Wegen eklatanter Wahlrechtsverstöße
Hollenstedts Samtgemeinde-Bürgermeisterwahl ist ungültig

Mit dieser Abstimmung erklärte Hollenstedts Samtgemeinderat die Samtgemeinde-Bürgermeisterwahl mehrheitlich für ungültig | Foto: bim
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bim. Hollenstedt. Das ist auch in einer Demokratie ein äußerst seltener Vorgang: Die mit nur 103 Stimmen Vorsprung äußerst knappe Wahl von Heiner Albers zum Hollenstedter Samtgemeinde-Bürgermeister ist ungültig! Das entschied der Samtgemeinderat in seiner Sitzung am Donnerstagabend mit 21 zu fünf Stimmen. Obwohl Ratsvorsitzender Manfred Cohrs (CDU) zu Beginn darauf hinwies, dass es ausschließlich um die Bewertung der Wahlrechtsverstöße gehe und nicht um eine Korrektur des Wahlergebnisses, das dem einen oder anderen nicht gefalle, verlief der teils emotionale verbale Schlagabtausch an den üblichen "Fronten". Insgesamt glich die Sitzung einer Gerichtsverhandlung - mit Wahlleitung und Samtgemeinde-Bürgermeister auf der Anklagebank.
Zwei Bürger hatten
Einspruch eingelegt

Zwei Bürger hatten gegen die Wahl Einspruch eingelegt: Rolf-Eckart Weber wegen mangelnder Neutralität der Wahlleitung, Aribert Otten wegen möglicher Einflussnahme von Heiner Albers durch uneingeschränkten Zugriff auf Briefwahlunterlagen. Während Webers Einspruch als begründet angesehen, aber als unwesentliche Beeinflussung mehrheitlich abgelehnt wurde, sah die Mehrheit aus CDU, SPD und Grünen den Vorwurf von Otten - gegen die Stimmen der Wählergemeinschaft - als so gravierend an, dass die Wahl für ungültig erklärt wurde.
Einschätzung
des Fachanwalts

Zuvor hatte Eckhard David, Fachanwalt für Verwaltungsrecht aus Hannover, seine Einschätzung erörtert. Er hatte in seiner Stellungnahme die Beanstandung der Wahlwerbung der Gemeindebürgermeister durch die Wahlleitung als unzulässig und rechtswidrig bezeichnet. Fünf Gemeindebürgermeister hatten im Wahlkampf die Kandidatin und Verwaltungsfachangestellte Kerstin Markus unterstützt und mit ihrer Amtsbezeichnung gezeichnet. Das sei nicht zu beanstanden, solange nach Inhalt und Form nicht von einer amtlichen Äußerung auszugehen sei. Eine Grenze wäre erreicht worden, wenn ein Bürgermeister für eine solche Wahlwerbung den Briefkopf der Gemeinde verwendet hätte. Ein Einfluss auf das Wahlergebnis durch den Wahlflyer liege fern. "Das war nicht in Ordnung, hatte aber keine Ergebnisrelevanz", so David.
Öffentlichkeitswahrnehmung
der Aussagen im Flyer

"In der Bewertung war ich der Meinung, solch eine Öffentlichkeitswirkung hat eine Aussage im Wahlflyer gar nicht, bis er in der Presse viel mehr ins Licht der Öffentlichkeit gerückt wurde", meinte Ingo Schwarz (SPD) zur WOCHENBLATT-Berichterstattung über die Beanstandung der Bürgermeister-Zeichnung im Flyer durch die Wahlleitung. Die Berichterstattung könne so die Wahl beeinflusst haben. Wähler, die Kerstin Markus ihre Stimme geben wollten, hätten den Eindruck gewinnen können, ihr wäre mit dem Flyer rechtswidrig geholfen worden. Immerhin hätten 52 mehr Stimmen zu ihren Gunsten für ein anderes Wahlergebnis gereicht.
Wahlleitung auf Internetseite
aufmerksam gemacht 

Die Wahlleitung sei durch den (damaligen) Kandidaten Heiner Albers auf den auf der Internetseite einer Partei veröffentlichten Wahlflyer aufmerksam gemacht worden, begründete Wahlleiterin Beate Schnackenbeck ihren Brief an die Bürgermeister. Darin habe sie die Bürgermeister u.a. darauf hingewiesen, dass die Zeichnung als Bürgermeister die Neutralitätspflicht des Ehrenbeamtenverhältnisses verletze. Am 2. September sei der Wahlaufruf im Internet gelöscht worden. Mit dem an die Haushalte verteilten Flyer vom 23. August habe das nichts zu tun gehabt.

Letztlich bewertete der Rat den Wahleinspruch Webers mit 17 Ja- und fünf Gegenstimmen und ansonsten Enthaltungen als zulässig und begründet. Die Wahl sei aber im Ergebnis nur unwesentlich beeinflusst worden.

