Deichschreck wird zum Gaumenschmaus
Schlemmen für den Deichschutz: Nutriaessen in Breitenwisch
- Die Teilnehmer des Nutriaessens lassen es sich schmecken. Es wurde bis tief in die Nacht gefuttert und geklönt
- Foto: Henning Jarck
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Andere kämpfen mit Sandsäcken gegen Deichschäden – im Dörfchen Breitenwisch (Gemeinde Himmelpforten) hingegen geht man die Sache kulinarisch an. Dort nahmen kürzlich an zwei Terminen rund 70 Gäste teil, um einem der schlimmsten Deichschädlinge, dem Nutria, buchstäblich den Garaus zu machen – und zwar mit Messer und Gabel. Mit dem Nutriaessen wird nicht nur ganz nebenbei ein Beitrag zum Küstenschutz geleistet. Die bis zu acht Kilogramm schweren Tiere sollen sehr schmackhaft sein, auch wenn der Name "Sumpfbiber" -so werden Nutrias häufig bezeichnet - nicht besonders appetitlich klingt.
Was in den USA längst Programm ist ("Save a Swamp, Sauté a Nutria" – „Rette ein Sumpfgebiet, brate ein Nutria“; lesen Sie dazu den WOCHENBLATT-Artikel "Kulinarischer Küstenschutz"), wurde in Breitenwisch jetzt mit Genuss praktiziert. Seit 2022 lädt Jäger Henning Jarck im Frühjahr Jagdkollegen, Freunde und Nutria-Neulinge zum Schmaus ins Gasthaus seines Bruders Holger Jarck ein – und der Zuspruch war in diesem Jahr so groß, dass gleich zwei Veranstaltungen nötig waren.
- Die Jagdhornbläser eröffnen das Nutriaessen mit Hörnerklängen. Bei der Jagd gibt auch ein eigenes Signal "Nutria tot"
- Foto: Henning Jarck
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Was mit einem skeptischen Stirnrunzeln begann, ist inzwischen zum gastronomischen Geheimtipp avanciert. „Beim ersten Mal waren es 17 Teilnehmer, die sich eher vorsichtig an den Nutria wagten“, erinnert sich Jarck. Dieses Jahr hingegen strömten rund 70 Gäste an zwei Abenden in das Gasthaus in Breitenwisch, um das Abenteuer auf dem Teller zu erleben.
Schmeckt wie Kaninchen oder Pute
Aufgetischt wird, was die Region um die untere Oste hergibt. Die Nutrias, die Jarck und seine Mitstreiter entlang der Oste, am Burgbeckkanal und der Horsterbeck erlegt haben, landen nach fachgerechter Zubereitung auf dem Buffet. Die Keulen und Rückenstücke der Sumpfbiber werden – ganz traditionell – zunächst wie Kaninchen in Buttermilch eingelegt, bevor sie liebevoll als Schmorbraten serviert werden, begleitet von deftigem Rotkohl, Pilzen und herzhafter Bratensoße. Und wer einmal probiert hat, will mehr: Das Fleisch erinnert manche geschmacklich an zartes Hauskaninchen. Andere vergleichen es mit Putenfleisch – zart, saftig und absolut überraschend lecker.
- Das Nutria-Buffet ist eröffnet: die Keulen und Rückenbraten warten auf die Genießer
- Foto: Henning Jarck
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Von der Falle auf den Teller
Henning Jarck besitzt seit 2013 einen Jagdschein und hat 2021 seinen ersten Nutria geschossen. Rund 35 der wühlfreudigen Nager hat er seitdem zur Strecke gebracht – im Dienste des Deich- und Uferschutzes und zur Freude der Nutria-Genießer. Gejagt wird mit vier eigens vom Landkreis Stade und dem Deichverband Untere Oste bezuschussten Fallen. Aber Jarck setzt nicht nur auf die eigene Beute: Dank der fleißigen Waidmänner aus Nordkehdingen, insbesondere Jagdpächter Heino Bube, trudeln regelmäßig Nutrias vom Wischhafener Sand ein.
Ein Fest für Genießer und Küstenschützer
Der erste Nutria-Schlemmabend in diesem Frühjahr fand im März mit 34 Gästen statt – darunter auch Himmelpfortens Bürgermeister Bernd Reimers samt der Bauhof-Mannschaft. Die Stimmung? Ausgelassen. Der Appetit? Riesig. Und die Erkenntnis? Nutria-Essen könnte glatt zur neuen norddeutschen Tradition werden. Im April folgte der zweite Streich: Weitere 37 Gäste wollen dem schmackhaften Deichschädling kulinarisch zu Leibe rücken. Jarck ist überzeugt: „Nächstes Frühjahr wird es auf jeden Fall wieder ein Nutriaessen geben – im Dienste des Deich- und Küstenschutzes.“
- Der Initiator des Nutriaessens, Jäger Henning Jarck (li.), mit dem jüngsten (Hermann Plotz) und dem ältesten Teilnehmer (Heiner Klegrefe)
- Foto: Henning Jarck
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Eine Idee für den Landkreis?
Angesichts dieses Erfolges könnte man die Idee doch gleich weiterspinnen. Warum nicht ein Nutria-Buffet auf der Zukunftswerkstatt des Landkreises Stade zum Thema Küstenschutz am 6. Mai im Kreishaus aufbauen? Als Ausgleich für die trockenen Reden und statt krümeliger Kekse könnten die Teilnehmer saftige Nutria-Keulen und delikate Rückenfilets genießen – und nebenbei ein Zeichen setzen: Küstenschutz geht auch durch den Magen.
Eines ist jedenfalls sicher: In Breitenwisch ist man dem Ziel, unsere Deiche zu retten, schon einen großen Bissen näher gekommen. Guten Appetit!
Redakteur:Jörg Dammann aus Stade |
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