Angst vor Wohnungsmangel: "Die Politik muss handeln!"

Monika Kobs (2. v. re.) und andere Bürgerinnen und Bürger fordern den "Wiedereinstieg in den sozialen Wohnungsbau"
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JOBS und KARRIERE

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bim. Tostedt. Wohnraum im Landkreis Harburg ist gefragt, die Grundstücks-, Haus- und Mietpreise sind daher in den vergangenen Jahren in die Höhe geschnellt. In Tostedt beträgt der durchschnittliche Quadratmeterpreis inzwischen 10 Euro plus Nebenkosten. Steigende Mieten machen vor allem Alleinerziehenden, Alleinstehenden und Rentnern zu schaffen. "Ich habe Angst, dass ich mir die Miete später nicht mehr leisten kann. Wie mir geht es vielen. Es fehlt bezahlbarer Wohnraum", sagt Monika Kobs (59) aus Tostedt. 
Bereits jetzt geht die Hälfte ihrer Rente für die Wohnungsmiete drauf. Hinzu kommen Kosten für Strom und Fahrkarten. "Die Mieten fressen uns auf, dadurch wird man irgendwann zum Sozialfall. Die Politik muss endlich handeln", sagt sie. Derzeit bewohnt Monika Kobs eine 77 Quadratmeter große Wohnung, in der zuvor noch eine ihrer drei Töchter mit lebte. Jetzt sucht sie für sich alleine eine kleinere, 50 Quadratmeter Wohnung für maximal 550 Euro warm.
"Die hohen Mieten sind ein landesweites Problem", weiß die 59-Jährige. "Es fehlen kleinere, bezahlbare Wohnungen. Alleine in meinem Bekanntenkreis kenne ich sieben Frauen, alle Mitte oder Ende 50 Jahre alt, getrennt lebend, verwitwet oder alleinstehend, denen es geht wie mir. Und die Angst vor Altersarmut ist groß", sagt Monika Kobs.
Verwaltung und politischen Entscheidungsträgern in Tostedt ist das Problem wohl bewusst.
Dennoch hatte die Gemeinde Tostedt Anfang 2017 den Beitritt zur Kommunalen Wohnungsbaugesellschaft (KWG) im Landkreis Harburg abgelehnt. Mehrheitlich war der Gemeinderat der Auffassung, dass die von der Gemeinde beizusteuernden Finanzmittel in keinem Verhältnis zu den später geschaffenen Wohnungen stünden (1,2 Millionen Euro für maximal 50 Wohneinheiten, davon höchstens 15 Sozialwohnungen).
"Samtgemeindeweit hätte Tostedt für 2,18 Millionen Euro 100 Wohneinheiten erhalten, davon ein Drittel sozialer Wohnungsbau, die auf die Mitgliedsgemeinden verteilt worden wären. Das wäre ein Tropfen auf den heißen Stein", nennt Samtgemeinde-Bürgermeister Dr. Peter Dörsam den Grund für die Abfuhr. Allerdings: "In letzter Konsequenz können wir nicht so wirtschaftlich bauen wie Private." Sinnvoller sei es, bei künftigen Baugebieten vertraglich festzuschreiben, dass anteilig Sozialwohnungen realisiert werden, so Dörsams Vorstellung. "Das wäre das Zielführendste", sagt er.
Bei den derzeit beschlossenen oder demnächst realisierten Bauvorhaben wird diese Regelung jedoch noch nicht greifen. Insgesamt 259 Wohneinheiten werden in den kommenden Monaten in der Gemeinde entstehen, und zwar in folgenden Neubauten:
zwei Mehrfamilienhäuser an der Heidenauer Straße (52),
ein Mehrfamilienhaus mit Nebenanlagen, Triftstraße neben dem DRK (10),
Stellmachers Gang / Unter den Linden (21), zwei Wohnhäuser, Triftstraße gegenüber des Ententeichs (20), Wohnanlage Am Bahnhof (94), Wohneinheiten auf dem Vorwerk-Gelände Niedersachsenstraße (42), sechs Mehrfamilienhäuser mit je sechs Wohneinheiten in der Gartenstadt Heidloh (36), Bahnhofstraße, ehemals Friesecke (15).
Ob bei neuen Bauvorhaben ein verpflichtender Anteil an Sozialwohnungen vorgegeben werden soll, muss die Politik entscheiden. Das Thema soll voraussichtlich auf die Agenda des Umwelt-, Bau- und Planungsausschusses Anfang Februar gesetzt werden. 
 
