handelt es sich um ein System der Selbstversicherung, weil versicherbare Risiken nicht von gewerblichen Versicherungsunternehmen versichert werden. Die KSA finanziert sich durch Umlage der Mitglieder, die Stadt Buchholz zahlt jedes Jahr rund 2.500 Euro ein.
Immer wieder beklagen sich Richter, dass sie durch die Vielzahl an Gerichtsverfahren völlig überarbeitet sind. Ist es da nicht erstrebenswert, ein Verfahren nicht in die Länge zu ziehen, sondern rechtsfest abzuschließen? Da könnte die Höchstdauer für Verfahren ein geeignetes Mittel sein.
Oliver Sander

Redakteur:

Oliver Sander aus Buchholz

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