Schwerwiegender
Wahlrechtsverstoß

Im Zugang Albers' zu den Wahlunterlagen sieht der Anwalt jedoch einen schwerwiegenden Wahlrechtsverstoß. Hintergrund: Albers hatte vor der Wahl den Rathausbriefkasten samt Wahlbriefen geleert und am Wahltag die Wahllokale besucht, aus denen er ebenfalls Briefwahlunterlagen mit ins Rathaus genommen hatte. "Der Amtsinhaber hatte Gelegenheit und Zugang zu den Wahlunterlagen, unbeobachtet durch Dritte", so der Anwalt. Allerdings blieben einige Fragen offen. "Wir bewegen uns in einer juristischen Grauzone. Es geht bei der Wirksamkeit einer Wahl auch um Legitimation", so David. Für eine Einschätzung hatte sich der Anwalt noch ans Innenministerium gewandt. Nach dessen Einschätzung reiche die "fehlende Abschottung der Briefwahlunterlagen nicht aus, um von einer Ergebnisrelevanz auszugehen".

Das sahen die meisten Ratsmitglieder anders. Jürgen Böhme (CDU) berichtete, dass Albers an einem Samstag zweimal alleine im Rathaus gewesen sei und den Briefkasten geleert habe. Die Wahlurne im Eingangsbereich sei nach Entnahme der Wahlbriefe zwar immer wieder versiegelt worden, die Wahlbriefe selbst aber für alle frei zugänglich in Kartons im Rathaus gelagert worden.
Im Zweifel für
die Demokratie

"Hier sind Abläufe nicht eingehalten worden, die man hätte einhalten müssen. Die Frage ist, ab wann ist es ergebnisrelevant? Lassen Sie uns diese Wahl wiederholen. Im Zweifel für die Demokratie", appellierte Ingo Schwarz in Anspielung auf die Gerichtssituation. Schärfer fiel die Kritik von Andreas Blankenhorn-Reinking (SPD) aus: "Mein Wertekompass hätte mir gesagt: Es ist ein Tabu, ins Wahllokal zu gehen." Auch dass der Samtgemeinde-Bürgermeister am Wahltag repräsentative Aufgaben übernimmt, sei unangebracht.
Christiane Melbeck (Grüne) sah ein "eklatantes Versagen der Wahlleitung und des Kandidaten Albers". Unklar sei, wie viele Wahlbriefe Heiner Albers aus den Wahllokalen mitgenommen habe. Albers selbst hatte in einem WOCHENBLATT-Artikel von 22 gesprochen. Weiter bezog sich Melbeck auf Albers' Aussagen in der Ratssitzung im November, als er erklärte, nicht Bürgermeister mit einem Geschmäckle sein zu wollen, und forderte ihn auf: "Machen Sie den Weg frei für eine Neuwahl!"
Bürgermeister habe
Wahlbriefe gerettet

Kay Wichmann (WGH) fand den Vorwurf unbegründet: "Wie hätte er rechnerisch eine so knappe Mehrheit hinbekommen sollen? Es ist nicht sauber gelaufen, es gab organisatorische Fehler." Durch das Leeren des übervollen Rathausbriefkastens hätte Albers letztlich Briefwahlunterlagen gerettet. Außerdem hätte auch Kerstin Markus Zugriff darauf gehabt.
SPD-Ratsfrau Karoline Nielsen brach die Lanze für Albers: "Ich traue ihm nicht zu, dass er die Wahl manipuliert hat", sagte sie. Und dennoch: Gravierender als das Leeren des Briefkastens fand sie, dass Wahlunterlagen aus den Wahllokalen durch die Samtgemeinde gefahren wurden. 58 Briefwahlunterlagen seien beanstandet worden. "Ich bin der Meinung, das ist ergebnisrelevant."
Heiner Albers erklärte - wie bereits zuvor in einem WOCHENBLATT-Bericht -, dass er in Vorbereitung der Samtgemeinde-Bürgermeister-Wahlen beim Städte- und Gemeindebund eine Schulung zum Thema "Neutralitätspflicht der Bürgermeister im Wahlkampf" wahrgenommen und dabei auch geklärt habe, ob er in seiner Doppelfunktion als Repräsentant der Samtgemeinde und Kandidat die Wahllokale besuchen dürfe. Ergebnis: Das dürfe er.
Anspruch, eine Wahl
ordnungsgemäß durchzuführen

Wahlleiter Alexander Schultz gab zu, dass die Briefkastenleerung durch den Kandidaten Albers nicht hätte passieren dürfen. "Unser Anspruch ist, persönlich und fachlich, dass eine Wahl ordnungsgemäß durchgeführt wird. Unsere gesamte Arbeit in Abrede zu stellen, finde ich hart", stellte er sich auch vor seine Kollegin Beate Schnackenbeck. Bis zum 30. Dezember erhalten nun alle Ratsmitglieder und die beiden Einwender durch den Ratsvorsitzenden Cohrs einen offiziellen Bescheid, in dem die Ratsentscheidung mitgeteilt wird. Gegen diesen Bescheid kann bis Ende Januar Klage eingereicht werden. Wird keine Klage eingereicht, muss innerhalb von vier Monaten eine Wiederholungswahl stattfinden.
Während mancher Kommunalpolitiker befürchtet, die Wahlanfechtung könne als "Provinzposse" bewertet werden und ein schlechtes Licht auf Hollenstedt werfen, sehen einige Bürger es eher als Akt der gelebten Demokratie. Sollte es zu einer Neuwahl kommen, dürften jedenfalls alle Beteiligten maximal sensibilisiert sein, die begangenen Fehler nicht zu wiederholen.

Alle Texte zu "Wahlanfechtung Hollenstedt“
Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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