In der Stadt Buchholz geht man diesen Weg bereits. Seit Mitte 2016 wird im Geschosswohnungsbau ein Anteil an gefördertem Wohnraum vorgegeben. Dieser muss bei 40 Wohneinheiten zehn Prozent, ab 80 Wohneinheiten 20 Prozent und ab 100 Wohneinheiten 25 Prozent betragen - festgelegt auf 20 Jahre. 
In der Nordheidestadt gibt es derzeit drei große Bauprojekte: Im Bereich Schaftrift West werden 180 Wohneinheiten geschaffen, davon 35 Wohnungen mit Sozialbindung, auf der Hillmer-Fläche an der Soltauer Straße 134 (35) und auf der Kyrill-Fläche an der Bremer Straße 112 (9). Dass die Quote in der Schaftrift nicht erfüllt wird, läge daran, dass der städtebauliche Vertrag für das Gebiet bereits in Arbeit gewesen sei, als der Kriterienkatalog für Sozialwohnungsbau noch nicht vorgelegen habe, erläutert Stadtsprecher Heinrich Helms. Und in Buchholz wird weiter kräftig gebaut: In den vergangenen drei Monaten seien Bauanträge für 54 Wohneinheiten genehmigt worden, 17 weitere seien in Arbeit, so Helms.

In Winsen wurden im vergangenen Jahr 131 Wohnbauvorhaben mit 185 Wohneinheiten genehmigt - vom Einfamilien- bis zum Mehrfamilienhaus. "Bei der Auswahl der Projektträger für die Realisierung von Neubauvorhaben gibt es derzeit zwei städtische Schwerpunkte: Zum einen sind das Investoren, die bezahlbaren Wohnraum vorzugsweise für junge Leute schaffen. Zum anderen werden Flächen der Kommunalen Wohnungsbaugesellschaft überlassen, die dort bezahlbaren Wohnraum errichtet; so werden gut 50 Wohnungen von dieser Gesellschaft in dem Neubaugebiet 'Norderbülte' gebaut, wo die Erschließungsarbeiten in Kürze beginnen", teilt Stadtsprecher Theodor Peters auf WOCHENBLATT-Anfrage mit.

Was sagen Sie, liebe Leserinnen und Leser, zur Lage auf dem Wohnungsmarkt? Teilen Sie uns Ihre Meinung oder Ideen zur Verbesserung der Situation mit, per E-Mail an: bianca.marquardt@kreiszeitung.net. 

Auf ein Wort

Wie problematisch es ist, bezahlbaren Wohnraum für alle Zielgruppen zu schaffen, zeigt das Beispiel der Kommunalen Wohnungsbaugesellschaft (KWG) im Landkreis Harburg. Richtig und gut ist, dass Kreisverwaltung und -politik das Thema Wohnungsnot ernst nehmen und handeln. Allerdings ist schon jetzt absehbar, dass die damaligen Vorstellungen nicht umsetzbar sind bzw. Versprechen nicht eingehalten werden:
• Nicht alle Kommunen sind davon überzeugt, dass der von der KWG geschaffene Wohnraum das anteilig einzubringende Kapital rechtfertigt. Bislang gehören der KWG neun von zwölf Kommunen an. Das angestrebte Stammkapital von 45 Millionen Euro, mit dem Investitionen von 150 Millionen Euro angeschoben werden sollen, ist somit noch nicht komplett. 
• Vor der Gründung der KWG, die im Oktober 2017 ihre Geschäftstätigkeit aufnahm, war von 1.000 Wohneinheiten die Rede, die binnen fünf Jahren in den beteiligten Gemeinden und Städten realisiert werden sollten. Jetzt ist noch von 800 Wohnungen die Rede, die in den kommenden sechs bis sieben Jahren im Kreisgebiet entstehen. Davon sind nur 30 Prozent als Sozialwohnungen mit einem Quadratmeterpreis von 5,60 Euro geplant. Die übrigen werden zu einem Quadratmeterpreis von maximal 8,60 Euro als "bezahlbarer Wohnraum" angeboten.
In Salzhausen wird jetzt das erste Projekt der KWG mit zehn Wohneinheiten realisiert. Dort beträgt der Quadratmeterpreis 8,50 Euro und ist damit nur wenige Cent günstiger als die derzeit ortsübliche Miete.
• Landrat Rainer Rempe, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der KWG ist, hatte 2017 vollmundig versprochen, mit der KWG "einen starken Impuls für die regionale Bauwirtschaft" zu setzen. Doch die heimischen Handwerksbetriebe fühlen sich ausgebotet, weil die KWG die Aufträge an einen Generalunternehmer aus dem Kreis Rotenburg vergeben hat, der nur Firmen aus dem Raum Hannover/Bremen beschäftigt, wie Andreas Baier, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft des Kreises Harburg, jüngst kritisierte (das WOCHENBLATT berichtete).
Es ist jetzt an der Zeit, im sozialen Wohnungsbau ordentlich Gas zu geben, ansonsten macht sich die KWG in den Augen des Bürgers komplett unglaubwürdig. Dann wäre nur ein weiteres Bürokratiemonster geschaffen worden, das Steuergelder verschwendet und dem Bürger nichts bringt. Wohnungssuchende bleiben in Notquartieren und -situationen oder geraten in die Armutsfalle oder gar die Obdachlosigkeit. Bianca Marquardt

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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