"Wir brauchen bessere Strukturen"

Seit über 30 Jahren in der Flüchtlingsarbeit aktiv: Ute Schui-Eberhart
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WOCHENBLATT-Interview mit Buchholz' Ehrenbürgerin Ute Schui-Eberhart (74) zur Flüchtlingsarbeit

os. Buchholz. Der Buchholzer Stadtrat hat am vergangenen Freitag einstimmig entschieden, Ute Schui-Eberhart (74) zur neuen Ehrenbürgerin von Buchholz zu ernennen. Wie berichtet, engagiert sie sich seit mehr als 30 Jahren haupt- und ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit. Im Interview mit WOCHENBLATT-Redaktionsleiter Oliver Sander erklärt Ute Schui-Eberhart, welche Verbesserungen sie sich in der Flüchtlingshilfe wünscht.
WOCHENBLATT: Wie bewerten Sie die derzeitige Flüchtlingsarbeit im Landkreis Harburg und in der Stadt Buchholz?
Ute Schui-Eberhart: Wir sind in einer schwierigen Situation. Leider ist die Flüchtlingspolitik auf Bundes- und Landesebene – und als Folge davon – auch im Landkreis Harburg weit davon entfernt, gut strukturiert zu sein.
WOCHENBLATT: Woran machen Sie das fest?
Ute Schui-Eberhart: Alle zuständigen Behörden sind überlastet. Die Registrierung der Flüchtlinge dauert zu lange. Sie werden den Kommunen zugewiesen, die von heute auf morgen Unterkünfte finden müssen. In diesem Jahr gab es nur noch zwei Willkommenskurse (100 Stunden Deutsch) pro Kommune. Anträge auf Arbeitserlaubnis können nicht zeitnah bearbeitet werden. Arbeitgeber, die Arbeitsplätze anbieten, können oft nicht solange warten.
WOCHENBLATT: Wie könnte man das Problem beheben?
Ute Schui-Eberhart: Wir fordern z.B. seit Langem, in Buchholz eine Außenstelle der Ausländerbehörde einzurichten. Das würde den Flüchtlingen und ihren Helfern viel Fahrerei nach Winsen ersparen.
WOCHENBLATT: Wo sehen Sie noch Defizite?
Ute Schui-Eberhart: Die Sprachkurse für Flüchtlinge müssen mit dem Tag der Ankunft beginnen, und zwar bei öffentlichen Trägern. Derzeit werden diverse Sprachkurse von ehrenamtlichen Helfern durchgeführt. Das darf keine Dauerlösung sein. Es läuft gerade ein Modell für Sprachkurse durch die Arbeitsagentur an. Dieses richtet sich allerdings nur an Flüchtlinge aus bestimmten Staaten wie Syrien und dem Irak und muss noch in diesem Jahr starten. Die Flüchtlinge zu benennen, bedeutet für die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter in der Flüchtlingshilfe einen riesigen Aufwand.
WOCHENBLATT: Wie sieht es mit der personellen Ausstattung in der Flüchtlingshilfe aus?
Ute Schui-Eberhart: Wir brauchen viel mehr Hauptamtliche. Die Menschen kommen mit vielen Problemen an: Krankheiten, Kriegsverletzungen, Traumata, keine Deutschkenntnisse, keine Kenntnisse über Asylverfahren und Arbeitsmöglichkeiten. Sie leiden unter Beschäftigungslosigkeit und unter der Enge in den Unterkünften. Das führt zu vielen Konflikten. Das sind vorrangig Aufgaben der Hauptamtlichen. Ehrenamtliche können dabei begleiten. Ich fürchte, dass die Motivation von Bürgern darunter leidet, wenn sie das Gefühl haben, als Ehrenamtliche eigentlich die Arbeit der Hauptamtlichen zu machen. Hier ist das Land gefordert. Ich freue mich, dass in der Ausländerbehörde des Landkreises zusätzliche Stellen geschaffen werden und hoffe, dass das zur Beschleunigung der Verfahren beiträgt.
WOCHENBLATT: Was kann die Stadt Buchholz tun?
Ute Schui-Eberhart: Sie muss den sozialen Wohnungsbau für alle Bedürftigen fördern, also nicht nur für Flüchtlinge. Das ist wichtig, damit es keinen Neid auf Flüchtlinge gibt.
WOCHENBLATT: Sie waren schon Anfang der 1990er Jahre in der Flüchtlingsarbeit tätig, als durch den Balkankrieg hunderttausende Menschen nach Deutschland kamen. Worin unterscheidet sich die Situation heute und damals?
Ute Schui-Eberhart: Vor knapp 25 Jahren hatten wir überhaupt keine Infrastruktur. Zudem war die Stimmung damals überwiegend gegen die Flüchtlinge. In Buchholz bewachten sogar Bürger die Unterkünfte, um die Flüchtlinge z.B. in der Schützenhalle zu schützen.
WOCHENBLATT: Was raten Sie Bürgern, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren wollen?
Ute Schui-Eberhart: Wichtig ist, dass man Flüchtlingen auf Augenhöhe begegnet. Die Flüchtlinge müssen raus aus den Unterkünften und unsere Lebensrealität kennenlernen. Im Unterricht sollen sie die Grundlagen für eine einfache Kommunikation auf Deutsch erlernen. Wenn das erreicht ist, können Alphabetisierung und Grammatikvermittlung an die Reihe kommen.
WOCHENBLATT: Frau Schui-Eberhart, vielen Dank für das Gespräch.

Redakteur:

Oliver Sander aus Buchholz

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